Windenergie: Richtplanentwurf steht
06.07.2024 Hagenbuch, ElggDer Zürcher Regierungsrat gibt die Richtplaneinträge für Windenergieeignungsgebiete und Wasserkraftnutzung sowie eine Vorlage zur Beschleunigung der Verfahren in die öffentliche Anhörung. Betroffen als Windräderstandorte sind weiterhin die Gemeinden Hagenbuch ...
Der Zürcher Regierungsrat gibt die Richtplaneinträge für Windenergieeignungsgebiete und Wasserkraftnutzung sowie eine Vorlage zur Beschleunigung der Verfahren in die öffentliche Anhörung. Betroffen als Windräderstandorte sind weiterhin die Gemeinden Hagenbuch und Elgg.
«Zur Stärkung der Versorgungssicherheit und für den Klimaschutz soll die einheimische, erneuerbare Stromproduktion ausgebaut werden», teilt der Kanton Zürich mit. Die Energiestrategie sehe darum eine stärkere Nutzung der heimischen, erneuerbaren Energien vor – unter anderem der Windenergie. Dieses Thema mit den Plänen des grünen Regierungsrats Martin Neukom führte zu heftigem Widerstand in diversen Gemeinden – auch in Hagenbuch und Elgg. Deshalb widmet sich dieser Artikel ausschliesslich diesem.
Nun schafft also der Kanton Zürich die planerischen Voraussetzungen für die Nutzung der Windenergie: den eintrag von Eignungsgebieten im kantonalen Richtplan. Der Regierungsrat hat das Energiepotenzial und die Schutzaspekte von insgesamt 52 Potenzialgebieten gegeneinander abgewogen. 20 davon beurteilt er als sehr geeignete Gebiete und schlägt sie zum Eintrag in den kantonalen Richtplan vor. 15 weitere, ebenfalls gut geeignete Gebiete werden als sogenannte Zwischenergebnisse eingetragen. In diesen Gebieten sind noch nicht alle Voraussetzungen für einen definitiven Richtplaneintrag erfüllt.
Drei lokale Gebiete sind weiter im Rennen
Im Eulachtal erkannte der Regierungsrat vier Potenzialgebiete für Windenergie: Zünikon (betroffen sind die Gemeinden Wiesendangen, Hagenbuch, Elgg), Schneitberg (Hagenbuch, Elgg), Guegenhard (Elgg) und Schauenberg (Elgg, Turbenthal, Schlatt). Der letztgenannte Standort ist mittlerweile nach einer Schutz-Nutzen-Analyse vom Tisch. Schneitberg und Guegenhard sind als Zwischenergebnis im Richtplan eingetragen, da es Konflikte mit der Aviatik gibt. Konkret stört das Rotieren der Windräder die Radarsysteme von Flugzeugen und Flugsicherung, schrieb der «Landbote», was sich technisch aber lösen liesse. Der Kanton wolle diesbezüglich noch weitere Abklärungen treffen. Fix rechnet der Regierungsrat hingegen mit dem Gebiet Zünikon.
Der Richtplanentwurf liegt nun bis am 31. Oktober öffentlich auf. Alle Interessierten können sich in dieser Zeit dazu äussern. Das Ergebnis der öffentlichen Auflage bildet die Grundlage für einen anschliessenden Antrag des Regierungsrates an den Kantonsrat. Dieser entscheidet abschliessend über den Eintrag von Eignungsgebieten für die Windenergienutzung im kantonalen Richtplan.
Hagenbuch wartet auf den BZO-Entscheid
Diese Zeitung erkundigte sich über die Meinung zum Richtplanentwurf der beiden Gemeindepräsidien in Hagenbuch und Elgg. Die Gemeindeversammlung Hagenbuchs bestimmte bekanntlich eine Mindestabstandsregelung, welche in der Bau- und Zonenordnung (BZO) verankert werden und faktisch den Bau von Windrädern auf Gemeindegebiet verhindern soll. Regierungsrat Neukom äusserte sich bereits mehrmals zu solchen Regelungen, welche er als unzulässig ansieht und zu verhindern wissen will. Gemäss Gemeindepräsident Rolf Sturzenegger (SVP) befinde sich die BZO Zur Vorprüfung bei der kantonalen Baudirektion. Betreffend dem darin enthaltenen Mindestabstand sei er skeptisch, ob dieser vom Kanton genehmigt werde. Bekanntlich sterbe aber die Hoffnung zuletzt.
