«Wer informiert uns?» – Fachrunde diskutiert Medienwandel
18.11.2025 Aadorf
Beim Anlass «Halt die Presse!» im Kleinkunstsaal Aadorf diskutierten Medienprofis über Vertrauen, Social Media und die Zukunft des Journalismus. Die Podiumsrunde bot pointierte Einblicke in Chancen und Risiken der heutigen Nachrichtenwelt.
Im Rahmen der ersten Lesestadt ...
Beim Anlass «Halt die Presse!» im Kleinkunstsaal Aadorf diskutierten Medienprofis über Vertrauen, Social Media und die Zukunft des Journalismus. Die Podiumsrunde bot pointierte Einblicke in Chancen und Risiken der heutigen Nachrichtenwelt.
Im Rahmen der ersten Lesestadt Aadorf fand am Donnerstagabend im gut besetzten Kleinkunstsaal der Anlass «Halt die Presse!» statt. Moderiert wurde die Diskussion von Sabrina Bächi, Journalistin und Leiterin des Ressorts Kanton Thurgau bei der «Thurgauer Zeitung». Auf dem Podium diskutierten Jan Isler aus Sirnach, Lokaljournalist bei REGI, der Aadorfer Social-Media-Experte Thomas Hutter sowie die Ettenhausener NZZ-Reporterin Katharina Bracher.
Herausforderungen des Lokaljournalismus
Gleich zu Beginn zeigte sich: Die Mediennutzung verändert sich rasant. «Ich bin ein bisschen im News-Junkie-Modus», sagte Katharina Bracher lachend – und gab zu, abends gut zwei Stunden Nachrichten zu konsumieren. Gleichzeitig betonte sie: «Gedruckte Zeitungen haben weiterhin Wert – Glaubwürdigkeit lässt sich nicht einfach digital kopieren.»
Auch Jan Isler unterstrich die Bedeutung lokaler Berichterstattung. «Wenn die Aadorfer Bevölkerung über den Neubau ‹Campus Löhracker› abstimmt oder ein Verein Jubiläum feiert – darüber wird gesprochen. Das Lokale bleibt wichtig», sagte er. Die Herausforderung bestehe darin, Woche für Woche genügend relevante Geschichten zu finden: «Hundert Ausgaben im Jahr verlangen Kreativität und Herzblut.»
Junge Leser gewinnen
Ein zentrales Thema war, wie man jüngere Menschen wieder stärker für Regionalzeitungen interessiert. Hutter erklärte, dass jüngere Leser fast ausschliesslich Bewegtbild konsumieren: «Bei den jungen ist praktisch alles TikTok oder Instagram – das geht schnell.» Bracher ergänzte: «Die Reportage hat immer noch ihre Berechtigung, aber man muss Inhalte für Social Media anders aufbereiten, etwa in kurzen Videos oder Teasern, die auf längere Artikel hinweisen.» Um junge Menschen wieder an die Zeitung heranzuführen, diskutierten die Podiumsteilnehmer interaktive Formate, multimediale Inhalte und kurze Social-Media-Clips, die neugierig machen sollen, aber nicht die journalistische Tiefe ersetzen.
Social Media: Chance oder Risiko?
Moderatorin Bächi griff die häufige Kritik auf, soziale Medien könnten die Demokratie gefährden. Thomas Hutter widersprach: «Social Media zerstört keine Demokratie. In Ländern ohne Pressefreiheit sind diese Kanäle oft die einzige Möglichkeit, Informationen zu teilen.»
Gleichzeitig warnte er vor den Risiken: «Jeder kann senden – und viele senden Desinformation.»
Hutter erläuterte die Dimension: «Auf Facebook reden wir von rund fünf Milliarden Beiträgen am Tag. Das kann niemand vollständig kontrollieren.» Zwar arbeiteten Plattformen mit Faktencheckern, doch die Masse erschwere wirksame Moderation. Für Bracher bleibt deshalb zentral, dass seriöse Medien sichtbar bleiben: «Wir müssen zeigen, wie wir arbeiten, warum wir gewisse Entscheidungen treffen und was es heisst, sauber zu recherchieren.»
Zukunft der Regionalmedien
Am Ende der Podiumsdiskussion wurde eine Umfrage durchgeführt. Sie zeigte, dass die Mehrheit der Teilnehmenden Nachrichten zwar konsumiert, sich aber selten aktiv einbringt. Interessanterweise lesen die meisten noch lieber Tageszeitungen als Social Media, und internationale sowie nationale Nachrichten stehen für sie noch vor den regionalen. «Social Media ist praktisch, aber die Glaubwürdigkeit einer Zeitung ersetzt sie nicht», bemerkte Bracher.
Die Perspektiven regionaler Medien sahen alle Podiumsgäste optimistisch: «Wenn man die Altersschichten betrachtet, zeigt sich, dass lokale Medien für Familien besonders relevant sind: Sie erfahren, was in den Schulen passiert und welche Angebote es vor Ort gibt – diese Bedeutung wird auch in Zukunft bestehen», meinte Jan Isler. Thomas Hutter ergänzte: «Journalismus lebt, solange es genügend Abonnenten und Unternehmen gibt, die Inhalte mittragen.» Denkbar seien künftig auch neue Finanzierungsmodelle – etwa Beiträge von Gemeinden oder Stiftungen. «Aber die Unabhängigkeit muss gewahrt werden.»
Im Umbruch
Nach einer Fragerunde aus dem Publikum bedankte sich das OK, vertreten durch Vorstandsmitglied Andri Rostetter, bei den Gästen und Mithelfenden. Beim anschliessenden Apéro wurde weiterdiskutiert: über personalisierte Newsfeeds, künstliche Intelligenz – und die Frage, wie man heute verlässliche Informationen findet.
Der Abend zeigte: Die Medienwelt ist im Umbruch, doch der Bedarf nach Orientierung und gut gemachtem Journalismus ist ungebrochen. Oder wie es Katharina Bracher formulierte: «Regionalmedien haben eine Daseinsberechtigung – und sie werden sie behalten, wenn sie nahe bei den Menschen bleiben.»
SARAH STUTTE


