Wir schaffen die Herausforderung nur gemeinsam

  03.05.2022 Aadorf

Mehrere Wochen ist es her, seit die ersten Geflüchteten aus der Ukraine in die Schweiz kamen; einige davon auch nach Aadorf und weitere Menschen werden noch erwartet. Die Solidarität in der Gesellschaft ist ungebrochen. Damit Angebote und Nachfragen aufeinander abgestimmt werden können, ist einiges an Koordination nötig.

Gemeindepräsident Matthias Küng, seit der SRF-Rundschau vor einigen Tagen schweizweit bekannt, bedankte sich bei der Bevölkerung. Er betonte in seiner kurzen Begrüssung, wie anspruchsvoll die Aufnahme wildfremder Menschen in den eigenen vier Wänden sei oder noch werden könne, schliesslich müsse leider von einem längerfristigen Engagement ausgegangen werden. «Leider» sei dabei der Situation geschuldet, nicht etwa den Geflüchteten. Gross der Dank an die Unterstützungsleistung aller Beteiligten. Die Gemeinde wäre schlicht nicht in der Lage, die Herausforderung allein zu stemmen. Der Abend diene der Information über aktuelle Begebenheiten seitens der Behörden: «Auch wir sind immer noch mit viel Neuem konfrontiert, aber immerhin können wir nun viele Empfehlungen abgeben.» Zu den 45 Personen würden noch weitere hinzukommen, die Zuteilung durch den Kanton sehe insgesamt deren 66 vor.

Damit übergab er das Wort den Sozialen Diensten, vertreten durch die Leiterin Beatrice Fehr und ihre Stellvertreterin Nadja Aeschlimann. Die beiden informierten zum Vorgehen bei Arzt- und Zahnarztbehandlungen. Wichtig sei hier die Angabe, dass der Patient von der Sozialhilfe unterstützt werde. So sei garantiert, dass ein anderer Tarif zur Anwendung komme und allenfalls ein anderes Prozedere als bei üblichen Behandlungen.

Integration in den Schul- und Berufsalltag

Ein ebenfalls prominentes Thema nebst Arztbesuchen war die Frage nach der Stellensuche. Wer darf wo arbeiten, wie ist der Ablauf, wie die Unterstützung? Für ukrainische Arbeitssuchende gelte dabei keine bevorzugte Behandlung, wie Beatrice Fehr betont. Auf der Website des Regionalen Arbeitsvermittlungszentrums (RAV) seien jedoch spezielle Informationen aufgeschaltet. Nach erfolgter Anstellung (mit oder ohne RAV), sei in jedem Fall die Anmeldung auf dem Migrationsamt unabdingbar. Das Amt für Berufsbildung und -beratung bietet einen Integrationskurs 1 für Jugendliche zwischen 16 und 18 Jahren an – ein Angebot für die Zeit zwischen Schulabgang und Lehre. In diesem Kurs werden an vier Wochentagen diverse Hauptfächer mit dem Fokus auf der deutschen Sprache unterrichtet. Damit soll den Jugendlichen der Einstieg ins Berufsleben erleichtert werden. Für dieses Angebot kämen aktuell drei bis vier Personen in Frage.
Aus den Fragen der Anwesenden ging hervor, dass hier doch einige Unklarheiten bestehen: Wer darf in den Kurs, wer ist zu alt oder zu jung – und wo sollen die Übrigen integriert werden? Ein geregelter Tagesablauf und eine Struktur seien für geflüchtete Jugendliche von zentraler Bedeutung, so die einhellige Meinung. Als fast wichtigste Faustregel seitens der Sozialen Dienste: «Wo immer Fragen auftauchen, kommen Sie doch bitte auf uns zu – gemeinsam finden wir eine Lösung. Egal, ob es um Anschaffungen, Arztbesuche oder anderes geht.»

Virtuelle Börse für Angebot und Nachfrage?

