Wie es sich im Rentenalter leben lässt
20.05.2023 ElggWahrscheinlich wollen die wenigsten im Altersheim wohnen. Was muss Pflege gemeinsam mit anderen Anbietern erreichen? Ob die nötige Versorgung vor allem zu Hause fehlt oder sich Angebote ändern müssen, wurde kürzlich im Pflegezentrum Eulachtal heiss ...
Wahrscheinlich wollen die wenigsten im Altersheim wohnen. Was muss Pflege gemeinsam mit anderen Anbietern erreichen? Ob die nötige Versorgung vor allem zu Hause fehlt oder sich Angebote ändern müssen, wurde kürzlich im Pflegezentrum Eulachtal heiss diskutiert.
Grosse Begeisterung in der Cafeteria des Pflegezentrums Eulachtal: Der Vortrag «Wohnen im Alter» führte kürzlich zu zahlreichem Erscheinen. Kein anderer als WAK-Präsident Erich Wegmann (Genossenschaft Wohnen, Arbeit Kultur) organisierte den Abend voller neu geschaffener Erkenntnisse, für den natürlich die Direktorin der Pflege Eulachtal selbst, Maria Hofer-Fausch, sowie die weiteren Referenten an seiner Seite standen: Samuel Schwitter, Geschäftsführer (Gaiwo), Sonja Bisang, WAK-Vorstandsmitglied, Elsbeth Abegg Vorburger, Vorstand Verein Rundum.müli, und Robert Fretz (Genossenschaft Alterswohnungen Elgg).
Der Umzug im Alter ist hürdenreich, teuer, mit viel Arbeit verbunden und kommt immer «zu früh». Man schafft es ja irgendwie schon allein. Entscheidet man sich dafür, stellt man fest, dass es keine geeigneten Wohnungen gibt, wenig Möglichkeiten hat oder bereits zu spät ist. Welche Wohnprojekte könnten für ältere Menschen in Elgg interessant sein? Bevor die Ideen des Podiums vorgestellt wurden, meldete sich Bewohner Hans Jetter, der seit fast drei Jahren sehr zufrieden im Hause Eulachtal lebt. Als ältestes WAK-Mitglied teilte er dem Publikum mit: «Hier sitzen wir in einem Gebäude, welches letztes Jahr 40 wurde. Noch nie in meinem Leben hatte ich es so schön wie hier.» Über «seinen» Präsidenten hatte er ebenfalls liebe Worte zu verkünden: «Er ist der beste. Nicht nur weil er damals diese geniale Idee hatte, ein solches Konzept einzuführen.»
Maria Hofer-Fausch begann, die Vielfalt des Pflege- und Betreuungsangebots näher vorzustellen. Das Pflegezentrum mit 60 Bewohnerinnen und Bewohnern an der Vordergasse stelle derzeit noch ein klassisches dar. Das Kompetenznetzwerk, das über das Eulachtal bis nach Wiesendangen reicht, sei stets bemüht, neue Wege und Flexibilitäten zu finden. «Wir sind mitten im Dorf, noch zentraler ist nur die Kirche. Es ist ein Privileg, an diesem Standort eine Alterspflege zu besitzen.» 365 Tage offen, egal ob für Kaffee, Kuchen oder Feste, doch vor allem dann, wenn Unterstützung nötig ist. Kurze Wege für andere, wöchentlicher Mittagstisch, integrierte Tagesbetreuungen, um nicht zu Hause zu vereinsamen oder einfach nur um sich zu erholen oder den betreuenden Familien eine Auszeit zu schenken. Menschen, egal welchen Alters, die auf der Suche nach einer Beratung sind, dürfen sich jederzeit an die zentrale Anlaufstelle (ZAPF) wenden.
Mehr als nur ein Schlafplatz
Der Einzug in ein Pflegeheim fordert Umgewöhnung. Das ganze Haus zu räumen, dauert zu lange. Aus dem Eigenheim könnte plötzlich eine Einzimmerwohnung werden. Jahre allein gelebt – auf einmal Zimmerkamerad. «‹Wäre ich doch nur früher eingezogen›, hören wir ständig», begann Samuel Schwitter. Der Geschäftsführer von Gaiwo (Genossenschaft für Alters- und Invalidenwohnungen) setzt sich für erschwingliches und gemeinschaftliches Wohnen älterer Menschen ein. Mit gezielten Massnahmen möchte die Gaiwo auch sozial Schwächere unterstützen. «Viele stellen zu spät fest, dass es keine geeigneten Wohnräume gibt. Schieben Sie es nicht auf die lange Bank.» Wohnung mit Service: In 710 Wohnungen, bestehend aus 20 Siedlungen in Winterthur und Seuzach, umfassen sich Angebote, die zum altersgerechten Wohnen beitragen. Autonomie und Wohlbefinden soll den Mieterinnen möglichst lange erhalten bleiben. Interessenten dürfen sich gerne melden. Ein Genossenschaftskapital ist nicht nötig (Kontaktaufnahme siehe Infobox).
