Vom Jungbaum zum Dachstuhl oder Küchenschrank
20.09.2025 ElggAm 12. und 13. September öffneten schweizweit über 130 Betriebe und Organisationen ihre Türen. Schulklassen, Waldbesitzende und die Bevölkerung waren eingeladen, anlässlich der «Tage des Schweizer Holzes» den Kreislauf von der Waldwirtschaft bis zum fertigen ...
Am 12. und 13. September öffneten schweizweit über 130 Betriebe und Organisationen ihre Türen. Schulklassen, Waldbesitzende und die Bevölkerung waren eingeladen, anlässlich der «Tage des Schweizer Holzes» den Kreislauf von der Waldwirtschaft bis zum fertigen Produkt zu erleben.
Vor dem Holzindustriebetrieb August Brühwiler AG in Balterswil versammelten sich am Freitagnachmittag gegen 120 Waldbesitzer und einige -besitzerinnen. Der Morgen war den Schülern vorbehalten, am Samstag waren Türen und Parcours für alle Interessierten geöffnet. «Sie sind der Anfang der Wertschöpfungskette und damit der wichtigste Bestandteil» – eröffnete Patrick Brühwiler den Anlass – «Ohne euch würde es uns alle nicht geben.»
Gestartet wurde mit der Betriebsbesichtigung des Holzverarbeiters; der Aufstieg in den Wald zu den Posten der Forstreviere und -betriebe mit dem gemütlichen Ende im Festzelt bei der Hackenberghütte bildete den zweiten Teil der Veranstaltung.
Die Gäste erhielten einen Einblick in die vielen Arbeitsschritte, die ein Baumstamm von der Anlieferung bis zum fertigen Produkt durchläuft – ob als Hausbauteil, Möbelstück oder Küchenschrank. Am Anfang der Reise steht der Rundholzplatz. Jeder Stamm wird geschält, vermessen, auf seine Qualität überprüft und schliesslich auf die gewünschte Länge gesägt. Fällt beim Scannen eingewachsenes Eisen oder ein Nagel nicht auf, kann es teuer werden: «Eisen im Holz verursacht grossen Schaden. Im besten Fall kann das Blatt neu geschärft werden, im schlimmsten ist es kaputt und muss ersetzt werden – das kostet schnell 2000 Franken», erklärte Luca Schwager mit Blick auf den Bildschirm, wo jeder Baumstamm analysiert wird. Mit dem «Taxi» Schienenkran ging es dem Stammlager entlang in die Sägerei. Von einer Passerelle oder aus der Glaskabine des Mitarbeiters konnte das Zersägen der Stämme in Bretter verfolgt werden. Kontrolliert wird die Maschine mittels Joystick und Bildschirm – eine Tätigkeit die enorme Konzentration erfordert, damit die Schnitte sauber und gerade ausgeführt werden. Zu schnelles Sägen oder eine falsche Lage des Stamms beeinträchtigen das Resultat und produzieren unnötigen Ausschuss.
Den Farbwünschen sind keine Grenzen gesetzt
Je nach Bestimmung und Qualität werden die Stücke weiterverarbeitet. Im Hobelwerk werden daraus Profilschalungen, Fassaden, Täfer, Terrassen und Befestigungsmittel. Im firmeneigenen Leimwerk in Fimmelsberg aus Einzelteilen massgenaue High-Tech-Produkte für den Holzelementbau: Leim- und Ständerholz für den sicht- und nicht sichtbaren Anwendungsbereich, Brettschichtholz, Duo-Balken und keilverzinkte Latten. Der Verleimungs-Prozess unterliegt strengen Kontrollen und täglicher Überprüfung – die Gebäudesicherheit ist oberstes Gebot.
Mit Blick durch ein grosses Sichtfenster in das Innere einer Lackiermaschine konnte verfolgt werden, wie Platten behandelt wurden. «Wir verwenden seit Jahren nur noch wasserlösliche Farben – und wir sind in der Lage, fast jede gewünschte Farbe zu mischen und aufzutragen,» erzählte Schwager mit einem Farbfächer in der Hand. Kürzlich sei für ein neugebautes Schulhaus ein Grasgrün gewünscht worden.
