Zwei kleine Kreise sorgten für die grössten Diskussionen
20.02.2025 HagenbuchDer Informationsabend zur «Ortsplanung Hagenbuch» stiess auf grosses Interesse, die Gelegenheit für Fragen wurde rege genutzt. Besonders intensiv wurde über drei Themen diskutiert: die Verkehrssicherheit, die Weilerkernzone und zwei im kantonalen Richtplan vermerkte ...
Der Informationsabend zur «Ortsplanung Hagenbuch» stiess auf grosses Interesse, die Gelegenheit für Fragen wurde rege genutzt. Besonders intensiv wurde über drei Themen diskutiert: die Verkehrssicherheit, die Weilerkernzone und zwei im kantonalen Richtplan vermerkte mögliche Deponiestandorte.
Ein anderes wichtiges Anliegen vorneweg: Artikel 32 über die Standorte von Windkraftanlagen ist trotz Streichung durch den Kanton anlässlich der ersten Vorprüfung nach wie vor in der Bau- und Zonenordnung (BZO) enthalten.
Nach der Begrüssung durch Gemeindepräsident Rolf Sturzenegger übernahm Philipp Rütsche. Der Kulturingenieur und Raumplaner der Firma Ingesa begleitet verschiedene Gemeinden (unter anderem Elgg) bei Ortsplanungs- und Richtplanrevisionen. Der Fachmann erörterte einleitend die zwei in Überarbeitung stehenden Geschäfte: Den kommunalen Richtplan Verkehr (letztmals überarbeitet 1982) und die BZO mit Zonenplan (2006). Beide unterliegen übergeordneten Rahmenbedingungen: dem kantonalen und dem regionalen Richtplan. Weil gerade die Revision des kantonalen Richtplans ein laufendes Geschäft sei, würden die Arbeiten der Gemeinden nicht selten gebremst, erklärte der Fachmann am Beispiel der Kleinsiedlungen: «Hagenbuch besteht aus dem Dorfteil Hagenbuch und Oberschneit, beides Bauzonen. Dann gehören einige Weiler dazu, die zwar Kernzone sind, aber keine Bauzonen. Sie liegen im kantonalen Richtplan ausserhalb der Siedlungszone. Der Kanton überprüft nun jede einzelne Kleinsiedlung, was unser Vorankommen verlangsamt. Die erste Vorprüfung ist seit letztem Jahr durch und nun geht es eine Runde weiter.» Die übergeordneten Richtpläne definieren unter anderem mögliche Standorte für Windkraftanlagen, Deponien, Autobahnen, Strassen-, Velound Wanderwegnetz. «Hagenbuch gehört darin zu den Kulturlandschaften, das heisst, es ist lediglich eine moderate Entwicklung erlaubt. Potenzial muss innerhalb der definierten Bauzone ausgeschöpft werden.»
Mehr Verkehrssicherheit gewünscht
Fragen bezogen sich fast ausschliesslich zu möglichen oder geplanten Velowegen, die den Schulweg sicherer machen sollten. Diskutiert wurde die Verbindung nach Elgg über Hagenstal, die bereits im Richtplan eingezeichnet und damit legitimiert für eine Umsetzung ist. Wann eine Realisierung erfolge, hänge vom Budget ab, so Patrizia Künzle, zuständige Gemeinderätin: «Eine Kontaktaufnahme mit dem Kanton und Elgg ist geplant, aber ein konkretes Projekt liegt noch nicht vor.» Auch der als unsicher geltende Knoten in Oberschneit werde zurzeit mit dem Kanton besprochen.
Der Wunsch nach einem Fussgängerstreifen über die Hauptstrasse sei ebenfalls Gegenstand einer Diskussion, die aktuell zwischen der Behörde und der Abteilung für Verkehrssicherheit der Polizei geführt werde. Gemeindeschreiberin Melanie Thomann: «Die Polizei lehnt eine finanzielle Beteiligung ab, aber zurzeit gibt es ein Projekt zur Dorfbachumlegung und Strassensanierung. Zwar hat auch der Kanton die Finanzierung eines Zebrastreifens abgelehnt, wenn wir aber eine Bewilligung erhalten, muss der Gemeinderat entscheiden, ob die Kosten von der Gemeinde übernommen werden. Wir informieren die Bevölkerung zu gegebenem Zeitpunkt.» Nach dem regionalen Richtplan sei es Gemeinden erlaubt, den Strassenraum im Zentrum sicherer und wohnlicher zu gestalten, beispielsweise dann, wenn der Kanton seine Strassen saniert, so Rütsche. Auf das Anliegen, generell Tempo 40 als Kompromiss einzuführen, hätte der Richtplan hingegen keinen Einfluss. Für Tempobeschränkungen auf Kantonsstrassen sei einzig der Kanton zuständig und das sei eher ein gesellschaftliches Problem. «Warum es die Bevölkerung nicht schafft, Massnahmen wie diese einzuführen, weiss ich nicht, da bin ich überfragt» schloss Rütsche die Runde und ging über zum zweiten Geschäft.
