Würmli muss dem Wandel Tribut zollen
11.03.2023 ElggIm Landstädtchen schliesst eines der traditionsreichsten Geschäfte: Die hiesige Verkaufsfiliale der Metzgerei Würmli wird es nach Ostern in der heutigen Form nicht mehr geben. Mit der Chäshütte Elgg und einem geänderten Angebot geht es an der Kirchgasse 7 im ...
Im Landstädtchen schliesst eines der traditionsreichsten Geschäfte: Die hiesige Verkaufsfiliale der Metzgerei Würmli wird es nach Ostern in der heutigen Form nicht mehr geben. Mit der Chäshütte Elgg und einem geänderten Angebot geht es an der Kirchgasse 7 im Mai weiter.
Ernst und Emma Würmli-Hofmann übernahmen 1920 die bestehende Metzgerei Krenger an der Kirchgasse in Elgg. Nun führt die Familie den Betrieb in vierter Generation. 2012 übernahmen Andreas und Tina das Unternehmen von Markus und Karin Würmli. Drei Jahre später entstand unter ihrer Ägide der neue Bau in Gundetswil, welcher Hauptsitz der Metzgerei Würmli AG (Gastronomiebelieferungen) und Würmli Catering AG wurde. 2017 wurde schliesslich die ehemalige Metzgerei Striit in Neftenbach zur zweiten Verkaufsfiliale nebst Elgg. Das Unternehmen wuchs vor allem in den letzten Jahren unter Tina und Andreas Würmli stark. Inzwischen leisten gegen 70 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Produktion, den Läden, der Küche, beim Ausliefern und in der Administration täglich ihren Einsatz. Während ihr Ehemann Inhaber ist und das operative Geschäft leitet, zeigt sich Tina Würmli verantwortlich für Personal und Marketing. Sie verkündete nun gegenüber dieser Zeitung die Schliessung der Filiale in Elgg nach 103 Jahren. Letzter Öffnungstag wird Ostersamstag sein. Beim Gespräch mit den beiden sind die Emotionen förmlich wahrnehmbar. Verständlich, denn wenn ein solches Traditionsgeschäft schliesst, eines das in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird, an Anlässen präsent ist, Würste für die Äschlibuben spendiert und vieles mehr, dann geht etwas verloren und erweckt sicherlich grössere Aufmerksamkeit, als wenn «einfach eine kleine Boutique» im Dorf die Läden runterlässt – ohne wertend sein zu wollen. Die Metzgerei Würmli AG und die Würmli Catering AG bleiben bestehen, wie auch die Filiale Neftenbach.
Eine Kumulation verschiedener Gegebenheiten
Mit der Reduktion der Öffnungszeiten letzten Oktober wollte man dem Laden noch eine Chance geben und die Entwicklung abwarten. Ende Dezember beurteilte man die Situation neu und machte sich danach Gedanken. «Die Zahlen liessen aber keine Rendite zu», sagt Tina Würmli. Die Ursachen sind mannigfaltig. Da sei einerseits der extreme Fachkräftemangel, wie Andreas meint. Auch das Einkaufsverhalten hätte sich in den letzten Jahren stark verändert. Die Bedürfnisse ebenfalls, sprich beispielsweise das Essverhalten oder der allgemeine Rückgang des Fleischkonsums. Zudem merke man die Preissteigerungen, nicht per se bei Lebensmitteln, vor allem diese rundherum. «Irgendwo spart dann halt der Kunde», so Tinas Einwand. Sie müssten konstatieren, dass der Dorfkern zu den besten Zeiten trotz des vielfältigen Angebots oftmals leer sei. Irgendwie sei die Loyalität der Menschen mit dem lokalen Gewerbe etwas verloren gegangen – nicht nur in Elgg.
