Wird Aadorf noch vor 2030 eine Stadtgemeinde?
21.11.2024 AadorfDie Ausgabe 2024 des statistischen Jahrbuchs «Kanton Thurgau im Fokus» ist erschienen. Eine Analyse der Zahlen zeigt: Aadorf ist der Motor des Bezirks Münchwilen und wird wohl noch in diesem Jahrzehnt eine Stadt.
Ja, man muss Zahlen, Tabellen und Grafiken ...
Die Ausgabe 2024 des statistischen Jahrbuchs «Kanton Thurgau im Fokus» ist erschienen. Eine Analyse der Zahlen zeigt: Aadorf ist der Motor des Bezirks Münchwilen und wird wohl noch in diesem Jahrzehnt eine Stadt.
Ja, man muss Zahlen, Tabellen und Grafiken lieben, wenn man sich die Broschüre «Kanton Thurgau im Fokus» als Bettlektüre auf den Nachttisch legt. Aber sie ist auch eine Pflichtlektüre für alle, die sich für die Entwicklung des Ostschweizer Kantons und dessen Gemeinden interessieren, sei es politisch, gesellschaftlich oder kulturell. Und wenn man sich darin vertieft und auch noch die kompletten Datenreihen der Thurgauer Dienststelle Statistik (statistik.tg.ch) zu Rate zieht, kann man erstaunliche Verbindungen herstellen.
Die meisten neuen Einwohner im Bezirk
Dass die Gemeinde Aadorf mit 9437 Einwohnerinnen und Einwohnern per Ende 2023 die Nummer sieben im Kanton und die bevölkerungsreichste Kommune im Bezirk Münchwilen ist, dürfte hinlänglich bekannt sein. Aber ein Vergleich mit den 13 Bezirksgemeinden zeigt auch, dass sie seit fast zwei Jahrzehnten anhaltend da steilsten und grössten Zuwachs an Einwohnenden im Bezirk aufweist. Seit Ende 2003 ist die Bevölkerung um mehr als 2100 Personen (29,8 Prozent) gestiegen. Keine andere Gemeinde im Bezirk hatte in den letzten 20 Jahren so grossen Zulauf.
Und woher kommen diese vielen Leute? Einige sind selbst gemacht. Denn tatsächlich weist Aadorf über diesen Zeitraum meist einen kantonsweit überdurchschnittlichen Geburtenüberschuss aus. 2018 wurden sogar mehr als doppelt so viele Kinder geboren, wie Menschen gestorben sind. Zum hohen Bevölkerungswachstum trägt dieser Effekt mit rund drei Dutzend «hausgemachten» Neubewohnern pro Jahr – ausgenommen das Pandemiejahr 2022 mit hoher Übersterblichkeit – allerdings nur wenig bei.
Es sind – man ahnt es – die Zuzügerinnen und Zuzüger, die Aadorf wachsen lassen. Mit Ausnahme der Jahre 2017 und 2019 war der so genannte Wanderungssaldo seit 2011 immer positiv und brachte durchschnittlich pro Jahr über 80 neue Nachbarn in die Gemeinde. Beliebt scheint Aadorf als Wohnort dabei vor allem für Nicht-Thurgauer: 60 Prozent der Netto-Zuzüger seit 2011 kommen aus anderen Kantonen, insbesondere Zürich, 40 Prozent aus dem Ausland.
Bei Thurgauerinnen und Thurgauern hingegen scheint Aadorf nicht besonders beliebt: Mit Ausnahme von 2016 zogen jedes Jahr mehr Aadorferinnen und Aadorfer in andere Thurgauer Gemeinden als von diesen nach Aadorf. Das dürfte daran liegen, dass die hiesigen Miet- und Hauspreise gemäss «Kanton Thurgau im Fokus» im innenkantonalen Vergleich im oberen Drittel liegen – mit durchschnittlich 1360 Franken pro Monat rund 47 Franken über dem kantonalen Mittel. Den Zürchern und Zürcherinnen im Westen hingegen dürfte dieser Wert als vergleichsweise moderat erscheinen.
Geld verdient wird (nicht nur) auswärts
Die wichtigsten Gründe für das stetige und starke Wachstum der Gemeinde Aadorf dürfte folglich die Nähe zum Wirtschaftsmotor Zürich als auch die gut erschlossene Lage im Schwerpunkt der regionalen Zentren Winterthur, Wil und Frauenfeld sein. Denn die meisten – und immer mehr – Arbeitstätigen in Aadorf verdienen ihr Brot ennet der Gemeindegrenzen. Gemäss Pendlerstatistik sind es mit 3607 Personen im Jahr 2020 (2014: 3250) über dreimal mehr als in der Wohngemeinde arbeiten (2020: 1042; 2014: 1341). Die wichtigsten Arbeitsorte waren damals Winterthur (822), Frauenfeld (544), Zürich (243), Elgg (182), St. Gallen (152) und Wil (132). Sie dürften es auch heute noch sein.
Trotzdem darf man Aadorf nicht als Schlafgemeinde bezeichnen. Immerhin wird sie vom statistischen Jahrbuch in den Top Ten der Thurgauer Kommunen mit dem grössten Beschäftigungszuwachs geführt mit einem Plus von 324 auf 3865 in den Jahren 2017 bis 2022. Zwei Drittel der Arbeitsstellen nehmen allerdings Zupendlerinnen und -pendler ein, insbesondere aus Frauenfeld, Winterthur, Eschlikon und anderen umliegenden Gemeinden.
Guter Mix, weiteres Wachstum
Geografisch und wirtschaftlich scheint Aadorf also den richtigen Mix zu haben, um weiter auf Wachstumskurs zu bleiben. Das findet auch das Sprachmodell «ChatGPT», wenn man es mit den Zahlen aus dem statistischen Jahrbuch, den Distanzen zu regionalen Zentren und Angaben zur Verkehrsanbindung füttert. Sofern die Wohnbautätigkeit Schritt hält, was angesichts diverser Projekte in Bau oder Planung anzunehmen ist, prognostiziert die «künstliche Intelligenz», dass Aadorf um die Jahrzehntwende auf über 10’000 Einwohnerinnen und Einwohner wächst. Und damit die siebte Stadt im Kanton Thurgau wird.
MARKUS KOCH
Den Thurgau in Zahlen entdecken
Das statistische Jahrbuch «Kanton Thurgau im Fokus» ist etwas für Zahlenfreaks – aber nicht nur. Die farbige, übersichtliche Broschüre, herausgegeben von der Dienststelle für Statistik des Kantons Thurgau, bietet auf 80 Seiten eine Fülle von Informationen und Fakten, die Stand und Entwicklung des Kantons Thurgau, seiner fünf Bezirke und 80 politischen Gemeinden beschreiben.
Die Ausgabe 2024 des statistischen Jahrbuchs soll die letzte gedruckte Version sein. Sie ist kostenlos erhältlich bei der Büromaterial-, Lehrmittel- und Drucksachenzentrale des Kantons Thurgau (bldz.tg.ch, Tel. 058 345 53 70) sowie in den Geschäftsstellen der Thurgauer Kantonalbank. Die elektronische Version steht auf statistik.tg.ch zur Verfügung.