Mani Matter
26.11.2022 KolumneVorgestern war der 50. Todestag von Mani Matter, dem Troubadour, Liedermacher und «Verslischmied», wie er sich selber nannte. Ich kann mich gut an die damalige Meldung im Radio erinnern. Sie hat mich sehr getroffen. Ich war 13 Jahre alt und kannte seine Lieder gut, konnte viele ...
Vorgestern war der 50. Todestag von Mani Matter, dem Troubadour, Liedermacher und «Verslischmied», wie er sich selber nannte. Ich kann mich gut an die damalige Meldung im Radio erinnern. Sie hat mich sehr getroffen. Ich war 13 Jahre alt und kannte seine Lieder gut, konnte viele auswendig und habe sie später meinen eigenen Kindern vorgesungen. Sie sind Volksgut geworden. Warum? Mani Matter hat es auf einzigartige Weise fertiggebracht, Gefühle, Empfindungen, Sinnfragen und auch politische Sachverhalte in kurze, eingängige Texte zu packen. Das sympathische Berndeutsch hat dabei sicher auch geholfen. Viele Geschichten beginnen banal und enden in einer treffenden Pointe; Musterbeispiel das «Zündhölzli», das auf den Teppich fällt und am Schluss einen Weltkrieg entfachen würde, nähme es der Rauchende nicht wieder auf. Und vor allem sind die Texte zeitlos. Sie berühren gerade in unseren Zeiten wieder ganz besonders. Wie hätte die Welt sich gewünscht, Putin hätte seins schon gar nicht angezündet oder wenigstens wieder gelöscht. Oder das legendäre Lied Hemmige. Mit Mani hoffen wir alle, dass die Mächtigen am Schluss wenigstens noch «Hemmige hei».
Köstlich sind auch die Lieder, die weniger Tiefgang haben, aber als «Lumpeliedli» durchgehen. «Z Lotti schilet» dürfte man heute wohl nicht mehr singen, aber «dä Hansjakobli und ds Babettli» ist einfach zeitlos herzig, «dr Ferdinand isch gstorbe» eher etwas morbid lustig. Der «Eskimo» − sagt man heute auch nicht mehr − geht Richtung Dadaismus und ist mit dem Running Gag «Kultur isch gäng es Risiko» Kult geworden. Passend zur Fussball-WM «ds Heidi», das sich mit dem Fussballer verlobt, der «a ds rächte Ort histüpft» und nicht mit dem träumenden Lyriker.
Mir persönlich bedeuten die späten besinnlichen Lieder viel. «Warum syt dir so truurig?» ist ein unglaublich berührender Text, passend zum Älterwerden, dunklen Novembertagen mit all den Fragen, die uns und unsere Welt beschäftigen und auch belasten. Das «Farbfoto» stellt die Frage nach Sinn von Besitz, Sehnsüchten und Reisen ans Meer. Die Klimajugend kann es nicht besser. Und haben Sie sich auch schon gefragt: «Isch das dr Ändpunkt vor’Entwicklig vo füftuusig Jahre?» wie es im Refrain eines anderen späten Liedes heisst.
Wir können spekulieren, weshalb die Lieder von Mani Matter zuletzt mit einem melancholischen Unterton daherkamen. Es kann mit Sinnfragen zusammenhängen, die sich einem Familienvater mit guter beruflicher Stellung − er war ein ausgezeichneter Jurist und Rechtskonsulent der Stadt Bern − und Erfolg mit seinem kulturellen Schaffen in der Mitte des Lebens stellen. Am Abend, als er mit dem Auto verunglückte, war er zu spät unterwegs an ein Konzert in Rapperswil. Was ging ihm auf der Fahrt durch den Kopf? Wäre er lieber zu Hause bei der Familie gewesen? Es gibt Anzeichen, dass ihm damals alles ein wenig zu viel wurde. Der mediale Erfolg und die Soloauftritte hatten ihn fast überrumpelt. Heute würden wir im Wissen um das Phänomen Burnout sagen: «Häb sorg, Mani!»
Seine Lieder sind heute Abend in der reformierten Kirche Elgg zu hören, dargeboten vom Chor Salti Musicali.