Die Stempelsteuer soll wegfallen
27.01.2022 AbstimmungenWenn es nach dem Bundesrat und einer Mehrheit des Parlaments geht, soll die sogenannte Emissionsabgabe, bekannt als Stempelsteuer, abgeschafft werden. Das Stimmvolk wird entscheiden, ob es die Abgabe als unnötige Belastung für die Wirtschaft sieht oder als Beschiss, wie die Gegner der Vorlage.
Am 13. Februar stimmt der Souverän über die Änderung des Bundesgesetzes über die Stempelabgaben ab, weil darüber das Referendum ergriffen wurde. Laut Abstimmungstext bräuchten Unternehmen Kapital, um beispielsweise Investitionen zu tätigen oder Verluste zu decken. Wenn eines Eigenkapital beschaffe, Aktien oder Ähnliches ausgebe, erhebe der Bund eine Steuer: die emissionsabgabe. Die als Stempelsteuer bekannte Abgabe beträgt ein Prozent des aufgenommenen Kapitals auf Beträge über einer Million Franken. In der regel würden kleine Unternehmen keine solche Abgabe zahlen, die Steuereinnahmen hauptsächlich von mittleren und grossen Unternehmen stammen.
Bundesrat und Parlament wollen diese Emissionen abschaffen. Unternehmen sollen neues Eigenkapital aufnehmen können, ohne darauf Steuern bezahlen zu müssen. Das senke die Investitionskosten, was sich positiv auf Wachstum und Arbeitsplätze auswirke. Zudem kämen Unternehmen mit viel Eigenkapital besser durch als solche mit wenig, weil sie mehr Reserven hätten.
Von der Abschaffung, so Bundesrat und Parlament, würden insbesondere junge, wachstumsstarke Unternehmen profitieren, die noch keine Reserven haben. Um ihr Wachstum zu finanzieren, seien sie auf zusätzliches Eigenkapital angewiesen, das heute der Stempelsteuer unterliege. Aus der Abschaffung entstünden dem Bund Mindereinnahmen von schätzungsweise 250 Millionen Franken pro Jahr.
Eine unnötige Belastung
Für die Abschaffung der Stempelabgaben sind FDP, SVP, GLP und die Mitte. Wenig überraschend werben auch die drei Wirtschaftsdachverbände, der schweizerische Gewerbeverband, die Economiesuisse und der schweizerische Arbeitgeberverband, für ein Ja. Für sie ist die Faktenlage klar: Von der Emissionsabgabe betroffen seien zu 90 Prozent kleinere – entgegen dem Abstimmungstext – und mittlere Unternehmen sowie einige wenige grosse. Die Abgabe belaste die Firmen ausgerechnet dann, wenn sie wachsen wollen oder in einer Krise stecken. Für Jungunternehmen und KMU sei es ausdrücklich erwünscht, dass Privatpersonen Geld auf eigenes Risiko für Investitionen, Innovationen und Arbeitsplätze zur Verfügung stellen. Es sei also vollkommen widersinnig, Steuern zu erheben, wenn Private Initiative zeigen, um den Wohlstand in der Schweiz zu erhalten und zu fördern. Die Besteuerung soll vielmehr dann erfolgen, wenn das Unternehmen wieder Gewinne und Kapitaleinkommen einfahre. Die Wirtschaft brauche gerade jetzt dringend eine vernünftige Steuerpolitik – bei der Bewältigung der Pandemie und unmittelbar vor Einführung des neuen internationalen Steuersystems. Die Standortpolitik der letzten Jahrzehnte sei gemäss Befürwortern ausserordentlich erfolgreich gewesen und schlage sich zum Beispiel in einer deutlichen Zunahme kapitalbasierter Steuern nieder. Dank einem attraktiven Standort und damit verbundener Steuereinnahmen könnten die staatlichen Leistungen stetig ausgebaut und die Privathaushalte gleichzeitig entlastet werden. Dieses Erfolgsmodell gelte es weiterzuführen und die Abschaffung der Emissionsabgabe sei dafür ein wichtiges Element.
Ein Beschiss auf Kosten der Bevölkerung
Naturgemäss anders sehen das die Gegner aus SP, Grünen, EVP und EDU. Für das Komitee «Nein zum Stempelsteuerbeschiss» stehe es ausser Frage, dass Grosskonzerne und Finanzindustrie in den letzten 25 Jahren immer stärker im Milliardenbereich privilegiert wurden. Im Gegenzug stünden Gebühren und Abgaben für die Bevölkerung. Ein Strategiepapier aus dem eidgenössischen Finanzdepartement zeige laut Gegnern der Abschaffung: Economiesuisse und Konzernlobby würden mit immer neuen Vorlagen erreichen wollen, dass Konzerne gar keine Steuern mehr bezahlen müssen. Stattdessen sollen nur noch Lohn, Rente und Konsum besteuert werden. Der Stempelsteuerbeschiss, wie es das NeiN-Komitee nennt, sei Teil dieses Plans. Im Jahr 2020 hätten bei einer Abschaffung hauptsächlich 55 Grosskonzerne profitiert; 590‘000 KMU würden leer ausgehen.
Der Beschiss koste uns jährlich mindestens 250 Millionen Franken. Die rechte Mehrheit habe zudem bereits angekündigt, dass Grosskonzerne, Versicherungen und Banken im nächsten Jahr weitere 1,2 Milliarden Franken bekommen sollen. Die Bürgerinnen und Bürger müssten wieder einmal das Loch in der Kasse stopfen – mit noch höheren Gebühren und Abgaben. Während die Bevölkerung weiterhin beim Kauf von jedem Gipfeli und Pullover Mehrwertsteuern bezahlen müsse, sollen Kapitaltransaktionen nun nicht mehr besteuert werden. Das sei ungerecht. Was den Stimmberechtigten als Massnahme für krisenbetroffene KMU verkauft werde, schade ihnen in Tat und Wahrheit. Denn: Der Stempelsteuerbeschiss mindere die Kaufkraft der Bevölkerung, was zu weniger Aufträgen für kleine und mittlere Unternehmen führe.
RENÉ FISCHER