Die Zurückstufung des Schneitbergs im Richtplanentwurf macht aus Sturzeneggers Sicht Sinn, denn die schlechte Erschliessung spreche gegen den Bau von Windkraftanlagen an dieser Örtlichkeit. «Dies war auch einer der Gründe, weshalb dieser Standort vor der dienstäglichen Medienkonferenz des Kantons noch als ‹mässig geeignet› bezeichnet wurde», sagt er. Wird nun die Gemeinde etwas unternehmen, damit der Schneitberg definitiv nicht berücksichtigt wird? Für ihn sei der Entscheid zum Mindestabstand in der BZO massgeblich, weshalb der Gemeinderat diesen abwarten werde.
Sturzenegger informiert: «Die Baudirektion wird den Entscheid im Juli oder August fällen. Die überarbeitete BZO kommt im November an der Gemeindeversammlung zur Abstimmung.» Falls der Passus mit dem Mindestabstand von der Baudirektion für ungültig erklärt werde, würden die Stimmberechtigten auch darüber befinden können, ob der Gemeinderat dies juristisch anfechten und den Instanzenweg beschreiten soll. Unabhängig davon werde sich dieser auch zur Gesamtüberarbeitung des Richtplankapitels Energie bis Ende Oktober mittels Vernehmlassung äussern.
Lieber Strom sparen statt Windräder bauen
Über die Richtplan-Festsetzung Zünikons, welches sich hauptsächlich auf dem Gemeindegebiet Wiesendangen befindet, freut sich Rolf Sturzenegger nicht. Dies, weil die meisten bewohnten Gebäude im Schneitertal weniger als 1000 Meter vom geplanten Standort der Windkraftanlagen entfernt seien. Er äussert aber auch ganz grundsätzliche Kritik: «Unverständlich für mich ist, dass immer nur über die Gewinnung elektrischer Energie und nicht über Sparmassnahmen gesprochen wird.»
Seines Erachtens sei es beispielsweise unnötig, dass die Beleuchtungen auf Strassen und Bahnhofarealen in gewissen Städten und Gemeinden teils während der ganzen Nacht eingeschaltet seien oder Fussgängerstreifen nachts um 3 Uhr beleuchtet würden. Es gäbe noch viele Beispiele unnötigen Stromverbrauchs, sowohl im öffentlichen wie im privaten Sektor. Und Sturzenegger gibt zu bedenken: «Ohne Not wurden viele der im Winter 2022/23 getroffenen Energiesparmassnahmen wieder aufgehoben.»
Elgg: Genügend Gründe, die dagegensprechen
Ebenfalls eine grosse Kritikerin der Windenergiepläne und des diesbezüglichen Vorgehens ist die Elgger Gemeindepräsidentin Ruth Büchi-Vögeli. Dass der Schauenberg im Richtplan nicht berücksichtigt wird, sei richtig. Sie begründet: «Dieses Gebiet wurde sowohl von Skyguide als auch vom Eidgenössischen Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) als nicht geeignet eingestuft. Der Schauenberg ist im Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler im Objekt des Hörnli-Berglands enthalten und zudem gelten die Überreste der Burg im Kulturgüterschutzinventar des Bundes als Objekt regionaler Bedeutung.»
Auch in den Gebieten Schneitberg und Guegenhard möchte die SVP-Kantonsrätin lieber keine Windräder sehen. Sie sieht hierfür genügend Gründe, die dagegensprechen: «Der Schneitberg liegt in der kantonalen Schutzverordnung (SVO) und umfasst unter anderem ein Waldreservat, das geschützt werden sollte. Skyguide und das VBS beurteilen den Standort nur bedingt als geeignet. Der Guegenhard liegt ebenfalls in der SVO, umfasst eine Naturlandschaft des Kantonalen Inventars der Landschaftsschutzobjekte (KILO). Zudem beinhaltet der Wald wenig begangenen Wildlebensraum, der erhalten werden sollte. Skyguide und VBS Beurteilen den Standort als bedingt positiv bis bedingt negativ.»
