Wenn einer eine Reise tut …
27.09.2025 Elgg… dann kann er was erzählen. So formulierte bereits Matthias Claudius im 18. Jahrhundert. Viel zu erzählen wissen auch die Studienreisenden, welche sich am Samstag, 6. September auf den Weg Richtung Siebenbürgen machten.
Die diesjährige Studienreise der ...
… dann kann er was erzählen. So formulierte bereits Matthias Claudius im 18. Jahrhundert. Viel zu erzählen wissen auch die Studienreisenden, welche sich am Samstag, 6. September auf den Weg Richtung Siebenbürgen machten.
Die diesjährige Studienreise der Kirchgemeinde Eulachtal führte nach Rumänien, genauer gesagt nach Siebenbürgen, ein Gebiet, in dem noch immer die deutschsprachigen Sachsen beheimatet sind. Dank der kundigen Leitung durch Hans-Peter Mathes, geboren und aufgewachsen in Hermannstadt, und Stefan Gruden, Pfarrer in unserer Kirchgemeinde, erfuhren wir viel über Land und Leute, über Geschichtliches, Kulturelles und Kirchliches in dieser Gegend Rumäniens. Durch seine Vertretung von Pfr. Stefan Gruden während dessen Sabbatical ist Hans-Peter Mathes in unserer Kirchgemeinde kein Unbekannter.
Bereits am Sonntag erlebten wir einen ersten Höhepunkt. Unsere Reiseleiter führten uns in die ehemalige Zisterzienserabtei von Kerz. Das Kloster ist heute verfallen, nur der ehemalige Chor der Kirche wurde wieder restauriert. Dort durften wir einem eindrücklichen Gottesdienst beiwohnen, mit der musikalischen Begleitung unserer Organistin Marianne Yersin, welche die alte Orgel aufs Wunderschönste erklingen liess. Im Anschluss bewirtete uns die Kirchgemeinde mit Köstlichkeiten aus der Region. Dabei durfte «Gebranntes Wasser» nicht fehlen. In Rumänien ist es üblich, quasi als Apero, ein Schlücklein Schnaps zu geniessen. Manchmal werden es auch deren zwei. «Noroc», übersetzt «Glück», ist das rumänische Pendant zu «Prost» (das man sich in Rumänien allerdings nicht zusprechen sollte, bedeutet es doch auf Rumänisch «blöd» oder «dumm»).
Hermannstadt – Sibiu
Am nächsten Tag führte uns Reiseleiter Hans-Peter zusammen mit seinem langjährigen Schulfreund Andreas durch seine Heimatstadt. Wir hörten, wie sie im Gymnasium gemeinsam die Schulbank drückten, entdeckten das Geburtshaus unseres Reiseleiters und erfuhren, in welch einfachen Verhältnissen die Leute damals gelebt haben. Sibiu ist heute eine pulsierende Stadt, die Altstadt autofrei und voller Leben. Cafés säumen die grossen Plätze, unzählige Eisbuden bieten ihre Köstlichkeiten an und auf dem Gemüsemarkt finden sich viele einheimische Produkte.
Brachland und agro-kulturelle Visionen
Auf der Durchreise per Car fielen uns die vielen unbebauten Ackerflächen auf. Offensichtlich importiert Rumänien einen Grossteil seiner Lebensmittel aus dem Ausland, trotz der reichhaltigen, leider ungenutzten Böden. Nichtsdestotrotz hat sich ein umtriebiger Visionär zum Ziel gesetzt, in Rumänien Landwirtschaft und Gastronomie mit einheimischen Lebensmitteln wieder auf Vordermann zu bringen. Auf seinem Gut, einer Fischzucht, mit Bäckerei und Metzgerei, samt Restaurant, machten wir Halt, genossen ein köstliches Mittagessen und hörten seinen visionären Gedanken zu.