In zwei Tagen steht das Haus – zumindest aussen
Am nächsten Posten – dem letzten der Wertschöpfungskette – erklärten zwei Repräsentanten der Holzbau- und Planungsfirma P. Baumgartner AG die verschiedenen Prozessschritte beim Hausbau. Das Gebäude wird bis ins kleinste Einzelteil zuerst in 3D auf dem Bildschirm aufgebaut, unter Berücksichtigung aller statischen, bauphysikalischen und brandschutztechnischen Details – und natürlich sämtlicher Kundenwünsche. «Am Ende ist auf dem Computer ein Gebäude, das eins zu eins dem späteren Bau entspricht. Die Dateien gehen anschliessend in den Zuschnitt, wo jedes einzelne Bauteil millimetergenau vorproduziert wird», führte Teilinhaber Michael Büsser aus. Dann würden die Elemente per Lastwagen auf die Baustelle geliefert, wo sie auf dem betonierten Fundament zusammengesetzt werden. «Es ist möglich, dass nach zwei Tagen ein Haus steht, wo zuvor erst eine Bodenplatte zu sehen war.»
Zum Abschluss auf dem Gelände der Firma Brühwiler konnte die Energiezentrale der EKT (Elektrizitätswerk des Kantons Thurgau) für das Fernwärmenetz Bichelsee/Balterswil und Dussnang besichtigt werden. Als Brennstoff dient Restholz aus dem Sägeprozess, Käferholz, Holz minderer Qualität sowie der Rindenabfall. Um die Heizung dauerhaft betreiben zu können, müssen allerdings zusätzliche Schnitzel zugekauft werden. «Diese Heizung steht nie still», betonte Firmengründer August Brühwiler nicht ohne Stolz. Und er fügte an: «Unsere Heizabluft ist sauberer als die Luft, die wir ansaugen.» Die Anlage gehört zwar der EKT, wird aber vom Holzverarbeiter betrieben und gewartet.
Biodiversität und Ökologie im eigenen Wald
Nach der Führung tat der steile Aufstieg in den Wald an der frischen Luft gut; manch einer äusserte sich zufrieden über seinen Arbeitsplatz im Büro, einer ruhigen Werkstatt oder draussen in der Natur. Oberhalb der Hackenberghütte betrieben die eingeladenen Forstreviere diverse Stationen. Revierförster Christoph Ammann vom Forstbetrieb Fischingen-Tobel referierte zum Thema «Ökologie und Biodiversität im Wald», respektive, wie Waldbesitzende mit einfachen Mitteln dazu beisteuern könnten, diese Bereiche zu fördern. Profitieren könne nicht nur die Natur – rund 35 Prozent aller Tier- und Pflanzenarten sind auf den Wald angewiesen – denn es gebe vom Kanton auch finanzielle Unterstützung für die Umsetzung gezielter Massnahmen. Einfache Mittel seien beispielsweise Totholz liegen lassen, Ast- und Steinhaufen aufschichten oder seltene Sträucher pflanzen. Kompliziert wird es hingegen bei Sanierung von Weihern, wie ein Waldbesitzer erzählte, der dieses Vorhaben wieder verwarf: «Ich hätte eine Reihe von Eingaben machen müssen – beim Amt für Wasser, Energie und Luft (AWEL), beim Forstamt und bei der Gemeinde. Unterstützung gab es keine, aber einen Haufen Vorschriften und Kosten, die meinen Rahmen überstiegen.» Ammann erklärte, dass es von Kanton zu Kanton anders gehandhabt werde, im Thurgau sei es verhältnismässig einfach. Mit oder ohne Weiher oder Tümpel, herausfordernd ist die Pflege für jene, die in ihrem Waldstück nur einheimische Pflanzen wünschen: «Neophyten sind eine grosse Herausforderung für uns alle. Sie müssen ausgerissen und am besten im Neophytensack entsorgt werden.»
