Vanessa Sacchet im Gespräch mit Claudia Reiser
04.10.2025 Leute aus der Region, AadorfClaudia Reiser, geboren am 22. Februar 1971 in Winterthur, hat zwei Brüder. Die gelernte Textilfachfrau ist Mutter von zwei Kindern und arbeitet seit 34 Jahren in einem 70-Prozent-Pensum als Export-Sachbearbeiterin. Am 16. April 2023 erfüllte sie sich mit der Eröffnung ihres ...
Claudia Reiser, geboren am 22. Februar 1971 in Winterthur, hat zwei Brüder. Die gelernte Textilfachfrau ist Mutter von zwei Kindern und arbeitet seit 34 Jahren in einem 70-Prozent-Pensum als Export-Sachbearbeiterin. Am 16. April 2023 erfüllte sie sich mit der Eröffnung ihres kleinen Secondhandladens Zweimol einen Herzenswunsch. Mit Fokus auf stilvolle, Damenmode sowie sorgfältig ausgewählte Dekoartikel. Sie legt grossen Wert auf saisonale Relevanz, hohe Qualität und eine überschaubare Auswahl. Mit besonderen Aktionen wie Shopping-Abenden zeigt sie viel Kreativität und ein gutes Gespür für ihre Kundinnen.
«Kleider haben mich schon immer fasziniert, sie begleiten mich mein ganzes Leben. Zudem ist mir Nachhaltigkeit ein grosses Anliegen. Es gibt einfach zu viele Kleider und vor allem viele Frauen, die mehr besitzen, als sie tragen können. Die Idee, einen kleinen Laden zu eröffnen, war schon immer ein Traum von mir. Und irgendwann dachte ich mir: Wenn nicht jetzt, wann dann? Also begann ich, mich nach einer passenden und bezahlbaren Lokalität umzusehen. Mir war wichtig, dass mich das Projekt finanziell nicht überfordert, gerade, wenn es nicht auf Anhieb funktionieren sollte. Als Startup braucht man schliesslich immer etwas finanzielle Unterstützung. Deshalb musste der Laden für mich tragbar sein. Es ergab sich die perfekte Gelegenheit: ein kleiner Raum an der Wittenwilerstrasse, direkt vis-à-vis meiner Wohnung und zu einem sehr günstigen Mietpreis. Dafür bin ich unglaublich dankbar. Alles, was heute in diesem Raum steht, haben wir selbst gemacht: Wände gestrichen, Regale angefertigt und aufgebaut und alles mit viel Liebe zum Detail eingerichtet. Zweimol ist ein echtes Herzensprojekt, entstanden aus Leidenschaft, Überzeugung und einem grossen Traum, den ich mir endlich erfüllt habe».
Alles begann mit Kleiderstangen im Wohnzimmer
«Schon bevor mein Laden eröffnet wurde, habe ich im Freundeskreis offen kommuniziert, dass ich einen Secondhand-Laden starten möchte. Zusätzlich bin ich meine WhatsApp-Kontakte durchgegangen und habe Freunde und Bekannte direkt angeschrieben, mit der Bitte, mir gut erhaltene Kleidung zu bringen, die sie nicht mehr benötigen. Die Resonanz war gross. Viele brachten mir ihre Stücke direkt nach Hause. Ich habe jedes Teil sorgfältig aufgenommen und beschriftet, denn alles muss korrekt dokumentiert sein. In meinem Wohnzimmer standen Garderobenständer, der Esstisch war voll mit Kleidung, Schuhen und Taschen, bis zum Tag der Eröffnung. So richtig realisiert, dass ich nun ein eigenes Geschäft besitze, habe ich erst an der Eröffnung. Plötzlich wurde mir bewusst: Das ist jetzt mein kleines Reich. Und es war ein wunderbares Gefühl, denn es kamen viele neugierige und interessierte Menschen vorbei, um sich umzusehen und mein Sortiment zu entdecken. Das Angebot in meinem Laden gestalte ich bewusst saisonal und wähle nur Stücke aus, die zu mir, meinem Stil und vor allem zu meinen Kundinnen passen. Oft halte ich ein Kleidungsstück in der Hand und sehe sofort eine bestimmte Kundin vor mir, zu der es perfekt passen würde. Mir ist wichtig, dass die Ware in einwandfreiem Zustand ist, idealerweise neu oder ungetragen, mindestens jedoch sehr gut erhalten. Ich bin kein Brockenhaus und nehme keine Billigprodukte von grossen Warenhausketten an, sondern achte auf ein ausgewogenes Sortiment mit Stil, Qualität und Wiedererkennungswert zu einem ehrlichen Preis».