Der Balkon ist neu ein vorspringender Gebäudeteil
Konkreter wurde es bei der Vorstellung der BZO-Revision. Sie hält parzellengenau fest, was in welchem Rahmen wo erlaubt ist und greift damit direkt in Bauvorhaben ein. Ein Thema der Revision ist die Harmonisierung der Baubegriffe – deren 29 sollen schweizweit vereinheitlicht werden. Als Beispiele erörterte Rütsche die neuen Höhenmasse: «Gebäudehöhe gibt es so nicht mehr. Das heisst neu die giebel- oder traufseitige Fassadenhöhe sowie die Gesamthöhe.» Dass der Balkon neu als vorspringender Gebäudeteil deklariert wird, erntete Gelächter.
Das Ziel der neuen Bauvorschriften – abgesehen von den komplizierten Begrifflichkeiten – sei eine innere Verdichtung: Die Schaffung von mehr Wohnraum. Damit bietet der Kanton neue Möglichkeiten zu Innenaus- und Dachaufbauten, diese dürfen neu grösser werden. Allerdings soll die Dachlandschaft in Hagenbuch erhalten bleiben. Also hat man sich hier entschieden, dass Dachaufbauten wie bisher einen Drittel der Fassadenlänge betragen und nicht, wie neu kantonal erlaubt, auf die Hälfte vergrössert werden dürfen. Aktuell sind Solarpanels – ihre Montage ist in jedem Fall meldepflichtig. In der Kernzone bedürfen sie hingegen einer Baubewilligung. Dies ist die absolute Kurzfassung des Sachverhalts; die tatsächlichen Vorschriften sind um einiges komplexer, wie die Ausführungen Rütsches zeigten.
Nordhagenstal und Südhagenstal
«Der Kanton wird die Gemeinden auffordern, Weilerkernzonenpläne zu erarbeiten. Darin festgehalten werden Mantellinien bestehender Gebäude, Firstrichtungen, Freiräume und weitere Details» eröffnete der Raumplaner einen weiteren Programmpunkt des Abends. Einsteigend erklärte er, dass in der ersten übergeordneten Festlegungsrunde definiert wurde, dass in diesen Zonen keine neuen Hauptbauten erlaubt seien, auch keine Wohnungen in ausgedienten Scheunen. «Dieses Vorhaben ist auf wenig Gegenliebe in den Gemeinden gestossen. Der Kanton ist nun etwas zurückgekrebst. Neu sind sowohl Neubauten wie auch Umnutzungen erlaubt, aber es ist noch unklar, in welchem Rahmen.» Ein gutes Beispiel könne Huggenberg sein: «Dort wurde festgelegt, dass in alten Gebäuden maximal 150 Quadratmeter Wohnfläche eingebaut werden. So ist eine gewisse Entwicklung möglich, aber der Charakter vom Weiler bleibt erhalten.»
Eine eigentliche Posse hat sich der Kanton mit Hagenstal erlaubt. Um eine Umzonung zu verhindern, hat er kurzerhand einen Nord- und einen Südhagenstal kreiert, obwohl in der Geschichte keine derartige Namensgebung zu finden ist. Patrizia Künzle versicherte, dass dagegen eine Einwendung gemacht wurde. Diese Unterteilung müsse wieder entfernt werden, weil: «Zählt man alle Gebäude zusammen, ist eine Umzonung als Siedlungsgebiet möglich.» Immerhin: Bezüglich der Umnutzungsziffern stillgelegter Scheunen habe man gewisse Zusagen, aber noch nichts Schriftliches.
So oder so steht ein längerer Prozess bevor: Die zahlreichen Einwendungen von Gemeinden und Regionen müssen vom Kanton behandelt und integriert werden, und schliesslich erfordert der kantonale Richtplan die Genehmigung aus Bundesbern.
