Vor den ersten Erwachsenentaufen und ihrem Urheber
15.02.2025 Region2.Teil
Der erste Beitrag zum Täuferthema (EAZ 1.2.2025) schliesst mit dem Hinweis, dass in Emil Eglis «Chronologisch-geographischer Tafel für die Täuferbewegung in den zürcherischen Orten» erstaunlicherweise weder das Eulachtal noch der ...
2.Teil
Der erste Beitrag zum Täuferthema (EAZ 1.2.2025) schliesst mit dem Hinweis, dass in Emil Eglis «Chronologisch-geographischer Tafel für die Täuferbewegung in den zürcherischen Orten» erstaunlicherweise weder das Eulachtal noch der Flecken Elgg verzeichnet sei. Daher gelte es nochmals genauer hinzuschauen. Tatsächlich sind und bleiben belegbare Spuren von Täufern aus ihren Anfängen in dieser Region sehr spärlich.
Das lokalpolitisch interessante Thema ist nur indirekt in einem offiziellen Organ der Täufer angedeutet und bleibt wenig hilfreich. Nach der «Enzyklopedie der Mennoniten» soll der Elgger Pfarrer Johannes Schlegel (+ 1552) zum Prozess gegen den Wiedertäufer und Verfasser des wichtigen Schleitheimer Bekenntnisses Michael Sattler (um 1490-1527) einen nicht mehr auffindbaren Bericht geschrieben haben. «A fifth account (Bericht) written by Johannes Schlegel of Ravensburg, first prebendary at Zürichberg, then assistant in Dübendorf, then three years in Bernese territory, about 1525 assistant in Höngg, 1528 pastor in Otelfingen, 1530 in Elgg, d. 1552, has not yet been found. (Global Anabaptist Mennonite Encyclopedia Online).» Darin könnte möglicherweise das Täufertum auch im Raum Elgg in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts erwähnt worden sein.
Was die Täufer in Zürich fordern und fünf Schriften Zwinglis dazu
Die Täufer, eine der damals radikalen Reformgruppen in Zürich, verlangen, dass zentrale biblische Botschaften sogleich verwirklicht werden. Sie fordern anstatt der bisher üblichen Kindertaufe die Erwachsenentaufe! Sie möchten eine vom Staat und von der bisherigen Kirche abgesonderte Gemeinschaft. Eine Kirche der, nach Busse, Bekehrung und Bekenntnis, getauften «wahren Gläubigen». Die gemässigten Angehörigen der bisherigen Volkskirche sehen sich dagegen selber als begnadigte Sünder. Ihnen soll die Kindertaufe weiterhin die göttliche Gnade sichtbar und hörbar machen, die dem menschlichen Glauben und Unglauben vorausgeht und bleibt.
Huldrych Zwingli hatte in der Schrift «Von göttlicher und menschlicher Gerechtigkeit» (1523) über die zwei sich im Menschen und in der Gesellschaft stossenden und doch zueinander gehörenden Welten der Kirche und des Staates dargelegt: Die Macht der Liebe nach der Bergpredigt Jesu einerseits, die für alle Christen gilt. Und die Macht des Staates mit seinen Gesetzen und Strafen andererseits, die alle Menschen betrifft.
In den Jahren 1523 bis 1527 widerspricht Zwingli mit insgesamt fünf Schriften der Absonderung und den Illusionen der Täufer: «Von göttlicher und menschlicher Gerechtigkeit» (1523); «Wer Ursache gebe zu Aufruhr» (1524); «Von der Taufe, von der Wiedertaufe und von der Kindertaufe» (1525); «Antwort über Balthasar Hubmaiers Taufbüchlein» (1525) und «Widerlegung der Ränke der Wiedertäufer» (1527, lateinisch).
Als die wertvollste von diesen fünf Schriften wird die erste genannt, da sie noch unberührt von Leidenschaft, eine theoretische, moralisch-staatsphilosophische Erörterung ist. Als die schwächste wird die letzte abgewertet, in der Zwingli «unbarmherzig losgeschlagen und den Verzerrungen der Gasse zu willig sein Ohr geliehen habe.»
