Den Spruch «Kleider machen Leute» kannte das Tierreich schon lange bevor die Menschheit existierte. Ergo muss auch diese Erkenntnis der faszinierenden, genialen Evolution und dem daraus resultierenden Verhalten der Tiere vom Menschen abgeschaut und übernommen worden sein.

Das bekannteste Beispiel ist das Chamäleon, das in wenigen Sekunden seine Farbe ändern kann, denn Stimmungen gehen ihm unter die Haut. Bei Stress läuft es blau an, Angst lässt es schwarz werden und bei Ärger gibt es die ganze Regenbogenpalette. Wie Forscher der Universität Genf kürzlich herausfanden, sorgen Nanokristalle in zwei Hautschichten dafür, dass sich das Tier von Grün auf Knallrot färben kann. Regt es sich auf, driften die Kristalle bis zu 30 Prozent auseinander und sorgen so für sofortige Farbänderung.

Die tierischen Verwandlungskünstler verwenden nicht nur Farben, sondern verwandeln sich auch in der Form. So macht sich bei Bedarf der intelligente Tintenfisch flach wie eine Flunder, formt sich zur Qualle oder zum Stachelrochen. Naht ein Feind, streckt er ihm einen der geringelten Arme entgegen und imitiert die Bewegungen einer Seeschlange, um den Feind in die Flucht zu schlagen.

Dokumentierte Verwandlungen aus dem Garten

Doch bis in ferne Meere brauchen wir nicht zu gehen, um tierische Verwandlungskünstler beobachten zu können. Ein Gang in den eigenen Garten oder an ein Wiesenbord oder einen Waldrand genügt. Und so schafft es auch unser «Hoffotograf» Harry von Mengden immer wieder, nicht nur die Arten, sondern auch ihr Verhalten mit seinem geduldigen Geschick festzuhalten. In unserem grossen Privatgelände, dass wir ausschliesslich der Biodiversität übergeben haben, gelingt es ihm immer wieder auch Verwandlungen zu dokumentieren.
Eines der bekanntesten Beispiele ist wohl der Vorgang von der Raupe zum Schmetterling. Da ist natürlich der populäre Schwalbenschwanz unbedingt zu nennen. Die auffallend schöne, farbige und sehr gefrässige Raupe (1), die auf wilder Möhre aber auch im Garten auf Karotten- und Fenchelkraut vier bis sechs Wochen bis zu ihrer Verpuppung speist und haust. Allerdings lauern da auch viele Gefahren. Erst gestern war ich Zeugin eines tödlichen Angriffs einer Feldwespe auf eine kleine Schwalbenschwanzraupe. Nach weiteren zwei bis drei Wochen schlüpft der wunderschöne Schwalbenschwanz-Schmetterling (2) aus seiner Gürtelpuppe, die meistens bodennahe an trockenen Pflanzenstängeln aufgehängt werden. Nach dem Trocknen und Ausbreiten der filigranen Flügel entschwebt er in den Sonnenschein, um wiederum seine Eier auf der Futterpflanze abzulegen.

Das Libellenleben beginnt mit dem Ei

Ein ähnliches Beispiel sind die Libellen. In der Schweiz gibt es 80 Arten, wovon rund 40 Prozent auf der roten Liste als gefährdet gelten. Das Libellenleben beginnt mit dem Ei. Danach erfolgt ein Leben der gefrässigen Libellen-Larven (3) bis zu zwei Jahren im Wasser, wo sie sich von kleinen Wassertieren ernähren. Im letzten Larvenstadium erfolgt die Umwandlung zum geflügelten Insekt, die Metamorphose. Zum Schlupf verlässt die Larve das Wasser und verankert sich an Land an einer festen Unterlage oder an einem Pflanzenstängel. Die Reifungszeit dauert je nach Art wenige Tage bis mehrere Wochen. Das schlüpfen der eleganten und prächtigen Libellen fasziniert mich immer wieder. Sie verlässt die Hülle (Exuvie) durch einen kleinen Schlitz am Rücken, sodass die zarte Hülle vollständig am Pflanzenstängel bleibt. Danach jagen die geschlüpften Libellen (4) Mücken, Fliegen und andere Fluginsekten, selbst auch andere Libellen.

Ein weniger bekanntes Beispiel für Verwandlung ist der Marienkäfer. Weltweit sind etwa 6000 Marienkäferarten bekannt. In der Schweiz sind es rund 85 Arten. Teilweise sehen zwei Käfer derselben Art so verschieden aus, dass man meinen könnte, es seien zwei unterschiedliche Arten. Die Entwicklung vom Ei bis hin zum Marienkäfer dauert durchschnittlich 40 Tage. Aus den gelben Eiern auf Blattunterseiten entwickeln sich in einem nächsten Schritt Larven. Diese fressen in ihrer vierwöchigen Entwicklung bis zu 600 Blattläuse, um sich dann von der Marienkäfer-Larve (5) in eine starre Mumienpuppe zu verwandeln. Daraus entsteht schliesslich der
Marienkäfer (6). Diese gelten übrigens nicht nur als Glücksbringer, sie sind auch Blattlausjäger und fressen bis zu 100 Läuse pro Tag. Ich schätze die kleinen hübschen Käfer deshalb sehr in meinem Garten.

TEXT: SANDRA RENGGLI

BILDER: HARRY VON MENGDEN

Autoren

Name: Harry von Mengden
Arbeitet bei: SBB Intervention
Foto: Schwerpunkt Turnsport; seit 2018 im Gelände der Familie Renggli auf
Fotojagd nach Amphibien, Reptilien und Insekten
Homepage: www.altenwoga-foto.ch

Name: Sandra Renggli
Arbeitet bei: Administration Renggli Bauunternehmen
Homepage: www.ggnatur.ch

Verwandlungskünstler

Image Title

Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Ja. Ich benötige ein Abo.

Article

Image Title