Publish or perish?
07.12.2024 KolumneSo nennt man in der Wissenschaft den unumgänglichen Druck, möglichst alles zu publizieren, was man entdeckt oder herausgefunden hat. Zu Deutsch: Publiziere oder geh unter. Was aber, wenn ein Schreibstau auftritt?
Als Wissenschafterin bin ich häufig daran, Fachartikel zu ...
So nennt man in der Wissenschaft den unumgänglichen Druck, möglichst alles zu publizieren, was man entdeckt oder herausgefunden hat. Zu Deutsch: Publiziere oder geh unter. Was aber, wenn ein Schreibstau auftritt?
Als Wissenschafterin bin ich häufig daran, Fachartikel zu schreiben. Aber es ist nicht gesagt, dass einem immer die passenden Ausdrücke einfallen – genauer: ob man sich überhaupt in der Lage fühlt, hochstehende Artikel zu verfassen, die einem möglichst breiten wissenschaftlichen Publikum dann zur Verfügung stehen. Zudem müssen alle Artikel in Englisch verfasst sein, sonst interessiert sich niemand hierfür. Selbstverständlich können auch interessierte Laien diese Publikationen verfolgen und lesen, jedoch muss man unter Umständen bereit sein, für jeden einzelnen Artikel, den man aus dem Internet herunterladen kann, zu bezahlen.
Zurück zum Schreibstau: Im Moment ist es mir wirklich schleierhaft, wie ich die nächste Publikation schreiben soll. Der Titel des Artikels ist bereits gegeben, doch bevor mit dem Schreiben begonnen werden kann, müssen die den Interpretationen zugrunde liegenden Daten aufbereitet werden. Und zwar in verständlicher Weise.
Und genau diese Aufbereitung ist in mannigfaltiger Hinsicht sehr aufwändig: Grafiken müssen erstellt werden, vor allem, um zu zeigen, wo die verwendeten Proben herstammen. Tabellen müssen mühsam aus verschiedensten Berechnungsdateien in ein Textprogramm übernommen werden – diese Arbeit kann Wochen dauern. Denn es gilt auch immer, wirklich nur die relevanten Daten herauszuklauben, und das erfordert eine intensive Auseinandersetzung mit den Daten überhaupt. Bevor eine Tabelle erstellt werden kann, müssen die Berechnungen sicherlich noch einmal nachvollzogen, das heisst, ein zweites Mal berechnet werden. Denn Fehler in Berechnungen, die Lesern auffallen, sind mehr als peinlich und können unter Umständen auch den guten Ruf als Wissenschafter infrage stellen. Und genau solche Fehler werden denn auch genüsslich diskutiert und bei jeder sich bietenden Gelegenheit wieder aufgegriffen. Das kann ich mir getrost ersparen.
Illustrationen, das heisst vielfach auch mathematische Abhängigkeiten, beispielsweise zwischen zweier Grössen, müssen auch erstellt werden. Dazu ist demnach noch ein Grafikprogramm erforderlich. Da oft mehrere Wissenschafter kapitelweise an einem Artikel schreiben, muss man sich hier zwingend auf ein Grafikprogramm einigen – und schon gehen Diskussionen los, welches tauglich wäre und bitte dann auf allen Computersystemen zur Verfügung stehen sollte. Nicht vergessen darf man in diesem Zusammenhang Bilder, also sowohl Fotos der Feldarbeiten als auch Zeichnungen. Worauf wieder diskutiert wird, welches Zeichenprogramm denn geeignet wäre und ebenfalls bitte auf allen Computersystemen zur Verfügung stehen sollte, und so weiter und so fort.
Wissenschaftliche Arbeit ist demnach in der Regel eine gemeinschaftliche Arbeit, und wenn eine der involvierten Personen sich über einen Schreib- beziehungsweise Zeichnungsstau beklagt, so trifft es alle Beteiligten. Im Moment arbeite ich alleine an Publikationen, da mein engster Mitarbeiter pensioniert wurde. Umso mehr treffen mich Unwägbarkeiten wie Schreib- oder Zeichnungsstau im Moment besonders. Die Eigenmotivation – die sogenannte intrinsische Motivation – ist nicht stets in genügendem Mass vorhanden. Nun, wie dem auch sei: Nächste Woche muss die schriftliche Arbeit weitergehen. Topographische Karten müssen auch noch gesucht werden. Ich gehe mittlerweile davon aus, dass ich nach Kurzskiferien die Eigenmotivation wieder finden werde, denn irgendwann unter Druck zu arbeiten, da Deadlines eingehalten werden müssen, ist schlicht auch keine Lösung.