Vanessa Sacchet im Gespräch mit Michael Zürcher
24.05.2025 Leute aus der Region, ElggMichael Zürcher, geboren am 23. Juli 1975 in Schaffhausen, wuchs zusammen mit seinem jüngeren Bruder auf. Der gelernte Hôtelier Restaurateur arbeitet 80 Prozent im Repräsentationsgebäude bei der Stadt Zürich und ist für die Gebäudeverwaltung und ...
Michael Zürcher, geboren am 23. Juli 1975 in Schaffhausen, wuchs zusammen mit seinem jüngeren Bruder auf. Der gelernte Hôtelier Restaurateur arbeitet 80 Prozent im Repräsentationsgebäude bei der Stadt Zürich und ist für die Gebäudeverwaltung und Veranstaltungen zuständig. Zusätzlich übt er in Elgg die Tätigkeit als Schlosswart aus. Das historische Schloss gehört zu den am besten erhaltenen Schlössern der Region und hat eine lange Geschichte, die bis ins Mittelalter zurückreicht. Es ist in Privatbesitz und wird von der Familie Werdmüller und weiteren Fachpersonen verwaltet.
«Mein Partner und ich wohnen im Pächterhaus neben dem Schloss. Den Vormieter kannten wir bereits, und er erzählte uns, dass er mit seiner Familie ins Städtchen Elgg zieht. Dadurch würde das Haus vorzeitig frei. Da wir gerade auf der Suche nach einem neuen Zuhause waren und dieses Haus unseren Vorstellungen entsprach, bewarben wir uns und erhielten den Zuschlag. Das Pächterhaus ist mit der Tätigkeit des Schlosswarts gekoppelt. Da ich eine grosse Leidenschaft für historische Gebäude und Schlösser habe, hat mich diese Kombination besonders gereizt. Natürlich habe ich mich im Vorfeld erkundigt, welche Aufgaben auf mich zukommen und wie aufwendig diese sind. Vor der Entscheidung durften wir das Schloss gemeinsam mit der Präsidentin besichtigen. Sie erklärte mir, was ihr besonders am Herzen liegt und was es alles zu tun gibt. Zu meiner Tätigkeit gehört das regelmässige Lüften, damit sich kein Schimmel bildet. Gleichzeitig schaue ich allgemein zum rechten und im Winter gibt es ab und zu Mäuse in der Mausefalle. Das gehört zu diesem alten Gebäude dazu. Falls Renovationsarbeiten anfallen, koordiniere ich die Handwerker, so dass sie Zutritt zum Schloss haben. Ich pflege den Umschwung, halte das Unkraut in Schach und mähe den Rasen. Für die grösseren Arbeiten wie das Bäume schneiden kommt zwei Mal im Jahr der Gärtner. Im Herbst stelle ich das Wasser ab damit es im Winter nicht gefriert und erledige die Verwaltungshauswarts-Arbeiten».
Arbeiten an einem historischen Ort
«Der wöchentliche Schlossrundgang dauert circa eine Stunde. Streife ich durch die Räume, fühle ich mich zurückversetzt in eine ganz andere Zeit. Dann stelle ich mir manchmal vor, wie es damals zu und her gegangen ist. Angst, mich alleine im Schloss aufzuhalten, habe ich nicht. Jedoch Respekt vor dem Gebäude und der Geschichte, die sehr weit zurückreicht. Zum aller ersten Mal wurde das Schloss im Jahr 1166 urkundlich erwähnt. Der ursprüngliche Turm mit den schweren, unbehauenen Steinen, die das Fundament bilden, geht noch weiter zurück. Datiert werden konnte es jedoch nicht genau. In all den Jahrhunderten gab es sehr viele Besitzerwechsel. Hans Felix Werdmüller kaufte das Schloss im Jahr 1712 und richtete einen Fideikommiss ein. Das ist ein unveräusserlicher Besitz. Seit damals ist das Schloss im Besitz der Familie Werdmüller. Ein besonderer Zufall ist, dass mein Arbeitsplatz in Zürich von Johannes Werdmüller erbaut und 1782 fertiggestellt wurde. So arbeite ich nun sowohl in diesem Gebäude als auch im Stammschloss der Familie Werdmüller. Diese Verbindung ist für mich etwas ganz Besonderes, zumal die Familie sehr gross, wohlhabend und einflussreich war».