Wer derzeit bauen will in der Bauzone, reicht ein Baugesuch bei der Gemeinde ein, wer in einer Weilerkernzone bauen möchte, muss sein Gesuch vom Kanton absegnen lassen.
Ende Jahr revidierte BZO und kommunaler Richtplan
Der letzte Punkt der BZO-Revision, die Mehrwertabgabe, war schnell abgehandelt. Rütsche beendete seine Präsentation mit dem zeitlichen Ausblick auf die Umsetzung: «Jetzt läuft 60 Tage das Mitwirkungsverfahren, das heisst, der Kanton kann in der zweiten Vorprüfung wieder Stellung nehmen – und er kann den Artikel 32 zum Standort von Windrädern erneut rausstreichen. Die Bevölkerung kann während dieser Zeit ebenfalls begründete Einwendungen gegen die öffentlich aufliegenden Pläne einreichen.» Es sei geplant, an einer nächsten Gemeindeversammlung die Dokumente zu genehmigen und dem Kanton zur Abnahme zukommen zu lassen. Ziel sei es, per Ende Jahr eine revidierte BZO und einen revidierten kommunalen Richtplan Verkehr vorliegen zu haben. Damit hätte die Veranstaltung zu Ende sein können ...
Zehnmal eine Stimme zählt mehr als einmal zehn
Zum Schluss kam Rolf Sturzenegger noch einmal auf zwei kleine Kringel, die im kantonalen Richtplan eingezeichnet sind, zu sprechen. Es sind zwei mögliche Standorte für Deponien für Bauabfälle, wie im ganzen Kanton deren 21 evaluiert wurden. «Zwei Vertreter vom Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft (AWEL) haben uns über Rüti mit 9 Hektaren, 750‘000 Kubikmeter Potenzial und Rohr mit 30 Hektaren und 3,6 Millionen Kubikmeter Potenzial informiert.»
Der Kanton brauche neue Deponieflächen, es seien daher möglichst viele geeignete Orte evaluiert worden, das heisse noch lange nicht, dass dereinst tatsächlich Bauabfälle in Hagenbuch gelagert würden. Den Anwesenden versicherte er, dass der Gemeinderat dem Vorhaben sehr kritisch gegenüberstehe. Einerseits wegen des Schwerverkehrs andererseits habe es bereits Baugruben in Ortsnähe. «Mehr Löcher sind unsererseits nicht erwünscht.»
Ein früherer Dielsdorfer erzählte, wie sich Behörden und Bevölkerung gemeinsam gegen eine Deponie gewehrt hatten. Es sei Fakt, wer sich lauter wehre, bleibe oft verschont. Sturzenegger erklärte, dass Hagenbuch bereits eine Stellungnahme beim Zweckverband Regionalplanung Winterthur und Umgebung eingereicht habe, und der Gemeinderat eine Einwendung beim Kanton bis Mitte März plane. Private hätten die Möglichkeit, via Link auf der Webseite des AWEL Einsprachen zu schicken – eine Sammeleinwendung würde hingegen weniger ins Gewicht fallen, sie würde als eine Einzelstimme gezählt und nicht als einzelne Stimmen: «Zehnmal eins zählt manchmal mehr als einmal zehn!»
Aller Gegenwehr zum Trotz: Abfall der Kategorien C, D, E (Öle, loser Asbest, Schlacke aus der Kehrichtverbrennung) sind ein einträgliches Business und für den Grundeigentümer sehr lukrativ, gab Gemeinderat Florian Hauser zu bedenken. Das Statement einer Hagenbucherin: «Es ist unser Abfall, es bringt ja nichts, wenn jeder ihn dem anderen und am Ende dem Ausland zuschiebt», erntete zwar Zustimmung, aber mehr auch nicht. Der Gemeindepräsident versuchte, die Stimmung wieder zu beruhigen. Es handle sich nur um potenziell mögliche Deponien und allenfalls seien in zwei Jahren, wenn der Kanton seinen Gestaltungsplan veröffentliche, Rohr und Rüti gar nicht mehr eingezeichnet – und der Einsprachemöglichkeiten gäbe es einige zur Verhinderung. Und ganz zum Schluss, bevor die Stühle gestapelt wurden, erzählte er, dass Hittnau sich vor Baurekursgericht gegen geplante Windräder wehre, auch Hagenbuch könne sich so etwas vorstellen.
Der Kampfgeist im Dorf im Grünen ist auf jeden Fall nicht im Winterschlaf.
MARIANNE BURGENER