Mehr bezahlte Elternzeit
07.04.2022 AbstimmungenEine Volksinitiative der SP will mehr bezahlte Elternzeit für Zürcher und Zürcherinnen. Finanziert würde dies mit Beiträgen der Erwerbstätigen und Arbeitgeberinnen. Der Kanton Zürich soll für die ungedeckten Kosten aufkommen. Entscheiden wird der Souverän Mitte Mai.
Am 15. Mai stimmt das Zürcher Stimmvolk über die Volksinitiative «für eine Elternzeit» ab. Erwerbstätige Eltern haben bei der Geburt eines Kindes Anspruch auf 14 Wochen Mutterschafts- und deren zwei Vaterschaftsurlaub. Die Elternzeit-InItiative fordert laut Abstimmungsunterlagen, dass dieser Anspruch im Kanton Zürich für beide Elternteile auf je 18 Wochen Elternzeit erhöht wird. Eltern, die im Kanton Zürich arbeiten, aber nicht hier wohnen, sollen je 14 Wochen bezahlte Elternzeit erhalten. Finanziert würde das mit Beiträgen der erwerbstätigen und der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber. Der Kanton Zürich soll für die ungedeckten Kosten aufkommen. Kantonsrat (mit 56 zu 108 Stimmen) und Regierungsrat lehnen die Initiative ab. Aus ihrer Sicht müsste eine solche Lösung durch eine schweizweit einheitliche Regelung umgesetzt werden. Ausserdem wäre zu befürchten, dass der Kanton Zürich durch die höheren Arbeitskosten Wettbewerbsfähigkeit verliere.
Fördert Gleichstellung zwischen Mann und Frau
Die SP-Initiative ermögliche eine gleichberechtigte Aufgabenteilung zwischen den Eltern hinsichtlich Haus- und Erziehungsarbeit. Traditionelle Rollenmuster mitsamt ihren weitreichenden Konsequenzen könnten dadurch hinterfragt und neu definiert werden. Eine Annahme der Volksinitiative mindere die Diskriminierung von Frauen bei Anstellungsentscheiden, Löhnen und Karrierechancen. Die Elternzeit trage laut Initiativkomitee zudem zur Verbesserung der physischen und psychischen Gesundheit der Mütter bei und wirke sich positiv auf diejenige der Kleinkinder aus. Väter würden grössere Erziehungskompetenzen entwickeln und mehr Verantwortung in der Kinderbetreuung übernehmen. Die stärkere Beteiligung der Väter in der Betreuung wirke sich gemäss Studien aus mehreren Ländern positiv auf die kognitive und emotionale Entwicklung von Kindern aus.
Aber auch für die Wirtschaft sehen die Initianten Vorteile und zumindest keine Nachteile für den Staat. Elternzeit wirke sich positiv auf die Produktivität, den Umsatz und die Zufriedenheit in Unternehmen aus. Familienfreundlichkeit senke ausserdem die Personalfluktuation und zahle sich dadurch für die Firmen auch finanziell aus. Elternzeit erhöhe laut Initiantinnen die Erwerbsquote von Frauen, was wiederum den Fachkräftemangel abschwäche. Modellrechnungen der EU kämen zum Schluss, dass bereits eine Erhöhung der Frauenerwerbstätigkeitsquote um ein Prozent Steuereinahmen generiere, welche die Kosten einer Elternzeit von 18 bis 20 Wochen zu kompensieren vermögen.
Sprengt den Rahmen des Zumutbaren
Bürgerliche Politiker und vor allem die Wirtschaft stemmen sich gegen diese Abstimmungsvorlage. So liess die Zürcher Handelskammer schon letztes Jahr verlauten, dass ein solcher kantonaler Alleingang dem Wirtschafts- und Innovationsstandort Zürich gegenüber anderen Kantonen schaden würde. Grundsätzlich könne zwar eine gemeinsame Elternzeit die fortschrittlichere Lösung als ein Mutter- und Vaterschaftsurlaub sein, allerdings sprenge eine derartige Ausdehnung des Urlaubs den für die Unternehmen zumutbaren Rahmen. In jüngster Zeit seien die Arbeitgebenden mit verschiedenen kostenintensiven Massnahmen verpflichtet worden. Darüber hinaus würden die anstehenden Reformen der BVG sowie der AHV, IV und ALV für weitere Belastungen sorgen.
Berechnungen der Volkswirtschaftsdirektion hätten ergeben, dass mit der Einführung einer Elternzeit von 18, beziehungsweise 14 Wochen im Kanton Zürich jährlich direkte Kosten für die Erwerbsersatzordnung von 423 Millionen Franken entstünden, die je zur Hälfte durch Arbeitnehmende und Arbeitgebende getragen werden müssten. Diese würden sich zusammensetzen aus 49 Millionen Mehrkosten für die Entschädigung der Mütter und 374 Millionen für die der Väter. Den Arbeitgebern entstünden indirekte Kosten durch den Arbeitsausfall bei Bezug der Elternzeit. Dieser zusätzliche finanzielle Aufwand sei für viele Unternehmen nicht tragbar – insbesondere nicht für jene, die bereits durch die Folgen der Coronakrise geschwächt sind.
RENÉ FISCHER