Kirchenburgen und kirchliche Bauten
Kirchenburgen, viele davon mittlerweile auf der Weltkulturliste der UNESCO, wurden seinerzeit gebaut, um die Angriffe feindlicher, vorwiegend türkischer und tatarischer Heere abzuwehren und der einheimischen Bevölkerung Zuflucht und Schutz zu bieten. Eine kuriose Besonderheit: In der Kirchenburg zu Biertan existiert das sogenannte Scheidungszimmer. Darin wurden zerstrittene Ehepaare eingesperrt, mit Geschirr für lediglich eine Person, einem schmalen Bett, um die beiden wieder dazu zu bringen, gemeinsam einen Weg zu finden. Beeindruckend auch die kleinen Wohneinheiten für die geflüchteten Familien. Auf der Kirchenburg Michelsberg hörten wir von einem Brauch, der angeblich bis ins 19. Jahrhundert gepflegt wurde. Jeder junge heiratswillige Mann musste einen runden Stein, einen sogenannten Trovanten, in den Burghü- gel hinaufstemmen. Einerseits konnte er so seine Männlichkeit unter Beweis stellen, andererseits leistete er einen Beitrag für die Verteidigung bei einem allfälligen feindlichen Angriff. Um den Feind zu vertreiben, liess man die grossen Steine mit Wucht wieder den Berg hinunterrollen.
Erstaunlich die verschiedenen Glaubensrichtungen, die mit viel Toleranz ihre Überzeugung leben. In Hermannstadt besuchten wir einige Kirchen anderer Glaubensrichtungen, von der evangelisch-lutherischen Gemeinschaft bis zur katholisch geprägten Kirche und der prächtigen orthodoxen Kathedrale. Ein religiöses Zusammengehen ohne Rivalität. So hat es die Berichterstatterin auf jeden Fall empfunden.
Ein weiterer Höhepunkt war der Besuch des Klosters Sambata de Sus, dem wichtigsten rumänisch-orthodoxe Wallfahrtsort in Siebenbürgen. Die weitläufige Klosteranlage wurde seinerzeit in altem Stil neu errichtet und1993 eingeweiht. Inzwischen bietet das Kloster auch Seminare mit Themen wie Spiritualität, Kultur und Kunst an. Zudem befindet sich hier ein Brunnen mit Heilwasser, mit dem wir uns erquicken durften. Ob sich allfällige Gebresten nach dem Genuss des Tranks verabschiedet haben, blieb offen.
Musik und Gesang
Ein grosses Anliegen unseres Reiseleiters war die Musik. Immer wusste er das passende Lied zur passenden Gelegenheit anzustimmen. Ein besonderes Highlight unserer Reise war die Orgelführung samt Konzert in der Schwarzen Kirche von Kronstadt. Der Organist und Kantor Steffen Schlandt, ein begnadeter Musiker, zog sämtliche Register und verzauberte uns mit seiner Virtuosität und dem vollen Klang verschiedener Orgeln.
Auch die Darbietung alter siebenbürgischer Volkslieder durch das Folkloreensemble der Hermannstädter Sachsen, angeleitet von der Cousine Hans-Peters, hat die Reisenden berührt. Nach dem Konzert griff Letzterer eigenhändig in die Saiten und beglückte die Gastgeberinnen mit dem Schweizer Volkslied «S’isch mer alles ei Ding»! Singen verbindet! Wo man singt, da lass dich ruhig nieder…
Abschied
Ein gemeinsamer Gottesdienst in der Evangelischen Stadtpfarrkirche von Hermannstadt, in Deutsch und Rumänisch gehalten, bildete den Schlusspunkt unserer Reise. Der Schulbeginn wird hier feierlich begangen, Schülerinnen und Schüler finden sich zusammen zum gemeinsamen Singen, Kinder und Lehrpersonen werden gesegnet, damit sie mutig ins neue Schuljahr einsteigen können. Bei einem köstlichen Mittagessen, selbstverständlich von einem Gläschen Gebranntem begleitet, wünschten wir uns gegenseitig «noroc», ein Prosit auf die rumänische Gastfreundschaft.
Nach einer eindrücklichen, emotional bewegten Woche mussten wir schon viel zu bald wieder Abschied nehmen, vollgepackt mit vielen, unvergesslichen Eindrücken einer wunderbaren Reise. Es gäbe noch viel zu erzählen …
An dieser Stelle ein grosses Dankeschön an die fürsorgliche, umsichtige und kompetente Reisebegleitung durch Hans-Peter Mathes und Stefan Gruden und an alle, die diese abwechslungsreiche Reise ermöglicht haben.
CHRISTA HUG