Wetterprognosen besser als der Stammtisch ahnt
17.10.2024 AadorfSkeptischen Stammtischen zum Trotz sind Wetterprognosen von MeteoSchweiz präziser denn je. Gerade in Aadorf zeigt sich, dass sie dank modernster Technik immer zuverlässiger werden.
«Diesen Meteorolügnern sollte man ihre Thermometer sonstwohin ...
Skeptischen Stammtischen zum Trotz sind Wetterprognosen von MeteoSchweiz präziser denn je. Gerade in Aadorf zeigt sich, dass sie dank modernster Technik immer zuverlässiger werden.
«Diesen Meteorolügnern sollte man ihre Thermometer sonstwohin stecken», donnert es vom Nebentisch. Selbst beugt man sich hungrig über eine Käseschnitte mit grünem Salat und spielt Mäuschen in der Aadorfer Quartierbeiz, an deren Stammtisch es hoch hergeht. Die Velofahrer, die E-Autofahrer, die keine Steuern zahlen, die Löhne von Krankenkassenbossen sind Themen, bevor man sich über das Wetter 2024 und schliesslich dessen Vorhersagen empört. «Werden immer schlechter», «stimmen nie», «kann mein Hund besser», «immer das Gegenteil ist richtig», schaukelt es sich auf, bis der eingangs zitierte Satz fällt – wobei das «sonstwohin» eine Körperteilbezeichnung ersetzt, welche hier nicht zitiert werden kann.
Aber stimmt es wirklich, was der Volksmund spricht? Oder eben nicht, nämlich die Wetterprognose?
Prognosen für Aadorf sind sehr genau
Gerade im Flecken Aadorf kann man das ziemlich genau beantworten. Denn im südlichen Ortsteil Tänikon, bei der landwirtschaftlichen Forschungsanstalt «Swiss Future Farm», betreibt das Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie, also MeteoSchweiz, eine seiner 257 Messstationen, die in der Schweiz kontinuierlich und vollautomatisch Wetter- und Klimadaten sammeln. Und auf der Website der eidgenössischen Wetterfrösche finden sich auch langjährige Messreihen zu «Klimadiagramme und Normwerte» sowie historischen Prognosen der einzelnen Stationen. Man kann also vergleichen.
MeteoSchweiz hat dies jüngst für den Zeitraum vom Herbst 2021 bis Sommer 2024 getan und die Prognosen mit den effektiv gemessenen Werten an den Wetterstationen verglichen. Auch für die Messstation im Hinterthurgau. Basierend auf dieser Auswertung lässt sich visualisieren: Die Vorhersage von Temperatur und Niederschlag für Aadorf und damit die umliegenden Dörfer ist im nationalen Durchschnitt sehr akkurat.
Bei den Temperaturen liegt die Vorhersage für den Folgetag durchschnittlich nur um ein Grad daneben. Bei den Dreiund Siebentage-Prognosen liegt die Abweichung bei 1,2 und 2,3 Grad. Damit liegt die Messstation auf Platz 78 der Rangliste am Ende des ersten Drittels.
Bei der Vorhersage der Niederschläge schneidet Aadorf/Tänikon im Vergleich zu den anderen Messstationen noch besser ab. Nur in 13,1 Prozent stimmt diese für den nächsten Tag nicht. Bei den Drei- und Siebentage-Prognosen liegt die Fehlerquote bei 16 beziehungsweise 29,6 Prozent. Nur 22 Prozent der Messstationen in der Schweiz schneiden da besser ab.
Vorhersagen werden immer besser
Grundsätzlich gilt: In der Schweiz werden die Wettervorhersagen immer besser. Das zeigt der Comfort-Index, mit dem MeteoSchweiz die Qualität seiner Prognosen misst. Der Index errechnet für Prognosen wie Messwerte einen Wert, der sich aus Minimal- und Maximaltemperatur, Niederschlag, Sonnenscheindauer und Wind an einem Tag zusammensetzt. Diese werden dann verglichen. Seit 2014 zeigt dieser Index, mit Ausnahme einer Periode um 2021, in der das Prognosesystem umgestellt wurde und justiert werden musste, eine kontinuierliche Verbesserung der Wettervorhersagen.
