Chance oder Gefahr?
03.06.2023 AbstimmungenDie einen nennen es Klimagesetz, die anderen Stromfresser-Gesetz. Die Argumentationen für oder gegen die Abstimmungsvorlage vom 18. Juni könnten unterschiedlicher nicht sein. Für die einen bietet sie eine Chance für Klimaschutz und Wirtschaft, die anderen sehen ...
Die einen nennen es Klimagesetz, die anderen Stromfresser-Gesetz. Die Argumentationen für oder gegen die Abstimmungsvorlage vom 18. Juni könnten unterschiedlicher nicht sein. Für die einen bietet sie eine Chance für Klimaschutz und Wirtschaft, die anderen sehen Gefahren für Letztere und die Bevölkerung.
Am 18. Juni hat der Schweizer Souverän über das Klimagesetz zu befinden. Mit der Vorlage will man schrittweise den Verbrauch von Erdöl und -gas senken. Ziel sei, dass die Schweiz bis 2050 klimaneutral werde. Die Vorlage sieht laut Abstimmungsunterlagen Massnahmen vor, um den Energieverbrauch zu reduzieren. Wer seine Öl-, Gas- oder Elektroheizung ersetze, werde finanziell entlastet. Zudem würden Unternehmen unterstützt, die in klimafreundliche Technologien investieren. Die Vorlage ist ein indirekter Gegenvorschlag zur Gletscherinitiative. Anders als diese enthält sie kein Verbot fossiler Energieträger wie Benzin, Diesel, Heizöl und Gas. Gegen die Vorlage wurde das Referendum ergriffen.
Wie Bundesrat und der Grossteil des Parlaments argumentieren, importiere die Schweiz rund drei Viertel ihrer Energie. Erdöl und -gas, die hier verbraucht würden, stammten vollständig aus dem Ausland. Diese fossilen Energieträger seien nicht unendlich verfügbar und würden das Klima stark belasten. Um die Abhängigkeit vom Ausland und die Umweltbelastung zu verringern, wolle man den Verbrauch von Öl und Gas senken. Gleichzeitig soll mehr Energie in der Schweiz produziert werden.
Fatale Auswirkungen bei einem Ja
SVP und EDU lehnen das Klimagesetz ab. Für die Gegnerinnen und Gegner ist klar, dass das «Stromfresser-Gesetz», wie sie es nennen, fatale Auswirkungen auf Bevölkerung und Wirtschaft haben wird. So sollen die Strompreise explodieren. Normalverdiener, Familien, Rentner, Hotels, Restaurants und Gewerbe würden heute schon unter den hohen Energiepreisen leiden. Der realitätsfremde Umbau der Energieversorgung verursache gemäss einer Studie Kosten von mindestens 387 Milliarden Franken. Das seien über 1400 Franken zusätzlich pro Kopf und Jahr. Eine ETH-Studie rechne zudem mit einer Verdreifachung der Energiekosten, was 6600 Franken Mehrkosten pro Person im Jahr bedeuten würde. Mit diesem Gesetz würden Strom und Energie zum Luxus für Reiche. Die Industrie müsste ihre Produktion einschränken oder ins Ausland verlegen, Hauseigentümerinnen massiv investieren und die Wohnungsmieten würden steigen.
«Wie sollen wir rund 60 Prozent des Schweizer Energiebedarfs durch Strom ersetzen?», fragt sich das Nein-Komitee. Laut Berechnungen brauche es dafür zusätzlich 17 Pumpspeicherkraftwerke, rund 5000 Windräder plus 70 Millionen Quadratmeter Solaranlagen. Damit verbunden sei eine Verschandelung der Natur und Landschaft. Weil man Strom nicht ausreichend speichern könne, sei der Bedarf im Winter mit Sonnen- und Windenergie nicht gedeckt. Die aktuelle Krise zeige zudem: Auf Importe ist kein Verlass. Der planlose Ausstieg gefährde die Versorgungssicherheit. Wir würden noch mehr von Wetter und Ressourcen aus dem Ausland abhängig. Wer eine sichere Energieversorgung wolle, so die Gegner der Vorlage, setze deshalb zuerst auf den Ausbau verschiedener Energiequellen (ohne Technologieverbote) und könne dann den Ausstieg aus den fossilen Energien zuverlässig angehen.
Mit einem Ja das Klima schützen
Die anderen Parteien sowie der Bundesrat empfehlen eine Annahme des Klimagesetzes. In der Schweiz seien Schäden und Folgekosten des Klimawandels deutlich sicht- und spürbar, so das Ja-Komitee. Die Durchschnittstemperaturen hätten sich im Inland doppelt so stark erhöht wie im globalen Durchschnitt. Extreme wie Dürren, ungewöhnliche Unwetter und das immer schnellere Abschmelzen der Gletscher nähmen zu. Der Klimaschutz sei deshalb ein Gebot der Stunde: Je länger man warte, desto schlimmer und teurer würden die Schäden durch den Klimawandel.
Konkret fördere das Gesetz den Ersatz von Heizungen und Gebäudesanierungen. In Zukunft nutze man Energie effizienter. Damit schütze man nicht nur das Klima, die Impulse stärkten auch die Wirtschaft. Das Gewerbe profitiere von Planungssicherheit und langfristig vollen Auftragsbüchern. Hauseigentümer erhielten finanzielle Unterstützung beim Ersatz von Öl-, Gas- und Stromfresser-Heizungen und Gebäudesanierungen sollen gefördert werden.
Laut Befürworterinnen müsse man den Klimaschutz anpacken und die Chancen nutzen. Das Gesetz fördere innovative Technik und der Bund unterstütze Unternehmen bei der Erstellung von Fahrplänen zur Emissionsreduktion.
Mit Investitionen in Innovationen sowie ohne Verbote und Steuern werde so die ganze Schweiz schrittweise klimaneutral. Dieser ausgewogene Ansatz ermögliche effektiven Klimaschutz und biete gleichzeitig Chancen für die Wirtschaft. Die Förderung von Innovationen und neuen Technologien erzeuge Wertschöpfung im Inland und Märkte für die Exportindustrie. Und: Klimaschutz stärke auch die Schweizer Energiesicherheit.
RENÉ FISCHER