Gemeindepräsidentin zeigt sich erstaunt
Der Festsetzung Zünikons als «sehr geeignetes» Gebiet im Richtplan kann Ruth Büchi-Vögeli ebenfalls wenig abgewinnen. Skyguide und VBS hätten diesen Standort nur bedingt positiv beurteilt. Auch dieses Gebiet beinhalte Waldstandorte naturkundlicher Bedeutung mit Naturlandschaftsobjekten des KILO. Zudem seien Brutstandorte der Feldlerche und weitere national prioritäre Brutvogelarten betroffen. Der Standort liege in einem überregionalen Wildtierkorridor mit nationaler Ausbreitungsachse. «Es erstaunt mich schon, dass der grüne Baudirektor Martin Neukom solche Standorte weiterverfolgen will», so die Gemeindepräsidentin.
Der Gemeinderat werde das weitere Vorgehen nun diskutieren und die Vernehmlassung sicher wahrnehmen. Gemäss Ausbauziel der kantonalen Energiestrategie, so Büchi-Vögeli, sollen bis 2050 sieben Prozent des Stromverbrauchs respektive 735 Gigawattstunden pro Jahr durch Windenergie abgedeckt werden. Für sie steht das in keinem Verhältnis: «Im Vergleich zu den Umweltschäden, die durch den Bau solcher Windanlagen verursacht werden, und bei einer Lebensdauer einer solchen Anlage von nur 20 Jahren, frage ich mich schon, ob dieser Prozentsatz nicht einfacher eingespart oder sinnvoller durch die neue Generation von AKWs erzeugt werden könnte.» Und sie ergänzt: «Ich habe bisher immer noch keine Kosten-Nutzen-Analyse gesehen und auch die Finanzierung solcher Anlagen bleibt bis heute ein Geheimnis.»
Kantonalparteien nehmen Stellung
Wie nicht anders zu erwarten bei einem solch wichtigen und umstrittenen Thema, rauschten unmittelbar nach der Präsentation des Richtplanentwurfs die Mails der kantonalen Parteien in die Zeitungsredaktionen. Kritik kommt da wenig überraschend vor allem von der SVP. Sie fordert, dass Windkraftanlagen nur mit Einwilligung der betroffenen Gemeinden gebaut werden dürften. Mit der Vorstellung widerspreche der Regierungsrat bezüglich dem Stromertrag seiner eigenen Windpotenzialstudie aus dem Jahr 2022 und stelle den Ertrag zu hoch dar. In Tat und Wahrheit werde der Anteil der Windenergie zur absoluten Marginalie und trage keinen spürbaren Anteil an die Zürcher Stromversorgung bei. Der Regierungsrat unterlasse eine objektive Güterabwägung und «unterjocht sich dem Idealismus, indem er den Gemeinden die Mitbestimmung weiterhin verwehrt».
Ganz anders tönt es wenig überraschend aus der anderen politischen Ecke. Die SP beispielsweise begrüsst die Pläne für den raschen Ausbau der Windkraftanlagen im Kanton. Nur so könne die Dekarbonisierung der Energieversorgung innert nützlicher Frist erfolgen, die Gefahr einer Winterstromlücke reduziert und eine unabhängige Stromversorgung gewährleistet werden. Die Grünen schreiben: «Wir begrüssen den Fortschritt im Windplanungsprozess, den wir mit der Motion ‹Interessengebiete für Windenergieanlagen festlegen› angestossen haben. Die 20 Eignungsgebiete sind ein guter Anfang: Die 60 bis 70 Windanlagen, die dadurch möglich werden, können insbesondere im Winter erneuerbaren und klimafreundlichen Strom für 70’000 Wärmepumpen liefern.»
RENÉ FISCHER
Kanton will Schnellverfahren
Der Regierungsrat will das Bewilligungsverfahren für grosse Windenergieanlagen beschleunigen. Es soll ein kantonales Plangenehmigungsverfahren zur Anwendung kommen, wie heute schon für Hochwasserschutzprojekte und Kantonsstrassen. Grosse Windenergieanlagen seien ebenso wie diese von gesamtkantonalem Interesse. Das Bewilligungsverfahren dauere heute zu lange, doch die Zeit dränge. Mit dem kantonalen Plangenehmigungsverfahren verkürze sich der Instanzenweg, «die Einspracherechte bleiben jedoch vollumfänglich gewahrt». So sieht es zumindest der Regierungsrat.
Die entsprechenden Änderungen des kantonalen Energiegesetzes gehen zeitgleich mit der öffentlichen Auflage der Richtplanvorlage in eine Vernehmlassung.