Wegschauen war keine seiner Eigenschaften

  07.07.2022 Elgg

Wie momentan vielen Kommissionen und Behörden, stand auch der Sekundarschulpflege ein Wechsel bevor. So überliess der bisherige Präsident Res von Ballmoos nach sechs Jahren seiner Nachfolgerin Bettina Brennwald die Wirkungsstätte im Ritschberg, um sich künftig anderen Dingen zuzuwenden.

Die Karriere des Abgetretenen weist einige berufliche Stationen in der Region auf. So war der an der Universität Zürich ausgebildete Sekundarlehrer an verschiedenen Schulen als Lehrer sowie Schulleiter tätig und führte in dieser Funktion in Seuzach das Konzept der Lernlandschaften ein, für das er von einem angesehenen Bildungsforscher gar Bestnoten erhielt. Die Sek Elgg führte er souverän und unaufgeregt; nun ging Res von Ballmoos nach acht Jahren in der Schulpflege, davon sechs als deren Präsident, definitiv in Pension und möchte sich seinen Alltag künftig etwas ruhiger, oder zumindest anders, gestalten.

Frage: Per 30. Juni haben Sie das Amt als Präsident der Schulpflege Elgg Ihrer Nachfolgerin übergeben. Ihre Lehrertätigkeit in Seuzach mit der ordentlichen Pensionierung vor zwei Jahren – wie wird der neue Alltag aussehen?
Antwort: Nicht viel anders. Dadurch, dass ich vor zwei Jahren als Lehrer aufhörte, konnte ich mich bereits gut umgewöhnen. Das Präsidium hat vielleicht ein 10- bis 15-Prozent-Pensum in Anspruch genommen, mehr nicht. Es wird also nicht plötzlich eine grosse Leere in mein Leben treten. Am meisten freue ich mich einfach darauf, keine Termine mehr zu haben; fast 40 Jahre lang lebte ich nach Stundenplan. Die letzten zwei noch mit Sitzungen, Aussprachen und Anlässen – jetzt ist auch damit Schluss.

Tapetenwechsel sind wichtig

Ein Blick in Ihre berufliche Vergangenheit zeigt einige Stationen in der Region auf. Hat das einen bestimmten Grund?
Ich machte einfach das, was ich allen nur raten kann – ein Tapetenwechsel ist immer sehr zu empfehlen. Bei der Einführung des Schulleitungskonzepts 2009 war ich Lehrer hier an der Sek Elgg. Ich verspürte den Wunsch, mich in diese Richtung zu entwickeln. Der Schulleiter ist der Vorgesetzte der Lehrpersonen; als Kollege die Rolle des Vorgesetzten wahrzunehmen, stösst nicht immer auf Akzeptanz – aus diesem Grund habe ich die Herausforderung in Seuzach angenommen. Nach Elgg zurückgehrt bin ich dann erst wieder in der Funktion des Schulpräsidenten. Als solcher beschäftigt man sich mit Bau- und Personalfragen oder mit Finanzplanung. Ein wichtiger Punkt ist sicher die strategische Ausrichtung der Institution. Viele dieser Aufgaben passieren mit der Schulpflege und oft mit der Schulleitung gemeinsam. Weitere Punkte auf der Agenda des Präsidenten sind eher emotionaler Art – seien dies sonderschulische Massnahmen oder generell «schwierige Situationen». Situationen, die aus den Klassen, der Lehrer- oder Elternschaft heraus eskalieren, in die schaltet sich das Präsidium ein.

Haben diese sonderschulischen Massnahmen in den letzten Jahren zugenommen?
Nein, finde ich nicht. In meinen 40 Jahren schulischer Tätigkeit lässt sich feststellen, dass es ab und zu Wellen gab, aber weder eine konstante Zu- noch Abnahme. In einer kleinen Gemeinde wie der unsrigen, braucht es zwei neue Kinder mit besonderen Bedürfnissen und daraus wird dann halt schon eine «grössere Sache». Auffallend allerdings die Zunahme an Depressionen, Schulverweigerungen oder anderen psychischen Schwierigkeiten. Die Gesellschaft verändert sich grundlegend und überall.

