Auch Beerdigungen haben gute Seiten
08.02.2025 KolumneBeerdigungen können schön traurig oder traurig schön sein. Es hängt ganz davon ab, in welcher Funktion man an ihnen teilnimmt. Als nicht direktes Mitglied der Trauerfamilie kann der Anlass sogar entspannend sein. Man erhält Raum und Zeit, die Gedanken schweifen zu lassen. ...
Beerdigungen können schön traurig oder traurig schön sein. Es hängt ganz davon ab, in welcher Funktion man an ihnen teilnimmt. Als nicht direktes Mitglied der Trauerfamilie kann der Anlass sogar entspannend sein. Man erhält Raum und Zeit, die Gedanken schweifen zu lassen. Es gibt keine Ablenkung durch Smartphones, Pushnachrichten und dergleichen.
Ist einem die gestorbene Person gänzlich unbekannt, lernt man sie im vorgelesenen Lebenslauf kennen; zumindest erstellt man in der Vorstellung ein Bild von ihr. Was hat sie gern gemacht, wo hat sie gelebt und gearbeitet? Was bleibt den Hinterbliebenen besonders im Gedächtnis? Feine Zwischentöne in der Abdankungsrede lassen herausfordernde Phasen, selbst Konflikte in der Familie erahnen. Aus dem Verhalten der Gäste erschliesst sich der Betrachterin einiges aus den unterschiedlichen Beziehungen und Verhältnissen, die zwischen den einzelnen bestanden haben und bestehen.
Eindringlich vorgetragene Bibelstellen dringen tief ins Bewusstsein, das im Alltag dafür oft weniger empfänglich ist. Die Erkenntnis, dass diese alten Worte sehr aktuellen Bezug zum Hier und Jetzt haben, schreckt auf und stellt vielleicht unangenehme Fragen zum eigenen Sein.
Kleine Geschichten machen den Menschen aus
Der Abdankung folgt in der Regel das gemütliche Beisammensein, wo der Dahingeschiedene in Geschichten und Anekdoten noch einmal auflebt. Meist ist die Stimmung erst gedrückt und zurückhaltend; es wird leise gesprochen respektive geflüstert. So sicher wie das Amen in der Kirche, kommt der Moment, wo die lustigen Begebenheiten bis hin zu Witzen erzählt werden. Ereignisse, die zwar etwas am Glanz des Verstorbenen kratzen, ihn dafür umso menschlicher zeigen, werden in der kleiner werdenden Runde zum Besten gegeben. Eine wunderbare Gelegenheit, sich versöhnlich und im Guten zu verabschieden und sich fortan den (noch) Lebenden zu widmen, und mit ihnen möglichst viele gute Erlebnisse zu teilen.
Man sieht nur mit dem Herzen gut
Die Worte aus der Predigt hallen nach. Nur was wir aus Liebe tun, werde Wirkung zeigen, alles andere sei nutzlos. Wie ist das gemeint? Auf welche Bereiche des Lebens bezieht sich das Gesagte? Der Schreibenden scheint eine konsequente Umsetzung unmöglich. Vieles im Alltag ist schlicht notwendig, erledigt zu werden, nicht mehr und nicht weniger. Manches davon wird ungern abgearbeitet, manches lieber oder gar mit Freude ausgeführt. Allem unvoreingenommen mit Liebe zu begegnen: eine unerreichbare Forderung. Man denke dabei nur an den Zahnarzttermin und die Steuererklärung! Oder an die Gefühle beim Konsumieren der Meldungen in den Nachrichtenkanälen, bei denen einem alles andere als liebevolle Gedanken durch den Kopf gehen.
Trotzdem ist es lohnend, sich die Worte aus der Erzählung «Der kleine Prinz» von Antoine de Saint-Exupéry wieder einmal ins Gedächtnis zu rufen: «Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.»