Beim Thema Kleider und Möbel zeigte sich, dass eine zentrale «Wissensdatenbank» eine gute Sache wäre. Die Sozialen Dienste möchten sich mit Börsen in Eschlikon und Sirnach vernetzen, um den Geflüchteten die Möglichkeit zu bieten, sich dort einzudecken. Aus dem Publikum kam der Hinweis, dass in Frauenfeld eine Plattform speziell für Ukrainer eingerichtet worden sei. Eine weitere Gastfamilie meldete sich, dass sie über die sozialen Medien alles Nötige für die Gäste organisiert hätten. Zudem würden sich die Ukrainerinnen untereinander ebenfalls austauschen und wüssten so in Kürze, wo was zu finden sei. Nadja Aeschlimann erklärte, dass sie über ihren Mailaccount und per Telefon viele Informationen und Angebote erhalte. Die Logistik zu koordinieren, sei eine grundsätzliche Kapazitätsfrage. Darum die angestrebte Vernetzung mit Nachbarsgemeinden. Nur so könnten Zusatzaufwand und Doppelspurigkeit vermieden werden. Die Schwierigkeit sei, dass Anfragen nach spezifischen Gegenständen ans Sozialamt gelangten – die Fragenden aber gleichzeitig auf eigene Faust über weitere Kanäle nach dem Gewünschten suchen würden. Eine Börse oder ein Chatraum, wo Nachfrage und Angebote zeitnah aufeinandertreffen, könnte eine Lösung sein – auf diese Weise würde eine Zwischenlagerung entfallen, so die Anregung aus dem Publikum.
Eine zentrale Information seitens der Sozialbehörde betraf die Auszahlungen. Zwar würden nun die ersten Geflüchteten über ein Bankkonto verfügen, trotzdem sei im Gegensatz zu anderen Gemeinden weiterhin eine Barauszahlung problemlos möglich. Werde ein Bankkonto eröffnet, sei die Kantonalbank aus Kostengründen der Raiffeisenbank vorzuziehen – gemäss Votum einer Anwesenden. Abschliessend der Hinweis zu den Krankenkassenpolicen: Diese würden nun nach und nach eintreffen, ebenso die Kärtchen, was aber etwas länger dauere, erklärte Aeschlimann. «Grundsätzlich sind die Flüchtlinge versichert. Müssen sie ohne Krankenkassenkärtchen zum Arzt, reicht auch die Police als Beleg.»

Die Situation in den Schulen

Markus Büsser von den Schulen Aadorf und Peter Meier, Leiter der Sekundarschule, informierten in der Folge über die Situation in den verschiedenen Klassen. Aktuell würden 16 Schüler den regulären Unterricht besuchen. Vier davon in Aadorf, deren zwei in Häuslenen und der Löwenanteil von zehn Kindern drückt in Ettenhausen die Schulbank. «Eine grosse Herausforderung für die Gemeinde; das Altersspektrum reicht vom Kindergarten bis in die 6. Klasse. Dadurch ist es fast unmöglich, eine separate Ukraine-Klasse zu bilden», wie Büsser ausführt. Wichtigstes Unterrichtsfach sei auch hier die deutsche Sprache, so würden die Schüler wöchentlich mit zwischen vier und sechs Lektionen pro Woche starten, integriert im normalen Schulalltag.
Die zentrale Frage, die sich Meier stellte, war jene nach der Verbleibdauer der Schülerinnen. Bis zu den Sommerferien dauere es nun noch zwei Monate und sein Hauptanliegen sei es, darauf zu achten, dass «die Kinder in eine Tagesstruktur kommen, damit sie sozialen Anschluss erfahren». Nach den Sommerferien gestalte sich die Situation neu, wenn Kinder aus der 6. Klasse in die Sekundarschule übertreten würden. Grundsätzlich bestehe in der Schweiz nach zwei Wochen Anwesenheit die generelle Schulpflicht, unabhängig vom Status der Person. Ob der Pflicht mit Anwesenheit im Schulzimmer oder dem Besuch eines Onlineunterrichts in der Heimat nachgekommen werde, oder in einer Kombination aus beidem, sei dabei nicht entscheidend, wie Meier informierte. Viele Jugendliche möchten das ukrainische Schuljahr, das bis Ende Mai dauert, gerne mittels Fernunterricht abschliessen, ein Wunsch, dem wo immer möglich entsprochen wird.
Fazit des Abends: Nach wie vor stehen viele Fragen im Raum. Aufgrund der unbekannten Situation entstehen zudem täglich neue. Die Behörden betonen einhellig, dass sich die Gastfamilien mit sämtlichen Anliegen jederzeit an die entsprechenden Stellen wenden dürften. Die Herausforderung sei schliesslich nur gemeinsam zu stemmen.

MARIANNE BURGENER

 


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