Streamingdienste sollen zur Kasse gebeten werden
30.04.2022 AbstimmungenGleich lange Spiesse für die Schweiz wollen Befürworter der Filmgesetzvorlage, weshalb Streamingdienste künftig ebenfalls in das hiesige Filmschaffen investieren sollen. Bis heute gibt es für sie keine Investitionspflicht. Gegner der sogenannten «Lex Netflix» sprechen von purem Zwang und steigenden Kosten für die Kundschaft.
Inländische Fernsehsender sind verpflichtet, vier Prozent ihres Umsatzes in das Schweizer Filmschaffen zu investieren. Damit leisten sie einen Beitrag zur einheimischen Filmproduktion. Filme und Serien werden jedoch zunehmend auch im internet zum Abruf angeboten (Streaming). Für die oft global tätigen Streamingdienste gibt es bis jetzt in der Schweiz keine Investitionspflicht.
Gemäss Abstimmungsunterlagen sieht die Änderung des Filmgesetzes vor, dass Streamingdienste zukünftig ebenfalls vier Prozent des in der Schweiz erzielten Umsatzes in das hiesige Filmschaffen investieren müssen. Sie könnten sich entweder direkt an Schweizer Film- und Serienproduktionen beteiligen oder eine Ersatzabgabe entrichten, die der Schweizer Filmförderung zugutekommt. Zudem müsste das Angebot der Streamingdienste zu 30 Prozent aus Filmen oder Serien bestehen, die in Europa produziert wurden.
Gegen die Gesetzesänderung wurde das Referendum ergriffen, weshalb die Schweizer Stimmbevölkerung am 15. Mai über die sogenannte «Lex Netflix» zu befinden hat. Ja-Parolen empfehlen SP, Grüne, EVP und GLP, gegen die Gesetzesänderung sind FDP, SVP, EDU und Die Mitte.
Gleich lange Spiesse mit dem Ausland
Laut Ja-Komitee würden internationale Streamingplattformen in der kaufkräftigen Schweiz sehr viel Geld verdienen und die Abonnementspreise im Vergleich mit anderen europäischen Ländern sehr hoch ansetzen. Heute flössen all diese Einnahmen ins Ausland. Die durch die Gesetzesänderung zusätzlichen Mittel würden den Filmproduktionsstandort Schweiz stärken. Das neue Filmgesetz ermögliche mehr Filmstoff, der nah an unseren Leben, unserer Kultur und unserem Land ist. Mehr Schweiz bei Film und Serien bedeute eine Stärkung unserer Identität. So erhielten Sie auch für Ihre neue Lieblingsserie eine viel grössere Auswahl.
Die Befürworter der Abstimmungsvorlage wollen gleich lange Spiesse für die Schweiz. Die Nachbarländer würden in ihren Gesetzen bereits Investitionsverpflichtungen für Anbieterinnen von Filmen und Serien kennen. Die Schweiz sei keine Insel und wolle im internationalen Wettbewerb mithalten können. Dafür sollen im Inland erwirtschaftete Gelder auch hier investiert werden und so auch den Schweizer Zugang zum internationalen Filmmarkt ermöglichen. Ansonsten verschwinde die Schweiz von den Bildschirmen. Die Investitionspflicht bestehe zudem in der Schweiz für nationale und sprachregionale Fernsehsender seit vielen Jahren und habe sich bewährt. Neu soll sie auch für Streamingplattformen gelten. Kleine Schweizer Fernsehunternehmen, die kaum Filme zeigen oder einen Mindestumsatz von 2,5 Millionen Franken nicht erreichen, sollen von der Investitionspflicht ausgenommen bleiben.
Steigende Abopreise zu erwarten
Die Filmsteuer von «mindestens» vier Prozent der Bruttoeinnahmen sei purer Zwang, argumentieren die Gegner. Die schweizerischen sowie ausländischen Streaminganbieter könnten sich dieser nicht entziehen. Bei Nichterfüllung müsste eine Abgabe an das Bundesamt für Kultur bezahlt werden. Zudem könnten die Schweizer Privatsender ihre Werbespots für den Schweizer Film nicht mehr in voller Höhe als Investition anrechnen lassen. Sie müssten neu viel Cash in die bereits grosszügig subventionierte Schweizer Filmszene investieren. Die Schweizer Privatsender würden mit einer Annahme des geänderten Filmgesetzes sogar mehr diskriminiert: Eigenproduktionen sollen nicht gefördert werden, da sie kein unabhängiges Filmschaffen sind.
Gemäss Nein-Seite liege es auf der Hand, dass die Abopreise steigen würden, denn die Streamingdienste würden die höheren Kosten auf ihre Kunden abwälzen. Des Weiteren sollen der privilegierten Filmlobby nicht noch mehr Millionen zugeschanzt werden. Im Nicht-Coronajahr 2019 seien die Schweizer Filmschaffenden mit weit über 120 Millionen Franken subventioniert worden. 84 Millionen wären aus Steuergeldern flossen, rund 50 Millionen kämen von der SRG (Serafe). Weitere Beiträge stammten aus privaten Stiftungen und von Privatpersonen. In der Regel würden es ein bis zwei Schweizer Filme pro Jahr schaffen, mehr als 100’000 Zuschauende in die Kinos zu locken. Über 90 Prozent der Filme interessierten aber nur ein Nischenpublikum. 2019 hätten im Schnitt 2600 Personen einen Schweizer Film im Kino geschaut. Das bedeute: Jeder Kinoeintritt sei mit 100 Franken gefördert worden. Dass angesichts dieser Zahlen zusätzliches Geld mehr Qualität oder Publikum bringe, sei eine Mär. Die Kriterien für die staatliche Förderung wären gemäss Nein-Komitee höchst fragwürdig.
RENÉ FISCHER