Mehr als nur Mode – Begegnungen, Geschichten und ein Ort zum Verweilen
«Was mir an meiner Arbeit am meisten Freude bereitet, ist der persönliche Austausch mit den Menschen. Es ist immer wieder schön zu sehen, mit wie viel Wertschätzung mir die Kundinnen ihre Kleidung bringen, Stücke, die oft zu schade sind für den Kleidersack oder das Brockenhaus. Viele dieser Kleider haben Geschichte und Stil, und ich freue mich, ihnen bei Zweimol eine zweite Chance zu geben. Der Kontakt zu meinen Kundinnen ist herzlich und oft ganz unkompliziert, ein Kaffee, ein kurzer Schwatz, manchmal auch ein tieferes Gespräch. Ich spüre, dass die Menschen gerne zu mir kommen, sich wohlfühlen und das persönliche Ambiente schätzen. Besonders viel Herzblut stecke ich auch in meine kreativen Aktionen, wie zum Beispiel die Friday Shopping Night. Dabei achte ich darauf, einen geeigneten Termin ausserhalb der Ferienzeit zu wählen, gestalte Flyer und bewerbe den Anlass aktiv in den sozialen Medien, um möglichst viele Menschen zu erreichen. Ich arbeite auch mit kleinen lokalen Anbietern zusammen, die handgemachte Produkte wie Kerzen oder Seifen herstellen. Diese durften sich jeweils in der Cafeteria präsentieren. Die Cafeteria ist Teil des Gebäudes, in dem sich mein Laden befindet. Sie ist gemütlich, direkt über einen Durchgang erreichbar und darf von mir bei solchen Anlässen mitgenutzt werden. So entsteht ein grösseres, lebendiges Shopping-Erlebnis. Die Friday Shopping Night findet jeweils von 17 bis 21 Uhr statt und bringt Menschen zusammen, zum Stöbern, Austauschen und Geniessen».
Modebewusstsein im Wandel der Generationen
«Um meine Kundschaft zu erreichen, ist es wichtig, auf verschiedenen Plattformen präsent zu sein. Besonders gut funktioniert es, wenn ich Kleider aus meinem Laden selbst anziehe, mich darin fotografiere und die Bilder auf WhatsApp in meinem Status teile. Die Reaktionen meiner Kundinnen darauf sind durchweg positiv. Viele freuen sich, ihr ehemaliges Kleidungsstück getragen zu sehen, andere wiederum entdecken auf diese Weise ihr neues Lieblingsstück. Oft werde ich direkt angeschrieben: «Welche Grösse ist das?», «Ist das noch verfügbar?» so entsteht ein ganz direkter, persönlicher Kontakt. Denn ein Kleidungsstück wirkt einfach ganz anders, wenn es getragen wird, als wenn es nur auf einem Bügel hängt. Ich beobachte auch klare Unterschiede zwischen den Generationen. Meine Generation lebt nachhaltiger, überlegt beim Einkauf. Die Altersgruppe zwischen 25 und 35 hingegen legt oft mehr Wert auf Quantität als auf Qualität, Hauptsache günstig. Ganz anders die jüngere Generation, etwa ab 14 Jahren. Sie denken wieder nachhaltiger, stöbern auf Flohmärkten oder im Brockenhaus. Viele von ihnen, wie auch meine eigene Tochter, kaufen bewusst Secondhand und leisten damit einen wertvollen Beitrag zur Umwelt. Solche Entwicklungen stimmen mich zuversichtlich».
Meine Vision mit Zweimol
«Jetzt bin ich bereits seit zwei Jahren hier und ich bin stolz darauf, was ich aufgebaut habe und wie viele Kundinnen ich in dieser Zeit gewinnen durfte. Klar, vom Laden allein könnte ich nicht leben – dafür müsste ich öfter geöffnet haben als nur mittwochs- und freitagnachmittags sowie am Samstagmorgen. Doch solange meine Kinder noch schulpflichtig sind, bin ich auf einen festen Monatslohn angewiesen. Und das ist für mich aktuell auch in Ordnung. In zehn Jahren werde ich bereits pensioniert sein und ich sehe mich dann noch immer hier, in meinem kleinen Laden. Auch deshalb habe ich Zweimol gegründet. Um etwas Eigenes zu haben, das mich erfüllt, mir Freude macht und den Austausch mit Menschen auch im Pensionsalter ermöglicht. Was ich mir für die Zukunft wünsche, für meinen Laden, aber auch für Aadorf als Einkaufsort ist, dass die Menschen wieder vermehrt lokal einkaufen. Dass sie kleine Läden unterstützen, anstatt online bei grossen Konzernen oder bei Billiganbietern wie Temu zu bestellen. Es wäre schön, wenn das Bewusstsein für Nachhaltigkeit und Regionalität stärker wachsen würde. Denn genau dafür steht Zweimol: Für bewussten Konsum, für Individualität und für Begegnungen, die zählen».
VANESSA SACCHET