Die Kritik an den Kindertaufen beginnt auf den Zürcher Kanzeln
Verschiedene Prädikanten im Raum Zürich bringen das Reizthema der Kinder- oder der Erwachsenentaufe auf die Kanzeln. Denn im Dörflein Witikon oben lassen einzelne Väter seit längerer Zeit, im nahen Zollikon seit 1524 ihre Kinder nicht mehr taufen. Denn Bibelkundige hatten im Neuen Testament die frühchristliche Usanz der Erwachsenentaufe gefunden. Sie hatten wohl, von Zwingli zur Bibellektüre angestossen, im Neuen Testament beispielsweise den Römerbrief gelesen. Darin erläutert der Apostel Paulus die Taufe der bekehrten glaubenden Erwachsenen als ein Sterben und Auferstehen mit Christus.
Zwingli selbst hatte den Römerbrief des Paulus - vom gelehrten Humanisten Erasmus von Rotterdam bearbeitet und in Basel 1516 im Druck erschienen – heisshungrig gelesen. Er hatte ihn als eine Richtschnur des Glaubens verstanden, ihn selber auf Griechisch abgeschrieben und auf Griechisch auswendig gelernt!
Die drängenden Radikalen in Zürich folgern, dass die Taufe nur einen Sinn habe, wenn sich der erwachsene Christ bewusst zum Evangelium bekenne. Daher rücken sie von der Kindertaufe ab.
Der Rat von Zürich verbietet die Erwachsenentaufe
Die Meinungsverschiedenheiten in der Tauffrage eskalieren: Freunde des Sprechers der Radikalen, Konrad Grebel, bringen ihre Kinder ab dem Jahre 1524 nicht mehr zur Taufe in die Kirchen. Wilhelm Röubli, Pfarrer im Dorfe Witikon wird über seine Lehre durch Verordnete verhört. Er habe erklärt, es bedürfe für ein christliches Leben des Taufens nicht und von der Kanzel verkündet, man solle die Kinder nicht taufen, bis sie erwachsen seien und selber den Glauben bezeugen und Paten gewinnen können. Röubli wird gefangen genommen.
Es beginnen aber auch erste, nichtöffentliche Gespräche zwischen Vertretern des Rates, der Reformationstheologen und den radikalen Anhängern der Erwachsenentaufe. Sie verlaufen friedlich aber ergebnislos. Der Rat bemüht sich um eine Einigung. Zwingli spricht von zwei heimlichen Gesprächen im Sommer 1524. Man habe sich, fügt er hinzu, damals beiderseits des Friedens beflissen.
Die Sache wird bald öffentlich. Als Kaspar Grossmann, der Prediger am Spital, von der Kanzel die Kindertaufe schirmt, redet ihm Jakob Hottinger in die Predigt.
Der Rat von Zürich lädt nun zu einer Disputation ein. Sie findet am 17. Januar I525 im Zürcher Rathaus statt. Konrad Grebel, Vertreter der Erwachsenentaufe und Zwingli, Befürworter der Kindertaufe stehen sich einander mit ihren Anhängern gegenüber. Für den Rat von Zürich sind Zwinglis Gründe für die Kindertaufe bibelgemäss und überzeugend. Rat und Zwingli sind sich einig. Es wird nun für die Behörden nötig, gegenüber den Anhängern der Sonderkirche Stellung zu nehmen.
Am 18. Januar 1525 erlässt der Zürcher Rat ein Mandat, das alle Verweigerer der Kindertaufe unter Androhung des Landesverweises dazu auffordert, ihre bisher ungetauft gelassenen Neugeborenen innert acht Tagen taufen zu lassen.
«Und welcher das nicht wollte tun, der soll mit Weib und seinem Gut unserer Herren Stadt, Gericht und Gebiet räumen.»
