Wir stehen wieder einmal im Abstimmungskampf. Teils lässt uns die Abstimmungsfrage ratlos zurück (BVG). Das Thema ist komplex und ohne eingehende Auseinandersetzung ziemlich überfordernd.

Darüber will ich in dieser Woche gar nicht schreiben. Ratlos macht mich gerade anderes und kann einen viel mehr überfordern.
Meine Mutter ist im Juli 92 Jahre alt geworden und weilt seit über drei Jahren im Pflegezentrum Eulachtal in Elgg. Kommunikation mit ihr ist kaum oder gar nicht mehr möglich. Sie befindet sich in einer eigenen Welt. Je nach Thema blitzt noch etwas aus tiefster Vergangenheit auf, aber mehrheitlich schweigt sie nur noch, döst oder blickt gedankenverloren vor sich hin oder in eine Zeitschrift. Was bedeutet für sie Lebensqualität? Zweifellos wird für sie gesorgt. Sie wird verpflegt und zu Bett gebracht usw. Es tut ihr bestimmt auch gut, wenn wir Angehörigen bei ihr sind, die Hand halten, einfach präsent sind. Aber jeder Abschied ist für mich ein trauriger. Wie oft dachte ich, ob ich wohl zum letzten Mal Tschüss gesagt habe. Und darf man das sagen? Aber immer wieder denke ich, dass es gut wäre, wenn sie einfach friedlich einschlafen könnte, ohne zu hadern, in Gedanken an Momente, in denen sie Liebe und Zuwendung erfahren hat. Darf man der eigenen Mutter den Tod «wünschen»? Vielleicht standen Sie, liebe Leserinnen und Leser, auch schon einmal an diesem Punkt?
Vor wenigen Tagen hat der Tod jemand anderen gefunden. Ein Mitarbeiter einer Institution, die ich präsidiere, ist im Alter von gut vierzig Jahren völlig überraschend und unerwartet verstorben. Man muss davon ausgehen, dass es mit dem Herzen zu tun hatte. Mehr braucht hier nicht erwähnt zu werden. Der Mann hinterlässt eine Familie, das jüngste von vier Kindern ist wenige Wochen alt. Eine unglaubliche Tragödie, einfach nur schlimm und unfassbar traurig! Es fehlen einem die Worte und der Gedanke taucht unverhofft auf, was sich «Der da oben» wohl dabei gedacht haben mag. Wir bekommen auf die Frage «Warum?» keine Antwort. Wieso muss ein fröhlicher, sportlicher, engagierter Mensch mit Freude an seiner Familie und am Beruf gehen? Und Hochaltrige warten?
Wir müssen mit diesen Gegensätzen irgendwie zurechtkommen und sie akzeptieren. Für die Hinterbliebenen wird es ganz wichtig sein, dass sie von lieben Menschen getragen werden, die ohne grosse Worte zu machen einfach da sind, kochen, zuhören, umarmen.
Und wir merken, dass wir, die wir von den täglichen Schreckensmeldungen über Kriege, grauenhafte Attentate und Amokläufe abgestumpft sind, von dem, was in unserer Familie und in unserem Umfeld passiert, so sehr und viel unmittelbarer berührt werden. Genau dort sind wir auch ganz besonders gefragt und können uns einbringen.

Leben und Tod

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