Wenn Kindheitsträume in Erfüllung gehen
21.02.2023 HeurütiSie sind schreckhaft und leben gerne im Rudel: Damhirsche. Vor dem Eindringen anderer Lebewesen geschützt, sind sie auf dem Küpferhof beheimatet. Ein langersehnter Wunsch für Jonas Küpfer – aus heiterem Himmel übernahm er seine Hirsche aus dem bekannten ...
Sie sind schreckhaft und leben gerne im Rudel: Damhirsche. Vor dem Eindringen anderer Lebewesen geschützt, sind sie auf dem Küpferhof beheimatet. Ein langersehnter Wunsch für Jonas Küpfer – aus heiterem Himmel übernahm er seine Hirsche aus dem bekannten Wildpark, der nicht weit von hier entfernt liegt.
Die Anzahl tierischer Bewohner ist hier um ein Vielfaches höher als die ihrer Verantwortlichen. Bloss drei Bauernhöfe befinden sich zwischen dem Schauenberg und dem Städtchen elgg. Weiter oben, in Heurüti, wohnt Familie Küpfer, die bereits seit fünf Generationen zu den wenigen Landwirten auf dem Hügel gehört. Sein Urgrossvater zog damals, 1902, aus dem Bernbiet auf den Hof. Seit dem 1. Januar letzten Jahres hat der «Jäger» Jonas Küpfer auf dem Anwesen das sagen. Nebst dem Ackerbau, den Pferden, Schafen, Rindern und der Fleischproduktion kümmert sich der 31-Jährige seit noch nicht allzu langer Zeit auch um Damhirsche. In freier Wildbahn ist diese Hirschart hierzulande nicht vertreten. Der gebürtige Elgger gehört mit etwas über 80 anderen Damhirschhaltern zur überschaubaren Anzahl an Betrieben der Schweiz. In einem Gehege von 2,1 Hektaren lassen über 30 davon täglich ihren Bewegungsdrang im kleinen Heurüti aus. Die Tiere sind auch in der Natur auf parkähnlichen Landschaften unterwegs.
Da sie die Mutterkuh nicht annahm, wurden drei Jungtiere mit der Flasche aufgezogen. Aurelia, Vaiana und Bambi sind überaus zutraulich und neugierig. Eigentlich gelten Damhirsche als Fluchttiere. Eins davon kam erst im September auf die Welt. Die ersten Tage nach der Geburt bleiben Damhirsche liegen und sind geruchlos, damit ihr eigener Duft sie nicht Feinden verrät. Mit etwa zwei Jahren sind die Tiere erwachsen und werden bis zu 15 Jahre alt.
Es war nicht seine Entscheidung
Es sprach sich nicht nur in Heurüti herum, dass Jonas Küpfer bereits als kleiner Bub von der Hirschhaltung träumte. Vor wenigen Jahren war er mit Reparaturarbeiten im Bruderhaus beschäftigt. Der Park rüstete um und löste sein Damhirschgehege auf. Als er als ahnungsloser Zaunarbeiter zugange war, galt er sogleich als Landwirt, der die Hirsche später übernehmen wird. Man könnte von Schicksal sprechen. Es dauerte nicht lange, bis 2018 eine Bande von Hirschen von Winterthur nach Heurüti zog. Sein Traum wurde von allein wahr. Komplizierter gestaltete sich die Sache mit den Ämtern. Damhirschhalter brauchen eine Bewilligung und fachspezifische Ausbildung. Ausserdem müssen 300 Stunden Erfahrung im Umgang mit dem Tier nachgewiesen werden. Für sein Gehege war eine Baubewilligung nötig. Bedauerlicherweise verlangte das Veterinäramt die Halterbewilligung für Damhirsche, bevor überhaupt gebaut werden durfte. Als man die Sinnfreiheit schliesslich erkannte, konnte mit den Stallarbeiten endlich begonnen werden.
Morgens und abends werden die Damhirsche gefüttert. Sie haben hohe Ansprüche und essen nur den feinsten Teil des Heus. Die vielleicht etwas heiklen Wesen lieben Äpfel. Brot ist mit Vorsicht zu geniessen. Da es innen schnell schimmlig wird, sollte es für Tiere in möglichst klein geschnittenen Stücken getrocknet werden. An das Hinweisschild «Bitte nicht füttern» darf man sich auch auf dem Küpferhof gerne halten. Ansonsten verliert ein Bauer schnell die nötige Ernährungsübersicht.
In der Brunftzeit Mitte Oktober weist ein verlangendes Geschrei des Männchens daraufhin, dass es nach Damen Ausschau hält. Es ist Paarungszeit. Falls es im Sommer zu Zwillingen kommt, besteht die Gefahr, dass die Mutter ein Junges abstösst, weil sie nicht genug Milch für beide hat. Die Tiere werden beim Küpferhof mit etwa eineinhalb Jahren für die Fleischproduktion freigegeben. Jonas Küpfer erledigt in der hofeigenen Metzgerei alles selbst. Gegen Herbst wird am meisten geschossen, zur Wildsaison. Doch Wild ist beim Küpferhof ganzjährig erhältlich. Seine Fleischware landet im «Hofwägeli», am Elgger Markt und gelangt bis in die Restaurants. Es gibt Reh-, Hirsch-, Wildschwein- und Rothirschfleisch aus dem Tösstal, geräucherte Sachen wie die beliebten Mostbröckli und viele andere Produkte. Küpfer meint: «Ich bedanke mich bei all meinen Stammkunden, die auch ausser Saison Wild essen.»
JULIA MANTEL