Andreas denkt nach und sagt: «Man kann die Probleme definitiv nicht an einem Punkt festmachen. Es ist eine Kumulation verschiedener Gegebenheiten. Früher lebten wir von der Hausfrau respektive dem Hausmann, die regelmässig Fleisch für den Zmittag und Znacht bei uns einkauften. Heute sind wir quasi zu einer Eventmetzgerei geworden: Wenn jemand am Freitag Gäste empfängt, geht er oder sie in die Metzgerei zum Einkauf. Sonst bleiben die Kunden aber immer öfter fern.» Dann sei auch der Benchmark des Anspruchs extrem hoch. «Diesen als Geschäft zu erfüllen, ist für uns schwierig.» Schliesslich ist es aber auch ein Branchenthema: Pro Woche schliesst in der Schweiz eine Metzgerei. Sie werden nur noch berücksichtigt, wenn etwas Spezielles gefragt ist. Andreas Würmli schiebt nach: «Die Leute wohnen hier, arbeiten wo anders und fahren auf dem Arbeitsweg an Coop, Migros, Denner und Co vorbei. Dann wird halt auch dort eingekauft und nicht mehr im Dorf – zumindest nicht für den Cervelat oder das Schweinssteak.»
Emotionen ja, aber am Ende entscheiden Zahlen
Und dann kochen beim Metzgermeister wieder Emotionen hoch: «Es tut weh! Das ist kein Entscheid, den man über Nacht fasst. Der Schritt fällt uns bei weitem nicht leicht.» Aber unter dem Strich trage man auch eine Verantwortung gegenüber dem Gesamtbetrieb. «Wir haben eine Gastrobelieferung, die sehr gut läuft, ein Catering das absolut performt. Am Ende des Tages entscheiden aber die nackten Zahlen – und die sprachen je länger, desto mehr gegen den Elgger Laden. Mir tut es leid für die Mitarbeitenden. Nicht weil wir ihnen kündigen müssten, denn wir finden für alle einen Platz im Betrieb. Nein, einfach weil sie einen sehr guten Job leisten und das am Ende trotzdem nicht genügt.»
Doch wie geht es nun weiter mit dem Ladenlokal? Dazu Andreas Würmli: «Wir drehen nicht einfach den Schlüssel und sagen, dass nach Ostern Schluss ist.» Das Lokal werde danach zwecks Faceliftings kurz geschlossen bleiben, bevor per 1. Mai die Chäshütte Elgg übernimmt. «Wir sind sehr froh, mit Claudia und Otto Wartmann eine gute Nachfolgelösung gefunden zu haben.» Es entstehe somit eine Win-win-Situation, da Wartmanns nun über eine viel grössere Verkaufsfläche für ihr Top-Käseangebot verfügen können und gleichzeitig wird es weiterhin Fleisch- und Wurstprodukte aus Würmli-Produktion zu kaufen geben. Die Chäshütte werde mit einem breiten Selbstbedienungssortiment beliefert. «Eine bediente Metzgerei wird es natürlich nicht mehr sein, aber als Commitment zu Elgg werden wir hier präsent bleiben», sagen Würmlis. Zudem würden Bestellungen möglich sein, die man tags darauf im Laden abholen kann. Aber: «Den Metzger, der hier steht und fragt, ob es noch ein bisschen mehr sein darf, den gibt es nicht mehr.»
Kein Abschied auf Raten
Andreas Würmli ist es ganz wichtig zu signalisieren: Er ist ein Elgger und fühlt sich nach wie vor als solcher. Sie seien immer noch da, einfach in einer anderen Art und Weise. Nachhaltigkeit bedeute halt auch Wandel. Bedürfnis und Angebot würden sich laufend ändern, und dem sei aus wirtschaftlicher Sicht Rechnung zu tragen. Die Schliessung sei aber kein Bruch mit Elgg. Seine Ehefrau ergänzt: «Wir werden weiterhin dem Äschli die 140 Würste sponsoren, an den Märkten teilnehmen und ziehen auch nicht weg von hier.»
Die beiden betrachten das Ganze mit einem weinenden und lachenden Auge. Ersteres für die Kunden, die ihnen jahrelang die Treue hielten. Letzteres, weil den beiden nun eine gewisse Last von den Schultern fällt und sie eine gute Nachfolgelösung fanden.
RENÉ FISCHER