Gemeinden fordern Heimgelder zurück
02.11.2023 Hagenbuch, ElggJahrzehntelang bezahlten Gemeinden für Heimkosten von Kindern und Jugendlichen zu viel. Nun machen sie Rückforderungen geltend. Darunter auch Hagenbuch und Elgg: Letztere Gemeinde verlangt mehrere Hunderttausend Franken vom Kanton.
Man wünscht es niemandem, ...
Jahrzehntelang bezahlten Gemeinden für Heimkosten von Kindern und Jugendlichen zu viel. Nun machen sie Rückforderungen geltend. Darunter auch Hagenbuch und Elgg: Letztere Gemeinde verlangt mehrere Hunderttausend Franken vom Kanton.
Man wünscht es niemandem, trotzdem ist es für viele eine Realität: ein schwieriges Elternhaus, wo Gewalt und Alkoholismus zum Alltag gehören. Nicht wenige Kinder und Jugendliche können davon ein Lied singen. Wachsen Kinder unter solchen Bedingungen auf, kommen häufig Jugendheime zum Zuge. Diese wiederum haben ihren Preis. Je nach Institution liegen die Versorgertaxen bei mehreren Hundert Franken pro Tag. Diese Kosten übernimmt oftmals die öffentliche Hand für die betroffenen Eltern.
Während über 50 Jahren, seit 1962, mussten die Zürcher Gemeinden diese Kosten tragen. 2016 urteilte das Bundesgericht jedoch, dass die gesetzliche Grundlage dazu gar nicht vorhanden sei und der Kanton für die Kosten aufkommen müsste. Kurz gesagt: Die Gemeinden hatten jahrzehntelang viel zu viel bezahlt. Nach diesem Urteil haben etwa Erlenbach und Regensdorf erfolgreich ihre Beiträge von 2006 bis 2016 vom Kanton zurückgefordert. Nun sind zahlreiche weitere Gemeinden daran, ihre Forderungen an den Kanton zu stellen. Möglich ist das noch bis im März 2024, dann läuft die Frist für Rückforderungen ab. Auch in den Gemeinden Elgg und Hagenbuch verlangt man Gelder vom Kanton zurück.
Uneinig mit dem Kanton
«Wir haben im Zeitraum von 2010 bis 2016 in insgesamt zehn Fällen Versorgertaxen im Umfang von rund 200’000 Franken an inner- und ausserkantonale Institutionen bezahlt», sagt Simon Heller, Sozialvorsteher der Gemeinde Hagenbuch, gegenüber der «Elgger/Aadorfer Zeitung». Diesen Betrag will die Gemeinde nun zurückbezahlt sehen. Doch dies dürfte schwierig werden: «Wir gehen davon aus, dass bis zu 80 Prozent respektive 160’000 Franken nicht zurückerstattet werden.» Für diesen Betrag seien in der Vergangenheit die Schulen aufgekommen. Der Kanton respektive das Amt für Jugend und Berufsberatung (AJB) wolle aber bloss diejenigen Kosten übernehmen, welche bislang die Politische Gemeinde finanziert hatte. Dagegen will man sich in Hagenbuch wehren. «Die Gemeinde prüft deshalb bereits nächste Schritte, um zeitnah gegen eine mögliche Ablehnung reagieren zu können», so Heller weiter. Wie die Kostenverteilung aussehen wird, ist gegenwärtig noch unklar. In Hagenbuch rechnet man in den nächsten Tagen mit einer Antwort des AJB. Dass der Kanton vielleicht nur einen kleinen Teil der Kosten übernimmt, ist für Heller fragwürdig. Dies, weil das Amt vor mehreren Jahren noch eingeräumt habe, dass es diese stemmen werde. «Vor rund zehn Jahren, als ich noch in der Schulpflege war, bestätigte uns das AJB, dass es die Heimkosten übernehmen werde.»
In Hagenbuch seien die Jugendlichen mit körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen jeweils in sogenannte beitragsberechtigte Institutionen platziert worden. Dabei handelt es sich um Einrichtungen, die vom Kanton anerkannt sind und für deren Kosten dieser auch aufkommen muss. Heller zufolge sei die einseitige Kostenübernahme des Kantons auch vor dem Hintergrund fragwürdig, dass Hagenbuch eine Einheitsgemeinde ist.
Elgg will mehrere Hunderttausend zurück
Rückforderungen macht man auch in der Gemeinde Elgg geltend, wie Roger Gerber gegenüber dieser Zeitung bestätigt. Den genauen Betrag der Forderung nennt der Sozialvorsteher nicht. Nur so viel: «Es handelt sich um einen hohen sechsstelligen Betrag.» Die Rückforderungen beziehen sich auf den Zeitraum von 2018 bis 2021 und beträfen eine einstellige Zahl von Jugendlichen.
Bei der kantonalen Bildungsdirektion seien bereits Forderungen von fast 50 Gemeinden eingegangen, schrieb die «Limmattaler Zeitung» kürzlich. Kantonsweit rechnet Jörg Kündig, Präsident des Verbands der Gemeindepräsidien, mit einer Summe von total 500 bis 600 Millionen Franken.
Die umstrittene Kostenverteilung ist seit 2018 im neuen Heimgesetz geregelt. Demnach bezahlen der Kanton 40 Prozent, die Gemeinden 60.
RAFAEL LUTZ