Biodiversität ja, aber nicht zu jedem Preis
31.08.2024 AbstimmungenDie Biodiversitätsinitiative wurde 2020 von Birdlife Schweiz, Pro Natura, Heimatschutz und Landschaftsschutz eingereicht. Sie wird von einer breiten Koalition unterstützt. Für den Bundesrat und eine Mehrheit des Parlaments geht sie aber zu weit.
Am 22. ...
Die Biodiversitätsinitiative wurde 2020 von Birdlife Schweiz, Pro Natura, Heimatschutz und Landschaftsschutz eingereicht. Sie wird von einer breiten Koalition unterstützt. Für den Bundesrat und eine Mehrheit des Parlaments geht sie aber zu weit.
Am 22. September hat der Souverän über die Biodiversitätsinitiative zu befinden. Die Biodiversität, also die Vielfalt aller Lebewesen und Lebensräume, geht in der Schweiz zurück. Auch Landschaften und Ortsbilder sind unter Druck. Daher schützen Bund und Kantone Biotope, bedrohte Arten sowie wertvolle Landschaften und Ortsbilder, offenbaren die Abstimmungsunterlagen. Sie würden Schutzgebiete pflegen und die Biodiversität fördern – auch in der Landwirtschaft. Der Bund investiere jährlich rund 600 Millionen Franken in die Erhaltung der Artenvielfalt. Zudem setzten Bund und Kantone einen Aktionsplan zur Förderung der Biodiversität um.
Den Initiantinnen und Initianten gehen diese Massnahmen zu wenig weit. Sie wollen die Natur, die Landschaft und das baukulturelle Erbe zusätzlich schützen. Die Initiative verlangt laut Informationen für die Biodiversität mehr Geld und Schutzflächen. Und sie wolle insbesondere die Kantone stärker in die Pflicht nehmen, damit sie Landschaften und Ortsbilder bewahren. Zudem sollen die prägenden Elemente von schützenswerten Biotopen, Landschaften und Ortsbildern ungeschmälert erhalten werden. Schliesslich wolle die Initiative Natur, Landschaft und baukulturelles Erbe auch ausserhalb der Schutzgebiete schonen.
Ohne Bienen keine Beeren, Früchte und Gemüse
Das Initiativkomitee aus Mitte-links-Kreisen malt ein düsteres Szenario. Ein Drittel der Tier- und Pflanzenarten sei gefährdet oder bereits ausgestorben. Die Hälfte der Lebensräume wären bedroht. Das sei alarmierend und treffe uns Menschen direkt. Sie nennen auch ein Beispiel: ohne Bienen, Schmetterlinge und Co. keine Bestäubung, ohne diese keine Nahrungsmittel wie Beeren, Früchte und Gemüse. Deshalb sei klar: Wir brauchen die Biodiversität, um zu überleben. Eine vielfältige Natur sorge für sauberes Wasser, fruchtbare Böden, Bestäubung und gesunde Nahrung. Sie sei von unschätzbarem Wert für uns, unsere Kinder und Enkelkinder.
Eine intakte Natur helfe zudem gegen den Klimawandel. «Moore und Wälder binden riesige Mengen CO2. Bäume und Gewässer sorgen für Abkühlung. Natürliche Flussläufe helfen gegen Hochwasser, gesunde Wälder schützen das Berggebiet vor Lawinen und Murgängen», argumentieren die Initianten. Wenn man das Artensterben weiterhin tatenlos hinnehme, führe das zu Kosten in Milliardenhöhe. Gemäss Schätzungen des Bundesrats würde das Nichthandeln in der Schweiz ab 2050 jährlich 14 bis 16 Milliarden Franken kosten. Die Initiative verpflichte Bund und Kantone, unsere Lebensgrundlagen jetzt endlich zu schützen.
Die Folgen: Einschränkungen und Verteuerungen
Für die Gegnerinnen der Initiative wäre deren Annahme ein Horrorszenario. Denn sie wolle Landschaften, Ortsbilder, geschichtliche Stätten sowie Natur- und Kulturdenkmäler als offizielle und praktisch unantastbare Schutzobjekte deklarieren. Die Nutzung der Flächen und das baukulturelle Erbe wolle sie auch ausserhalb der offiziellen Schutzobjekte einschränken sowie mehr Flächen für die Biodiversität ausscheiden. Das geht den Gegnern wie auch dem Bundesrat und der Mehrheit des Parlaments zu weit.
Eine Annahme der Biodiversitätsinitiative würde die (nachhaltige) Energie- und Lebensmittelproduktion stark einschränken, die Nutzung des Waldes sowie touristische Infrastrukturen im ländlichen Raum erschweren und das Bauen verteuern. Die einheimische Versorgung würde geschwächt und die Importe von Energie, Essen und Holz nähmen zu. Zudem würden die Kompetenzen sowie der Handlungsspielraum der Kantone und Gemeinden beschnitten und es bräuchte zusätzliches Geld.
Laut Abstimmungstext hätte die Initiative für Bund und Kantone voraussichtlich jährliche Zusatzkosten von mehr als 400 Millionen Franken zur Folge. Die Finanzlage beim Bund sei angespannt, weshalb Mehrausgaben für die Biodiversität bei anderen Aufgaben des Bundes wieder eingespart werden müssten.
RENÉ FISCHER
Parteiparolen
Ja: SP, Grüne, EVP, GLP
Nein: FDP, SVP, EDU, Die Mitte
keine Angabe: AL