Weitere Ablehnungsgründe
Es gibt nicht nur religiöse Gründe, die den Rat zur Missbilligung der Verweigerer der Kindertaufen und zu diesem Mandatserlass führt. Ihn besorgen die Anhänger der Erwachsenentaufe auch noch aus weiteren Gründen. Denn es wagen sich nicht nur Oppositionelle hervor, die die Kindertaufe ablehnen, sondern auch solche, die sich damit befassten, der Obrigkeit den Gehorsam zu verweigern, die Wehrbereitschaft infrage zu stellen und keine Steuern mehr zu bezahlen. Die Gründung zahlreicher täuferischer Gemeinschaften in Privathäusern entzieht der Obrigkeit ausserdem die Aufsicht über die geistlichen und weiteren Bereiche der Untertanen. Daher qualifiziert der Rat von Zürich die Zirkel kurzerhand als revolutionäre Absonderung.
Die Zürcher Obrigkeit und die junge Reformation sehen in den Täufern, welche die Kindertaufe ablehnen, sich abseits der Kirchen in eigenen Versammlungen und Zirkeln zu Bibelstudium, Aussprachen und Abmachungen treffen, welche die Obrigkeit infrage stellen, den Eid und den Wehrdienst ablehnen, Zins und Zehnten diskutieren, als eine existentielle Gefahr für das gesellschaftliche, staatliche und kirchliche Gefüge. Sie befürchten in ihnen das christliche Zusammenleben, den Zusammenhalt, den christlichen Körper, das «Corpus christianum» bedroht. Der Rat von Zürich und Zwingli, der massgebliche Sprecher der Reformierten, waren darin gleicher Meinung: Die Zirkel der Täufer seien nichttolerierbare, revolutionäre, umstürzlerische Absonderungen.
Die Gegner der Kindertaufe wiederum können die Niederlage beim Rat der Stadt nicht verwinden und gedenken, sich dem Beschluss nicht zu fügen. Bereits am Abend desselben Tags am 18.Januar 1525 werden in einem geheimgehaltenen Zürcher Privathaus die ersten Taufen von Erwachsenen vollzogen. Und die «Wiedertäufer» tragen von jetzt an den Kampf vor die Tore der Stadt, auf das Land und pflegen schliesslich sogar Kontakte mit Gesinnungsfreunden über die Landesgrenzen hinaus.
MARKUS SCHÄR
Das Leben des Täufervaters Konrad Grebel
Verschiedene Biografien ermöglichen eine Annäherung an den Begründer der Täuferbewegung. Darnach stammt Konrad Grebel ( * um 1498, + 1526 an der Pest in Maienfeld GR) einer einflussreichen Stadtzürcher Rats- und Zunftfamilie. Während seiner Studien in Basel, Wien und Paris pflegt er philologische und naturwissenschaftliche Interessen (1518 Besteigung des Pilatus bei Luzern mit dem St.Galler Vadian, seinem spätern Schwager. Grebels Schwester Martha heiratet den St.Galler Gelehrten, Bürgermeister, Reformator und Stadtarzt Joachim Vadian († 1551). Erst in einer Zeit der Krise steht Konrad unter Zwinglis Einfluss und wird dessen feuriger Anhänger.
Grebel bricht mit Zwingli im Dezember 1523, als dieser seine kirchlichen Reformforderungen an den zögernden Rat zurückzieht. Nun bildet sich ein selbständiger Kreis von «Brüdern« als christozentrische, biblizistische Minderheitskirche, mit ihren von der Volkskirche abweichenden Vorstellungen über Nachfolge Christi, Gottesdienst, Glaubenstaufe und Abendmahl, Gemeindezucht und Wehrlosigkeit. Im Brief Grebels an den süddeutschen Täufer- und Bauernanführer Thomas Müntzer vom 5.9.1524 werden seine Vorstellungen verschriftlicht. Als im Januar 1525 der Zürcher Rat nach einer öffentlichen Disputation die weitere Erörterung der Tauffrage verbietet, reagiert Grebel mit der ersten Taufe von Jörg Blaurock. Für die Täufer beginnt eine Zeit der Verfolgung. Mit einer Unterbrechung von 6 Monaten Haftzeit in Zürich missioniert Grebel in Schaffhausen, Sankt Gallen, Waldshut, im Zürcher Oberland und in Appenzell. Die von ihm begonnene Täuferbewegung wird bald ein wichtiger Zweig der Reformation, bekommt Bedeutung in den Gemeinschaften der Mennoniten, Hutterer, der Baptisten und der Freikirchen, nicht zuletzt in den englischsprachigen Ländern.