Beteiligung am Frontex-Ausbau

  23.04.2022 Abstimmungen

Soll sich die Schweiz am Ausbau der europäischen Grenzschutzagentur Frontex beteiligen? Darüber gehen die Meinungen stark auseinander. Befürworter sehen die Schengen-Mitgliedschaft in Gefahr, Gegnerinnen zielen in erster Linie gegen die Agentur selbst.

Die europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache (Frontex) unterstützt die Schengen-Staaten operativ bei der Kontrolle ihrer Aussengrenzen. Die Schweiz arbeitet seit über zehn Jahren mit der Agentur zusammen. Laut Abstimmungsunterlagen werde Frontex seit Ende 2019 in der EU ausgebaut. Bundesrat und Parlament haben entschieden, dass sich die Schweiz daran beteiligen soll, wogegen das Referendum ergriffen wurde. Deshalb hat nun am 15. Mai das Stimmvolk darüber zu befinden.

Mit dem Ausbau erhalte Frontex mehr Geld und Personal, wozu neue Aufgaben im Bereich der Rückkehr ausreisepflichtiger Personen kämen. Zudem werde die unabhängige Stelle für Grundrechte aufgestockt. Sie trage dazu bei, dass bei Einsätzen an den Schengen-Aussengrenzen die Rechte aller gewahrt werden. Mit der Vorlage von Bundesrat und Parlament übernehme die Schweiz ihren Anteil an dieser Reform. Falls die Schweiz diese Schengen-Weiterentwicklung ablehne, ende gemäss Abstimmungsinformationen ihre Zusammenarbeit mit den Schengen- und Dublin-Staaten automatisch – es sei denn, die EU-Staaten und -Kommission kämen der Schweiz entgegen.

Beziehungen zur EU nicht weiter gefährden

Eine Ja-Parole beschlossen folgende Parteien: EVP, FDP, SVP, GLP und die Mitte. Sie argumentieren einerseits mit den sowieso schon schwierigen Beziehungen zur EU. Ein Nein zu Frontex würde diese weiter gefährden. In den Augen des Komitees «Frontex-Schengen Ja» wäre eine Ablehnung eine Gefahr für die Schweizer Europapolitik. Ein Ausschluss aus dem Schengenraum würde sowohl unsere Reisefreiheit als auch den Tourismus in der Schweiz gefährden.
Weitere Argumente des Ja-Komitees zielen auf zusätzliche wichtige Punkte der Schengen-Mitgliedschaft ab. Die Schweizer Sicherheitsbehörden hätten seit dem Beitritt direkten Zugang zum Schengener- (SIS II) und zum Visa-Informationssystem (VIS). Diese seien für die Polizei heute zentrale Fahndungsinstrumente. Gemäss Angaben der Bundespolizei lieferte die SIS-Datenbank im Jahr 2019 der Schweiz 21’000 Fahndungstreffer – also rund 57 wichtige Hinweise pro Tag. Durchschnittlich werde die Datenbank allein aus der Schweiz täglich rund 320’000 Mal abgefragt. Das VIS-System hingegen speichere Daten von Personen, denen durch die Schweiz oder ein anderes Schengen-Land ein Visum verweigert wurde. Durch die Erfassung biometrischer Daten werde auch der entsprechende Missbrauch verringert.

Mitverantwortlich für gewaltvolle Migrationspolitik

Gegen die Unterstützung für den Frontex-Ausbau sind SP, Grüne und EDU. Mit dabei sind aber auch zahlreiche Gruppen sowie Menschenrechts- und Flüchtlingsorganisationen. Gegnerinnen und Gegner der Vorlage zielen in erster Linie auf die Agentur Frontex selbst. Diese sei mitverantwortlich für die gewaltvolle Migrationspolitik an den EU-Aussengrenzen. Neu koordiniere Frontex auch länderübergreifende Zwangsausschaffungen und führe selbst solche durch. Für ihre Aufgaben soll die europäische Grenzschutzagentur bis 2027 über ein Heer von 10’000 Grenzwächterinnen und -wächtern sowie eigene Waffen, Drohnen, Schiffe und Flugzeuge verfügen. Das Budget steige bis 2027 auf 1,2 Milliarden Franken pro Jahr an.
Laut Gegnern sei Frontex Komplizin bei Menschenrechtsverletzungen. Aufnahmen würden belegen, dass sie anwesend sei, wenn nationale Küstenwachen die Motoren von Booten zerstören und Flüchtende im Meer zurücklassen. Zudem kooperiere Frontex systematisch mit der sogenannten libyschen Küstenwache, die massenhaft Boote abfange und gewaltsam zurück nach Libyen schaffe. Wer es also ernst meine mit Schutz für Flüchtende, müsse den Frontex-Ausbau stoppen.

RENÉ FISCHER


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