Leben zwischen Vergangenheit und Gegenwart
«Im Schloss hängen beeindruckende Ölgemälde von Vorfahren an den Wänden. Besonders im Winter, wenn es dunkel ist, nehme ich meine Taschenlampe mit. Da gibt es schon beim einen oder anderen Bild etwas unheimliche Gesichter, die einen anstarren, wenn man sich durch die Zimmer bewegt. Am Anfang gab es einige Schreckmomente. Mittlerweile habe ich sie kennengelernt und empfinde ihre Blicke als fast wohlgesinnt. Die Porträts bestechen durch ihre dunklen Hintergründe und die historische Kleidung, die uns eindrucksvoll an vergangene Zeiten erinnert. Sie strahlen Ernsthaftigkeit aus, ganz anders als die fröhlichen Gesichter moderner Bilder. Am meisten fasziniert mich an meiner Arbeit der Zeitsprung in die Geschichte. Ich stelle mir vor, wie hier einst gelebt, gekocht und gerichtet wurde. Man entdeckt noch immer Spuren vergangener Zeiten, von der alten Küche mit Holzherd, über die historischen Kachelöfen anstelle moderner Heizungen, bis hin zur Gerichtsstube, in der einst gerichtet wurde. Auch der Rittersaal erinnert an repräsentative Zwecke vergangener Epochen. Manchmal fühle ich mich bei meinen Rundgängen im Schloss fast ein bisschen als Schlossherr. Klar weiss ich, dass es nicht mir gehört. Doch da ich der Einzige bin, der regelmässig durch die Räume streift, trage ich die Verantwortung, für dessen Erhalt zu sorgen, bin aufmerksam und melde Mängel. Besonders beeindruckend finde ich, dass das Schloss über Jahrhunderte im Familienbesitz erhalten geblieben ist».
Waldkauz-Überraschung im Innenhof des Schlosses
«Im Schloss gab es ein Waldkauzpärchen, das ich jeweils auf den Bäumen sitzen sah, oder in der Nacht hörte. Eines Tages, als ich das Schloss für meinen Rundgang öffnete, erschreckte ich versehentlich die Vögel im Innenhof, und stellte überrascht fest, dass es drei statt zwei waren. Ich vermutete, dass ein Jungvogel dabei war, der vor Schreck gegen eine Mauer flog und zu Boden fiel. Ich wusste, dass sie starke Krallen besitzen, und traute mich nicht, ihn anzufassen, und kontaktierte den Wildhüter. Dieser kam mit Lederhandschuhen und einer geeigneten Schachtel. Nachdem ich meine Arbeit beendet hatte, fuhr ich zur Greifvogelstation in Berg am Irchel. Dort untersuchten die Experten den Kauz, der zwar benommen, aber nicht verletzt war. Nach einer kurzen Pflegezeit wurde er wieder in die Freiheit entlassen. Er befand sich in einem Alter, in dem er begann, selbstständig zu werden. Ob er zurück zum Schloss geflogen ist, oder sich ein neues Revier vor Ort suchte, kann ich nicht sagen. Doch diese Begegnung war besonders faszinierend».
Historisches Erbe und moderner Alltag
«Wenn wir in unserem Garten sitzen, geniessen wir einen direkten Blick auf das Schloss, ein markantes Gebäude, das zusammen mit den umliegenden Häusern wie unserem Pächterhaus, dem Waschhaus, dem Wagenschopf und dem Zehntenhaus eine besondere historische Atmosphäre schafft. Früher konnte der Landbesitzer seine Felder von den Pächtern bewirtschaften lassen, die im Gegenzug einen zehnten Teil ihrer Ernte abgaben. Das Zehntenhaus wird heute als Event-Location genutzt, die man für Feste wie Hochzeiten, Taufen oder Geburtstagsfeiern mieten kann. Früher als Schlossschenke bekannt, ist dieser Ort ein beliebter Treffpunkt für besondere Anlässe. Die Kastanienallee vor dem Schloss wird ebenfalls genutzt, um im Sommer zauberhafte Feste zu veranstalten. Im vergangenen Jahr wurde dort an einem Sommerabend eine lange, wunderschön beleuchtete Tafel aufgestellt, es war ein märchenhaftes Erlebnis. Derzeit gibt es weder berufliche noch persönliche Gründe, die uns dazu bewegen würden, von hier wegzuziehen. Die Aufgabe als Schlosswart nehme ich mit Freude wahr und stehe stets im Austausch mit der Stiftungspräsidentin. Ich bin mir meiner Verantwortung bewusst und achte bei meinen regelmässigen Rundgängen genau auf jedes Detail, um auf aussergewöhnliche Vorkommnisse schnell reagieren zu können. So ist das Schloss immer gut in Schuss».
VANESSA SACCHET