Angst als Werkzeug der Macht
17.03.2022 KolumneAngst ist ein mächtiges Gefühl. Das Wort selbst leitet sich aus dem griechischen Verb «agchein» und dem lateinischen «angere» ab. Beides bedeutet so viel wie «würgen» oder «die Kehle zuschnüren». Besonders übermannt uns diese Emotion, wenn wir uns «ausgeliefert» fühlen. Panikattacken, Phobien und Depressionen – noch nie sollen so viele Menschen von Angststörungen betroffen gewesen sein wie heute. Okay, es waren auch nie so viele Menschen wie heute. Das Phänomen Angst ist aber symptomatisch für die aktuelle politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Situation: Angst um den Arbeitsplatz, vor dem Coronavirus, Krieg, globaler Rezession, Klimaerwärmung, Armut – die Aufzählung könnte fast unendlich weitergehen.
«Angst lässt sich durch Strategien der Angsterzeugung und -mobilisierung kontrollieren und ist deswegen eine vorzügliche Quelle der Machtbildung. Spätestens seit Machiavellis Erkenntnis, dass es für einen Fürsten besser sei, vom Untertanen gefürchtet als geliebt zu werden, ist Angst als Machtstrategie ein zentrales Thema der politischen Philosophie. Angst ist für politische, vor allem für staatliche Zwecke bestens einsetzbar, weil sie als eines der stärksten Motive der Fügsamkeit und des Gehorsams wirkt. Wer Angst hat, ist bereit, sich selbst aufzugeben und sich den Anforderungen, Anordnungen und Befehlen der Mächtigen zu unterwerfen. Wer Angst hat, sucht Schutz bei Stärkeren und unterwirft sich deren Autorität», sagte Maurizio Bach, ein deutscher Soziologe, der auch Politikwissenschaft studierte.
Die Angst warnt uns und hält uns davon ab, unverantwortliche Risiken einzugehen. Zugleich mobilisiert sie Kräfte, sei es zur Abwehr oder zur Flucht. Sobald sie aber zum ständigen Begleiter wird, hat sie eine Kehrseite: Angst macht krank. Und das nicht «nur» psychisch, sondern auch physisch: Herz-/ Kreislaufprobleme, Schlafstörungen, Schwindelanfälle, Tinnitus oder Atemstörungen sind da nur einige Beispiele.
Forciert wird die Angst mit verschiedenen Werkzeugen – ob nun gut oder schlecht gemeint. Da wären beispielsweise die Medien. Negative Sachverhalte haben eine viel grössere Chance, veröffentlicht zu werden, als positive. Je scheusslicher und absonderlicher, desto berichtenswerter. Aber auch die heutigen digitalen Möglichkeiten bieten eine gute Plattform. So wird mit verschiedensten Apps vor allerlei Gefahren gewarnt. Ein Beispiel ist bekanntermassen die Covid-App, aber auch Wetter-Apps, über welche beim «kleinsten» Luftzug oder nach «kurzer» Trockenphase gleich eine Alarmstufe «aus dem Ärmel geschüttelt» wird. Und dann wäre da beispielweise noch die App Alertsuisse, über welche der Bund alle «Gefahren» in die Schweizer Haushalte übermittelt.
Natürlich können Alarme auch präventiv wirken und Menschenleben retten. Es darf dann aber mit der Alarmierung auch mal gut sein. Wenn ich schaue, vor was allem wir heute gewarnt werden, ist es schon erstaunlich, wie der Mensch früher ohne diese Mittel überhaupt überleben konnte. Ich finde es wichtig, dass wir Menschen uns wieder aus dieser Kultur der Angst befreien, von diesem Werkzeug der Macht losreissen. Ich wünsche mir vor allem eins: In völliger Freiheit leben und sterben zu dürfen. Ein Wunschdenken, denn ängstliche Geschöpfe lassen sich in der Regel besser kontrollieren!