Eine Fünftages-Prognose ist heute ungefähr so gut wie eine Dreitages-Prognose vor zehn Jahren. Im Vergleich zu Prognosen vor 30 Jahren ist die Verbesserung noch eklatanter: Die Viertages-Vorhersage ist heute so treffend wie in den 90er-Jahren jene für den nächsten Tag.
Auch in den nächsten Jahren soll sich dieser Trend fortsetzen. Diesen Sommer hat MeteoSchweiz mit ICON ein neues, innovatives Wettermodell in Betrieb genommen. Es ersetzt das bisher genutzte COSMO und, so der nationale Wetterdienst, «steigert die Zuverlässigkeit und Effizienz der meteorologischen Prognosen in der Schweiz». Zudem läuft ICON auf neuen, verteilten Supercomputern des Centro svizzero di calcolo scientifico (CSCS), die «nahezu unbegrenzte Rechenleistung» bieten.
Ganz genau geht nicht
Eine hundertprozentige Trefferquote allerdings, die darf man nicht erwarten. Zu komplex sind das Geschehen in der Atmosphäre und die Landschaft, über welche die Luftmassen über Hunderte Kilometer wandern, bis sie hier in den nächsten Tagen das Wetter bestimmen.
Schon geringste Abweichungen in Temperatur, Druck, Windstärke und -richtung oder Feuchtigkeit ergeben verschiedene Vorhersagen für einen bestimmten Ort – zum Teil komplett unterschiedliche – je weiter in der Zukunft, je grösser die Bandbreite.
Entdeckt hat dieses Phänomen vor gut sechzig Jahren der US-Meteorologe Edward Lorenz, als er ein einfaches Wettermodell auf seinem Computer simulierte. Aus Bequemlichkeit beschloss er, vor einem weiteren Durchlauf einen Wert von 0,506127 auf 0,506 abzurunden. Das Resultat wich so stark vom vorherigen ab, dass Lorenz erkannte, dass auch geringfügigste Änderungen der Ausgangsbedingungen das Ergebnis einer Prognose massiv beeinflussen. Das Bild des «Schmetterlingseffekts» und die Chaostheorie waren damit geboren.
Den unkenden Stammtisch, der trotz guter Vorhersage am Montag bei der Wochenend-Wanderung verregnet wurde, mag diese Kunde wohl nicht besänftigen. Aber ihm sei in Erinnerung gerufen, was der grosse amerikanische Journalist und Autor Mark Twain in einem solchen Moment gesagt haben soll: «Prognosen sind schwierig, vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen.»
MARKUS KOCH
Messstation Tänikon: www.meteoschweiz.admin.ch/service-und-publikationen/ applikationen/messwerte-und-messnetze.html#station=TAE
Klimadiagramme: www.meteoschweiz.admin.ch/service-und-publikationen/ applikationen/ext/climate-climsheet.html
Die besten Wetter-Apps
MeteoSwiss
Die App des nationalen Wetterdienstes MeteoSchweiz informiert über Wetterveränderungen und Gefahren am aktuellen Standort (Hagel, Hochwasser, Lawinen, Waldbrände etc.), Pollenentwicklung, UV-Strahlung und Luftqualität.
SRF Meteo
Die klassische Wettervorhersage steht bei der App von SRF Meteo im Zentrum. Dazu gibts Videos und Artikel zu Hintergrundthemen. Im Alpenraum sind zahlreiche Live-Kameras abrufbar.
Landi Wetter
Die Landi-App ist aufs Wesentliche ausgerichtet – Temperatur und Niederschlag – und deshalb sehr übersichtlich. Die Prognosen basieren auf Daten von Meteonews und werden dreimal täglich aktualisiert. Das Regenradar gilt als sehr genau.
Meteoblue
Entwickelt von einem Spin-off der Universität Basel, deckt Meteoblue die Welt ab und kombiniert verschiedene Wettermodelle. Die «Where2Go»-Funktion findet Orte im Umkreis mit dem besten Wetter.
Alle Smartphone-Apps sind kostenlos zum Download verfügbar in den App-Stores für Android und Apple.