Nach über 30 Jahren wird sich die dicke Türe bald schliessen
07.05.2024 GuntershausenSchade und traurig. Dies die beiden Worte, die im Gespräch mit dem Betreiberteam der Kinderkleiderbörse Guntershausen mehrmals fallen. Nach langen Jahren werden die Frauen die Türe zum Luftschutzkeller unter der Turnhalle bald zum letzten Mal öffnen, um sie dann ...
Schade und traurig. Dies die beiden Worte, die im Gespräch mit dem Betreiberteam der Kinderkleiderbörse Guntershausen mehrmals fallen. Nach langen Jahren werden die Frauen die Türe zum Luftschutzkeller unter der Turnhalle bald zum letzten Mal öffnen, um sie dann für immer zuzusperren.
Angefangen hätte für sie alles vor über 20 Jahren. Zuerst hätte sie noch als Kundin Kleider für ihre Kinder gekauft, erzählt Isabel Freihofer. Bei Lisa Eisenegger sind es sogar 23 Jahre, seit sie zum ersten Mal mit der Kinderkleiderbörse in Kontakt gekommen sei, auch sie zuerst als Käuferin. Beide wechselten die Seiten und wurden von Kundinnen zu Betreiberinnen.
Auf die Frage, was sich denn im Laufe der Jahre so zum Schlechten verändert habe, dass die Börse in einigen Wochen den Betrieb einstellen wird, erklären sie: «Wir können es nicht sagen. Wir sind in der Gemeindebroschüre aufgeführt, auf der Website Guntershausens präsent und ab und zu verkaufen wir über Facebook oder setzen einen Post ab. Aber das kostet halt enorm viel Zeit.»
Zu Beginn der Börse habe sich im Nebenraum noch die «Spielkiste» befunden, ein Betreuungsdienst für Kinder auf freiwilliger Basis. Das habe viel Laufkundschaft gebracht; die Mütter, die ihre Kinder abgegeben hätten, hätten nachher immer noch rasch in der Börse vorbeigeschaut. «Damals lief unser Angebot gut, das war eine super Synergie.» Erschwerend zur Schliessung dieses Betreuungsdienstes komme hinzu, dass die Bevölkerung im Dorf sich in den letzten Jahren verändert habe. «Wir haben heute viel mehr wohlhabende Leute. Die gehen viel lieber neue Kleider kaufen und verirren sich nicht zu uns in den Keller», erklärt Eisenegger einen möglichen Grund für den Rückgang.
Sie schätzt, dass der allgegenwärtige Trend für Nachhaltigkeit und Secondhand wahrscheinlich einfach (noch) nicht auf dem Land angekommen sei. «Schade und unverständlich. Wenn ich hier eine Hose für sieben oder acht Franken bekomme, dann mache ich das doch. Die Kids wachsen draus und falls die Kleider vorher kaputt gehen, ist es nicht schlimm.» Sie zählen Börsen in der Umgebung auf, die das gleiche Schicksal ereilt hätten.
Noch bis zu den Sommerferien geöffnet
Sie hätten versucht, die Öffnungszeit vom Dienstagvormittag auf Samstag zu legen, um mehr Berufstätige anzusprechen – leider erfolglos. Sie hätten den Flohmarkt in Aadorf besucht, um bekannter zu werden. Vielleicht liege es auch einfach an der Lokalität im Luftschutzkeller. Aber etwas Teures, an prominenter Lage, könnten sie sich nicht leisten. Diese Zeitung berichtete im Januar 2022 über das Angebot, danach hätten eine Zeitlang mehr Kundinnen verzeichnet werden können. Aber das habe sich leider bald wieder gelegt.
Der Ausschlag, die Börse zu schliessen, kommt von Isabel Freihofer: «Wir sind alle berufstätig. Da ist es frustrierend, hier eineinhalb Stunden in der Freizeit im Keller zu sitzen und zu warten. Es war so ein Vormittag, ich sass hier und absolut niemand schaute vorbei, da sagte ich mir, es reicht, das brauche ich nicht mehr.»
Nun ist also bald Schluss. Bis zu den Sommerferien gelten noch die bisherigen Öffnungszeiten. Bis dahin soll noch möglichst viel verkauft werden. Bis Ende Jahr soll alles weg sein: verkauft, wieder abgeholt oder entsorgt. Die guten Kleider wollen sie der Schweizer Berghilfe spenden, wie Freihofer ausdrücklich betont. Danach sollen die Regale veräussert oder verschenkt werden. Der exakte Fahrplan wird in den nächsten Tagen vom Team besprochen und beschlossen. Bleibt am Ende noch Geld übrig, möchten sie es einer Institution im Dorf zukommen lassen.
Die Hoffnung stirbt auch im Luftschutzkeller zuletzt
Der Frust sitzt spürbar tief bei den Frauen. Ihre jahrelangen Bemühungen, ihr Herzblut haben sich am Ende doch nicht gelohnt. Lisa Eisenegger bringt es auf den Punkt: «Wenn jetzt in der Zeitung steht, dass wir schliessen, werden viele zu uns kommen, ihr Bedauern ausdrücken und sagen, wie schade sie es finden.»
Aber sie zeigen sich auch dankbar gegenüber den treuen Stammkundinnen, deren Kinder mittlerweile halt schon erwachsen seien. Immerhin: Die Hoffnung stirbt auch im Luftschutzkeller zuletzt. «Vielleicht liest das ja jemand der Lust hat, unser Werk fortzuführen? Dann freuen wir uns natürlich riesig darüber. Das wäre das Grösste für uns!» Für das wohl letzte Teambild ist auch die Dritte im Bund, Priska Keller, eingetroffen. Sie beschliessen, auf dem Bild nicht fröhlich schauen zu wollen, denn da sind sie sich einig: Was die Kinderkleiderbörse angeht, gibt es nichts mehr zu lachen.
MARIANNE BURGENER
Infobox
Die Kinderkleiderbörse ist noch bis zu den Sommerferien jeweils am Dienstagvormittag zwischen 9 und 10.30 Uhr geöffnet.