Wie weiter im Verhältnis Schweiz – EU?
07.09.2024 AadorfAm Dienstag fand im Restaurant Heidelberg das «Lunch@work» des Arbeitgeberverbands Südthurgau statt. Das Thema der Veranstaltung lautete «Bilaterale III: Wie geht es weiter?» – ein zentrales Anliegen für die Schweiz und ihre Zukunft in ...
Am Dienstag fand im Restaurant Heidelberg das «Lunch@work» des Arbeitgeberverbands Südthurgau statt. Das Thema der Veranstaltung lautete «Bilaterale III: Wie geht es weiter?» – ein zentrales Anliegen für die Schweiz und ihre Zukunft in Europa.
Die geografische und wirtschaftliche Nähe zur Europäischen Union (EU) spielt eine bedeutende Rolle für die Schweiz. Aufgrund der engen politischen und wirtschaftlichen Verflechtungen ist die EU unser wichtigster Handelspartner, und im Rahmen des bilateralen Weges sichert sich die Schweiz den Zugang zum EU-Binnenmarkt durch eine Reihe von Abkommen.
Philipp Lüscher, Präsident des Arbeitgeberverbands Südthurgau, eröffnete die Veranstaltung und begrüsste die Gäste sowie die Referentin Pascale Ineichen, Leiterin Wirtschaftspolitik und Kommunikation und stellvertretende Direktorin der Industrie- und Handelskammer Thurgau (IHK). Sie werde einen «umfassenden Überblick über die bisherigen Entwicklungen der bilateralen Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU» geben.
Ineichen erläuterte zuerst die Entstehung der Bilateralen Abkommen I, die 1999 abgeschlossen wurden und sieben zentrale Bereiche abdecken: Personenfreizügigkeit, Abbau technischer Handelshemmnisse, öffentliches Beschaffungswesen, Landwirtschaft, Forschung, Landverkehr und Luftverkehr. Diese Abkommen ermöglichten der Schweiz die Teilnahme am europäischen Binnenmarkt, während sie in klar definierten Bereichen das EU-Recht selektiv übernehmen musste, um sich den Marktzugang zu sichern.
Mit Bilaterale III die Position festigen
Die stellvertretende IHK-Direktorin ging anschliessend auf die Bilateralen II ein, die im Jahr 2004 die Zusammenarbeit auf weitere politische Bereiche ausweiteten. Diese umfassen die Schengen/Dublin-Abkommen, den automatischen Informationsaustausch, Betrugsbekämpfung, Abkommen zu verarbeiteten landwirtschaftlichen Produkten, Umwelt, Statistik, Ruhegehälter sowie Bildung und Berufsbildung. Sie betonte, wie wichtig Schengen/Dublin für die Sicherheit und Mobilität in der Schweiz sei. Diese zweite Phase der bilateralen Beziehungen sicherte der Schweiz Vorteile in Bereichen wie der inneren Sicherheit und ermöglichte den Zugang zu wertvollen EU-Programmen in Bildung und Forschung.
Der Schwerpunkt des Vortrags galt jedoch dem Blick in die Zukunft der bilateralen Beziehungen – insbesondere den aktuellen Verhandlungen zu den Bilateralen III. Diese neuen Abkommen sollen nicht nur bestehende Regelungen modernisieren, betonte Ineichen, sondern auch neue Themenbereiche wie Migration, Arbeitsmarkt und Lohnschutz umfassen. Die neuen Verträge würden eine entscheidende Rolle spielen, wenn die Schweiz ihre Position in Europa festigen wolle.
Die Verhandlungen stünden allerdings unter schwierigen Vorzeichen, mahnte Ineichen, da die Schweiz ihre Interessen wahren müsse, während sie gleichzeitig den Zugang zum europäischen Binnenmarkt sichern wolle. Insbesondere der Lohnschutz – ein zentraler Punkt für die Schweiz – könne in den Verhandlungen zu einem grossen Streitpunkt werden.
Die Teilnehmenden des Lunch@work beschäftigten dabei vor allem die Themen Migration und Arbeitsmarkt. Die Bedeutung der Personenfreizügigkeit, die es der Schweiz ermögliche, auf qualifizierte Arbeitskräfte aus dem EU-Raum zuzugreifen, wurde hervorgehoben. Doch bringe diese auch Herausforderungen mit sich hinsichtlich der sozialen Sicherungssysteme und des Lohnschutzes, die stark vom politischen Diskurs in der Schweiz geprägt seien.
Ineichen betonte, dass es für die Schweiz entscheidend sei, eine Balance zu finden: Einerseits die Vorteile der offenen Märkte nutzen, andererseits die Arbeitsbedingungen und den sozialen Frieden in der Schweiz sichern. Sie erklärte, dass es in naher Zukunft voraussichtlich zu einer Volksabstimmung über die Bilateralen III kommen wird. Die Schweizer Bevölkerung werde entscheiden, wie die Beziehungen zur EU gestaltet werden sollen.
Bedeutung für die regionale Wirtschaft
Philipp Lüscher dankte Pascale Ineichen für ihre fundierten Ausführungen und die klaren Analysen zur aktuellen Lage und den kommenden Herausforderungen. Die anschliessende Diskussionsrunde bot den Anwesenden die Gelegenheit, ihre Fragen und Bedenken einzubringen.
Diese Debatte drehte sich vor allem um die Zukunft der Personenfreizügigkeit und die Balance zwischen wirtschaftlicher Öffnung und sozialer Sicherheit. Die Notwendigkeit, den Zugang zu qualifizierten Arbeitskräften aus dem EU-Raum zu sichern, wurde ebenso betont. Die Frage, wie die Schweiz ihre Interessen in den Verhandlungen zu den Bilateralen III wahren und gleichzeitig ihren Zugang zum EU-Binnenmarkt sichern könne, stand im Mittelpunkt der Diskussion.
Der Präsident schloss die Veranstaltung mit einem Dank an alle Teilnehmenden ab. Er betonte die Wichtigkeit solcher Veranstaltungen, um die regionale Wirtschaft über zentrale Themen und Entwicklungen auf dem Laufenden zu halten und den Austausch zwischen den Unternehmen zu fördern.
EMANUELA MANZARI
Fazit: Konstruktive Zusammenarbeit erforderlich
Die Diskussion um die Bilateralen III zeigt, wie wichtig eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und der EU für die Zukunft des Landes ist. Der Zugang zum europäischen Binnenmarkt ist für die Schweizer Wirtschaft von zentraler Bedeutung, aber auch der Erhalt der nationalen Souveränität und der sozialen Sicherheit sind entscheidende Faktoren. Die Zukunft der bilateralen Beziehungen wird nicht einfach sein, aber durch konstruktive Verhandlungen und einen klaren Fokus auf die Interessen des Landes kann die Schweiz weiterhin erfolgreich in Europa agieren.