Für Einwohner mehr in Schrittnähe wäre folgendes Projekt: Elsbeth Abegg Vorburger stellte die WGs der Rundum.müli vor, die für ältere Personen kommenden Januar einzugsbereit sind. Das Haus der Untermühle soll ein Ort der Begegnung und des Austauschs werden. Über dem Müli-Bistro, Säli und «Chäller» befinden sich je eine Zweieinhalb- (102m2 für 1700.-/M.) und Fünfzimmerwohnung (135m2 für 2800.-/M.), die gemeinschaftliches Wohnen ermöglichen. Alle weltoffenen Menschen rund ums Rentenalter, die an einer neuen Lebensform interessiert sind, dürfen sich an den Verein wenden. Wenn Sie sich mit dem Projekt identifizieren können, vielleicht sogar unentgeltliche Hauswartungen übernehmen oder einen Nachmittag in die Rolle eines Baristas schlüpfen möchten, sind Sie ebenfalls herzlich Willkommen.
Steigende Bevölkerung, höhere Wohnungsnot
Als nächstes stellte Sonja Bisang das Wohnkonzept im «Cluster» vor, das englische Wort für Klumpen. Klingt unschön, hat mit einem Brocken allerdings nichts zu tun: kleine Mikroappartements, die sich auf einen Wohnbereich anhäufen. Ähnlich gebaut wurde bereits im 19. Jahrhundert. Die «Ein-Küchen-Häuser» sollten Hausfrauen entlasten und Ressourcen in andere Bereiche umsiedeln.
Warum würde man so leben wollen? Die steigende Bevölkerung nimmt immer mehr Platz in Anspruch, in Städten herrscht bereits Wohnungsnot. Eine verdichtete Bauweise wäre eine Lösung. Bewohner einigen sich auf einen Internetanbieter, teilen Küchengeräte und stehen im regen Austausch mit anderen. Wohnungsraum wird so bezahlbarer. Der Unterschied zu normalen WGs: höherer Lärmschutz dank dickeren Wänden, eigenes Bad oder sogar eine eigene kleine Küche. Clusterwohnungen sind in der Schweiz bereits zu finden. In Zürich gibt es Überbauungen mit teilweise über 200 Bewohnenden, die sich eigene Köche einstellen. Die Möglichkeiten im Cluster scheinen grenzenlos. Aus ehemaligen Fabrikhallen könnte solcher Wohnungsraum entstehen. Dafür wäre das Flächenangebot im Städtchen Elgg allerdings zu knapp.
Wie könnte das für Senioren aussehen? Gemeinschaftsküche, Mahlzeitendienst und kürzere Wege für die Spitex. Eine Vereinsamung wird so verhindert. In Aargau gibt es bereits altersbetreute Clusterwohnungen. Grössere altersfreundliche Überbauungen sind beispielsweise die Kalkbreite in Zürich oder die Kanzlei im naheliegenden Seen sowie der neue Bühlhof in der Altstadt Winterthurs.
«Ich hoffe, er wird für immer studieren»
Als nächstes stellte Robert Fretz das bekannte Haus zum Zirkel in Elgg vor, das 1995 baurechtlich erworben wurde und 18 behindertengerechte Alterswohnungen mit zwei bis fünf Zimmern (48–53m2) für Senioren und Behinderte beherbergen. In zentralster Lage befindet sich die Liegenschaft, eher für Einzelmieter geeignet, an der Rosenbergstrasse mit attraktiven Mietzinsen und der Bedingung eines Anteilscheins à 1000 Franken. Die Genossenschaft Alterswohnungen Elgg sucht dringend nach einem neuen Vorstandsmitglied. «Wir freuen uns über Ihr Interesse als Mieter und Genossenschafter», so Fretz. Könnten Sie sich vorstellen, dass jemand anderes ihre Wäsche wäscht? Sind im zunehmenden Alter mehr Ansprechpersonen für zu Hause nötig, oder wird im Cluster oder in einer WG wie der Rundum.müli gelebt? Die Bedürfnisse bleiben individuell. Welche Projekte könnte die WAK realisieren, welche laufend Anfragen bezüglich des Themas Wohnen im Alter erhält? Der Wunsch nach einem weiteren «Zirkel»-Haus war dem Publikum anzusehen.
Ein Mitglied der Pro Senectute meldete sich glücklich zu Wort und berichtete von einer Mischform, die ihre Stiftung anbietet: «Ein Student wohnt bei mir. Er bezahlt keinen festen Mietzins, betreut dafür im Gegenzug. Heute muss ich praktisch nichts mehr im Haus und Garten erledigen, seit zwei Jahren. Wir haben eine tolle Beziehung zueinander und ich hoffe, er wird noch ewig studieren.»
Weitere Alterswohnungen sind an der Obergasse zu finden. Bernhard Egg meinte in der Fragerunde abschliessend: «Die öffentliche Hand ist bereit dazu, solche Areale an Genossenschafter abzugeben.»
JULIA MANTEL
Kontakt
WOHNEN ARBEIT KULTUR, ELGG: info@wak-elgg.ch
Samuel Schwitter, Gaiwo, Winterthur: 052 266 06 70
Elsbeth Abegg Vorburger, Verein Rundum.müli, Elgg: rundummueli@mail.ch
Robert Fretz, Genossenschaft Alterswohnungen Elgg: 052 364 12 02
Zentrale Anlaufstelle Pflege Eulachtal (ZAPF): 052 368 51 66
zapf@eulachtal.ch