Was für ein Theater
12.10.2023 ElggKürzlich öffnete die Bibliothek Elgg die Türen für eine fantastische Geschichte mit Büchern, Herz und Humor. Das Theaterstück, das Simon Berger und Rahel Imboden vom «Theater zur Waage» eigens für die Bibliothek geschrieben haben, feierte vor ...
Kürzlich öffnete die Bibliothek Elgg die Türen für eine fantastische Geschichte mit Büchern, Herz und Humor. Das Theaterstück, das Simon Berger und Rahel Imboden vom «Theater zur Waage» eigens für die Bibliothek geschrieben haben, feierte vor begeistertem Publikum Premiere.
Als das Hauptlicht ausging und Simon Berger sich als Bibliothekar Emil Heuss vor dem Publikum an den Tisch setzte, waren alle gespannt, was sie nun erwartet. Kurz darauf betrat Rahel Imboden die Bibliothek und nahm auf einem knarrenden Holzstuhl Platz. Imboden begann: «Dr Bibliothekar Emil Heuss sitzt a sim Arbeitsplatz. Äs isch Fritignamitag. Im überheizte Saal het sich en schlöfrige Rueh breit gmacht. Amigs ghört me z’Raschle vo Site und z’Töggele uf ere Taschtatur.»
Die erste Figur in der Geschichte, die die Bibliothek betritt, ist die kleine Sina. Sie wird von der Erzählerin Imboden mit Stimme und Haltung interpretiert. Sina bringt Herrn Heuss einen etwas in Mitleidenschaft gezogenen Asterixband zurück. Und dann fällt aus diesem auch noch der Obelix. Ob Sina diesen ausgeschnitten hat? Stimme und Worte erwecken Sina zum Leben: «Hoi, Herr Heuss.» Worauf der Bibliothekar antwortet: «Grüezi Herr Heuss, heisst das, nöd Hoi Herr Heuss, gäll...»
Vielschichtig aufgebaut
Das Theater ist vielschichtig aufgebaut. Zum einen schreibt Frau Klingele wie jeden Freitag im hintersten Ecken der Bibliothek an ihrem Buch mit dem Titel: «Werther als Bild des in die Krise geratenen Mannes: Das Motiv krisenbehafteter Männlichkeit bei Goethe und Dürrenmatt.» Zum andern gibt es die kleine Sina, die nebst dem Asterix auch noch den Räuber Hotzenplotz zu Hause hat und diesen schon längst hätte in die Bibliothek zurückbringen müssen. Und dann stehlen sich auch noch Figuren aus den Büchern. So sucht Obelix nach Essbarem, die Krankenschwester – «äxgüsi» die Pflegefachschwester – aus dem Ärzteroman möchte nichts weiter als etwas Ruhe finden und der Räuber Hotzenplotz ist erstaunt, dass über ihn sogar Bücher geschrieben wurden. Alle diese Figuren werden von Imboden verkörpert, die mit einer solchen Geschwindigkeit in die Rollen schlüpft, dass es einem im Publikum fast taumlig wird.
Der Bibliothekar Emil Heuss ist von Frau Klingele ganz angetan. Aber mit der Wortwahl will es einfach nicht klappen und so tritt der arme Herr Heuss von einem Fettnäpfchen ins andere. Mitten in der Geschichte taucht ein Buch von Klingele auf, in welchem zu lesen ist: «Die in Meta und Physik in Liebe und Literatur plötzlich auftretenden, bekannten populärbelletristischen Figuren wie die Krankenschwester, Obelix, der Räuber Hotzenplotz und andere können sowohl als ausgelagerte und durch seine Fantasie angeregte teile der Persönlichkeit der Hauptfigur Heuss verstanden werden, als auch als Wesen einer transzendenten Welt, die einem allgemeinen Kulturvermächtnis entspringt.» Als nächstes besucht die 87-jährige Lisbeth Wegmüller die Bibliothek. Sie ist aufgebracht, denn die alte Dame hat sie um ihr Lesevergnügen gebracht. Wegmüller hatte sich «Der Besuch der alten Dame» ausgeliehen, aber diese kommt im Buch nicht mehr vor – sagt Wegmüller jedenfalls. Bibliothekar Heuss staunt nicht schlecht, als die alte Dame plötzlich vor ihm steht. Diese meint: «Ich brauchte mal eine Pause von der grossen Rache in diesem elenden Güllen. Genug Vergeltung und Strafe für verratene Liebe», und vertraut Herrn Heuss ein Geheimnis an: «Ich sehne mich nach einer schönen Liebesgeschichte. Eine in der man zusammen alt wird. Loyalität, Respekt, Verbundenheit.»
Unkonventionelle Wege
So unkonventionell wie das Theater, so unkonventionell sind auch die gewählten Protagonisten. Die alte Dame ist fest entschlossen, der Liebe von Herrn Heuss auf die Sprünge zu helfen, als ein Mann die Bibliothek betritt und nach einem Buch über Liebe und Literatur respektive Chemie in Literatur oder so sucht. Bibliothekar Heuss findet in der Datenbank den Titel «Meta und Physik in Liebe und Literatur». Er liest ungläubig, bis der Computer hängen bleibt, bis es schwarz wird. Ob dieser Moment wirklich der metaphysische Moment im Leben des Bibliothekars Emils Heuss wird, sei hier nicht verraten. Nur so viel: Das Buch lässt sich in der Datenbank nicht mehr finden, egal, wie Heuss die Abfrage formuliert.
TEXT UND BILD:
ANJA C. WOLFER BAKA