Himmlische Orgelklänge in der Michaelskirche
10.02.2024 AawangenDer Einladung der Organistin folgten viele Zuhörer in die Kapelle Aawangens, die mit der hochwertigen Orgel ein Kleinod beherbergt, das Mechthild Riehle jedes Frühjahr für ein Konzert mit ganz besonderen Klängen zum Strahlen bringt.
Dieses Jahr stand ...
Der Einladung der Organistin folgten viele Zuhörer in die Kapelle Aawangens, die mit der hochwertigen Orgel ein Kleinod beherbergt, das Mechthild Riehle jedes Frühjahr für ein Konzert mit ganz besonderen Klängen zum Strahlen bringt.
Dieses Jahr stand das Orgelkonzert unter dem Motto «Himmlische Klänge», Orgelmusik aus Frankreich. Die Kapelle war zwar nicht ganz voll besetzt, man war jedoch gespannt auf das kommende Programm. Von der evangelischen Kirchgemeinde Aadorf-Aawangen begrüsste Julia Schreiber die Anwesenden herzlich zum Anlass mit der bestens bekannten Gemeindeorganistin Mechthild Riehle. Durch das ansprechende Programm führte deren Freundin Gesa Elsner.
Der rote Faden durch das Konzert war dem Komponisten Théodore Dubois (1837- 1924) gewidmet, dessen 100. Todestag dieses Jahr gefeiert wird. Er studierte am Pariser Conservatoire und wurde mit 22 Jahren Chordirigent an der Basilika Ste-Clotilde in Paris, während dort César Franck die grosse Orgel spielte. Nach der Ernennung zum Professor im Jahr 1871 wurde er ab 1896 Direktor des Pariser Konservatoriums bis 1905. Für Orgel oder Harmonium sind durch ihn in der Zeit zwischen 1889 und circa 1900 eine Fülle einfallsreicher Werke entstanden. In Aawangen durfte das Publikum zur Eröffnung «Évocation» mit sphärischen Passagen, als ruhiges Zwischenspiel «Imploration» und zum Auszug ein «Sortie» mit verschiedenen Registrierungen hören.
In die Zeit des Barocks entführt
Mit Louis-Nicolas Clérambault (1676- 1749), einem bekannten Komponisten und Organisten, der in Paris und am Hof Ludwig XIV lebte, entführte Riehle mit «Suite du premier ton» aus dem «Premier livre d’orgue» die Zuhörer in die Epoche des Barocks, wo die Orgel zu den wichtigen Musikinstrumenten zählte. Die verschiedenen Abschnitte – «Grand plein jeu, Fugue, Duo, Trio, Basse et Dessus de Trompette, Récits de Cromorne et de Cornet séparé en dialogue und dialogue sur les grands jeux» – ermöglichten es der Organistin, alle verfügbaren Register der Orgel zu berücksichtigen.
Ein grosser Vorteil der Nähe zwischen Orgelspielerin und Zuhörern war es, dass man vor allem auch das Spiel der Füsse mit den Pedalen verfolgen konnte. So waren sie beim «Duo» nicht gefordert, untermalten jedoch im «Trio» die zwei hohen Stimmen mit den Basstönen. Im fünften und sechsten Satz kamen die Register trompete, Krummhorn und Cornet zum Zuge. Im «Dialogue» wurde die Musik wieder volltönend, überschwänglich und phantasievoll zwischen himmlisch, dramatisch, laut und leise.
Bekanntes Orgelwerk der französischen Romantik
Einen weiteren Höhepunkt servierte Riehle mit der «Suite Gothique op. 25» Léon Boëllmanns (1862-1897), der das Werk im Jahr 1895 zur Einweihung der französisch-romantischen Orgel in der gotischen Kirche Notre Dame in Dijon schrieb. Es wurde eines der bekanntesten Orgelwerke der französischen Romantik. Das besagte Instrument verfügte damals über zwei Manualwerke und Pedalen wie die Orgel in Aawangen.
Die Sätze «Introduction-Choral, Menuet gothique, Prière à Notre-Dame und Toccata» sind ein Feuerwerk eines begnadeten Meisters, die Riehle mit viel Virtuosität, Einfühlungsvermögen und Können umsetzte. Im Gegensatz zu den beiden ersten volltönenden Sätzen war der dritte ein musikalisches Flehen und Anbeten der Gottesmutter mit hellen Melodien und himmlischen Läufen in höhere Sphären. In der wohltönenden Toccata wiederholten sich einige Phrasen, wurden jedoch vielfältiger und endeten in fulminanter Fülle.
Mit dem französischen Cembalisten, Organisten und Komponisten Jean Fran- çois Dandrieu (1684-1740) versetzte die Organistin das Publikum in die Zeit des Sonnenkönigs in Versailles zurück. Dandrieu erhielt mit 18 Jahren die erste Stelle und avancierte 1721 zum Organisten der königlichen Kapelle. Er schuf Werke aller Gattungen, darunter Violinsonaten, Stücke für Cembalo und Orgel sowie etliche Airs. In Aawangen kamen «Offertoire, Dialogue, Tièrce en taille, und Duo sur la Trompette» zur Aufführung. Die verschiedenen Stücke spannten einen vielfältigen Bogen barocker Musik mit viel Abwechslung und Einbezug von Elementen des italienischen Stils.
Fingerfertig, temporeich, virtuos
Nach dem letzten Stück «Sortie» von Théodore Dubois bekam Riehle einen herzlichen Applaus, den sie mit einem weiteren Stück desselben Komponisten verdankte – nämlich mit einem sogenannten Tänzchen. Die Fingerfertigkeit, welche die Organistin bei den vielen temporeichen, virtuosen Musikstücken an den Tag legte, kann man nur bewundern. Auch die Auswahl, der zu ihrer Zeit sehr bekannten Komponisten aus Frankreich mit so vielfältiger Musik, zeigt, dass damals die Orgel nicht nur ein Begleitinstrument war, sondern für alle Schattierungen der Musikarten vertont wurde. Die Orgelmusik aus Frankreich mit den himmlischen Klängen vermochte das anwesende Publikum zu begeistern.
Nach dem festlichen Programm liessen sich die Gäste gerne im Pfarrgarten mit einem Tee oder Punsch und Apérogebäck verwöhnen. Bei freundschaftlichem Geplauder ging ein toller musikalischer Sonntagnachmittag zu Ende. Danke an Mechthild Riehle für ein reichhaltiges Programm, Geza Elsner für die informationen sowie Jonas und Salome für die Assistenz beim Registrieren.
GERTRUD ULLRICH