Holzbringung mit dem Seilkran
Nach einem weiteren Aufstieg konnte die Gruppe dem Team der Firma Bachmann Forst bei der Arbeit zuschauen. Firmengründer Benjamin Bachmann erklärte: «Unsere Firma hat sich auf die Holzbringung überall dort spezialisiert, wo das Gelände eine Herausforderung ist. Eine optimale Lösung ist oft die Konstruktion eines Seilkrans.» Die vorbereitete Anlage über ungefähr 120 Meter habe man speziell für diese Veranstaltung installiert, sonst kämen Seillängen von bis zu 700 Meter zu Einsatz. Es folgte eine eindrückliche Demonstration: Wie Zündhölzer wurden die Baumstämme aus der Tiefe via Funksteuerung am Seil hängend mit einer Geschwindigkeit von bis zu 6 Meter pro Sekunde nach oben gezogen, wo sie vom Bagger in Empfang genommen und auf dem Stapel ein Stück weiter abgelegt wurden. «Dank der Funktechnik kann ich die Stämme direkt von der Baggerkabine aus vom Seil nehmen, ohne jedes Mal aussteigen zu müssen.»
Wer Holz ernten will, braucht Geduld und Weitsicht
Am nächsten Posten erklärte Revierförster Joel Oberholzer des Forstreviers Wellenberg Fortuso die einzelnen Schritte der Jungwaldpflege. «Bis die jungen Bäume mannshoch sind, spricht man von Jungwuchspflege. Die Bäumchen brauchen unsere Hilfe in ihrem Kampf gegen die Konkurrenz.» Er erwähnte unter anderem den undurchdringbaren Bewuchs mit Brombeersträuchern.
Interessiert verfolgten die Waldbesitzer die Präsentation der verschiedenen Werkzeuge: Kurz- und Langstielsichel oder Freischneider. Würden die Bäume grösser, müsse je nach Sorte unterstützt werden, wobei sich viele auch selbst regulierten. Aber: «Bei Flächen mit Lichtbaumarten wie Nussbaum, Eiche, Lärche oder Föhre muss man unterstützend eingreifen, damit sie ihren Lichtbedarf decken können. Das geschieht in der Dickungsstufe.»
Zur Veranschaulichung schritt der Förster mit der Motorsäge zur Tat und lichtete im dichten Jungbaumbestand aus. Dass die Holzernte ein langfristiges Projekt ist, betonte der Forstwart am Beispiel der Eiche: «Wer eine Eiche ernten möchte, muss auf 120 Jahre planen, bei einer Fichte sind es immerhin 80 Jahre. Wer sich dafür entscheidet, bestimmt sogenannte Z-Bäume – Zukunftsbäume – bereits im Stadium von wenigen Jahren. Die Bäume brauchen je nach Standort die Unterstützung des Besitzers, um sich behaupten zu können.»
Stärkung des Labels «Schweizer Holz» als Ziel
Auf halbem Weg zurück zum Parkplatz wartete bei der Waldhütte ein Festzelt mit Grill und Getränken, betreut von den Mitarbeitenden von Forst Elgg; ihr Holzernte-Posten war an diesem Nachmittag aus Zeitgründen nicht besetzt – dafür aber vormittags für die Schulen und den ganzen Samstag. Betriebsleiter und Förster Roman Brazerol erklärte, die Veranstaltung finde bereits zum wiederholten Mal statt und soll das Label Schweizer Holz bekannter machen und stärken. Mit der Vielfalt spannend aufbereiteter Informationen an den einzelnen Stationen, den Einblicken in den Alltag verschiedener Berufe und den präsentierten Produkten dürfte dieses Ziel erreicht worden sein.
Wurst und Getränk stärkten zwar nicht das Label, dafür aber die Gäste für den Heimweg nach einem intensiven Nachmittag. Und auch die Redewendungen «Wo gehobelt wird, fallen Späne» und «Aus gutem Holz geschnitzt» erwiesen sich einmal mehr als zutreffend.
MARIANNE BURGENER