Sie erklärten in Ihrer letzten Gemeindeversammlung, dass das Schulmodell A, B und C ausgedient habe und ebenfalls pensioniert werden sollte. Was wäre eine bessere Lösung?
Diese strikte Einteilung nach der 6. Klasse in die drei Stufen empfinde ich tatsächlich als überholt. Das zeigt sich schon daran, dass die Stufe C bedeutungslos geworden ist. Auch gegenüber der herrschenden Zweiteilung gibt es neuere, modernere Modelle, die besser auf die Bedürfnisse der Schüler und Schülerinnen zugeschnitten sind. Ich denke da an eine Individualförderung. Ich hatte immer schon klare Vorstellungen, wie eine Oberstufenorganisation aussehen sollte und konnte in Seuzach einiges davon auch umsetzen. Hier in Elgg sind die Schülerzahlen kleiner und daher gibt es viele gemeinsame Fächer, die stufenübergreifend besucht werden. Daher ist hier der Reformbedarf viel geringer.

Das System ist starr und veraltet

Dass Res von Ballmoos die gesellschaftlichen Entwicklungen immer schon sehr aufmerksam verfolgt und sich ihnen nie verschlossen hat, zeigt sich nicht nur in der Entwicklung und Einführung der Lernoasen und des stufendurchmischten Lernens, sondern auch in seinem Regelwerk zum Umgang mit Tabak und Alkohol auf dem Schulareal durch die Schülerschaft 2007. Wegschauen war nie eine seiner Eigenschaften, sondern Akzeptanz und ein konstruktiver Umgang mit Veränderungen. Seine Umtriebigkeit habe immer zu ihm gehört – als Lehrer, Schulleiter und Präsident. Er habe stets reformpädagogische Weiterbildungen besucht und sei nie stehen geblieben, wie er betont. Den Lehrermangel wälzt er auf ein starres, veraltetes System ab, das sich seit 1832, seit der Einführung der Volksschule, kaum verändert hat. Noch immer hätten wir heute eine Klasse in einem Zimmer und einen Lehrer als Einzelkämpfer frontal – 40 Jahre lang. Kein Wunder, würden Lehrpersonen ausbrennen. Erst ganz langsam würden sich neue Lehr- und Lernmodelle etablieren.

Res von Ballmoos, was möchten Sie Bettina Brennwald auf den Weg mitgeben?
Sicher nichts im Sinne von «mach dies oder das». Die Sek Elgg ist gut aufgestellt und unterwegs. Unterrichts- und schulentwicklungsmässig gibt es jedoch noch etwas Luft nach oben. Nach Corona besteht Nachholbedarf in Sachen Weiterbildung. In die Digitalisierung wurde viel investiert, nun sollte dies in der Entwicklung des Unterrichts geschehen.

Welches war die grösste Klippe, die Sie mit der Sek Elgg in ihrer Amtszeit umschiffen mussten?
Es ist uns sehr gut gelungen, den Generationenwechsel im Lehrerkollegium zu vollziehen. Was an anderen Schulen für grosse Unruhe sorgte, ist bei uns gut über die Bühne gegangen. Wir hatten teilweise langjährige Lehrpersonen die altersbedingt ausgeschieden sind. An ihre Stelle sind junge oder sogar sehr junge Kräfte getreten. Das jetzige Team ist gut durchmischt und hat sich sehr gut zusammengefügt.

Sie sind Mitglied der Soso Elgg. Der Verein steht für ein sachliches, offenes und solidarisches Miteinander ein. Bleiben Sie dort weiterhin aktiv?
Ich war nie ein sehr aktives Mitglied über meine Arbeit in der Schule hinaus. Mein Fokus ruhte stets auf der Sekundarschule. Immerhin bilde ich mir ein, davon etwas zu verstehen (lacht); da konnte ich einen Beitrag leisten. Das politische Geschehen habe ich eher aus der Ferne beobachtet, das bleibt auch so.

Welches grössere Vorhaben werden Sie als Rentner als erstes umsetzen?
Wir planen eine Reise nach Australien. Überhaupt werden wir vermehrt reisen und vor allem dann, wenn keine Schulferien sind.

Eine Reise ans andere Ende der Welt ist ein gutes Vorhaben und der perfekte Start in den neuen Lebensabschnitt – die «Elgger/Aadorfer Zeitung» bedankt sich bei Res von Ballmoos für das Interview und wünscht ihm für die Reise nach Down Under und die Zeit danach alles Gute.

TEXT UND INTERVIEW: MARIANNE BURGENER


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