Verschiedene Änderungen stehen der Genossenschaft bevor
06.04.2024 Aadorf, RegionSchon mehrmals hat die Raiffeisenbank Aadorf ihre Mitglieder in den Zirkus Knie eingeladen. Die Kombination aus Geschäftszahlen und Artistik war auch diesmal ein Erfolg. Die Bank präsentierte am Mittwoch vor Ostern erfreuliche Zahlen, die Künstler ein spektakuläres ...
Schon mehrmals hat die Raiffeisenbank Aadorf ihre Mitglieder in den Zirkus Knie eingeladen. Die Kombination aus Geschäftszahlen und Artistik war auch diesmal ein Erfolg. Die Bank präsentierte am Mittwoch vor Ostern erfreuliche Zahlen, die Künstler ein spektakuläres Programm.
Zum Einstieg des Abends blickte Frank Gössi, Präsident des Verwaltungsrates, auf das vergangene Geschäftsjahr zurück. Er startete mit einer Auflistung weltpolitischer Geschehnisse, die alle einen direkten oder indirekten Einfluss auf den Finanzplatz hatten. In der Ukraine und im Gazastreifen würden Bomben fallen, im roten Meer Frachter angegriffen, China bedrohe Taiwan und Nordkorea habe Kriegsvorbereitungen getroffen. «Es bleibt zu hoffen, dass sich diese Brandherde nicht weiter ausbreiten und die Welt vermehrt zu Frieden und Stabilität zurückfindet», sagte Gössi und fuhr mit diversen Ereignissen fort, die Europa 2023 bewegt hatten: Die Proteste in Frankreich, die Krönung von Prinz Charles zum König oder die schlechte Wirtschaftslage Deutschlands, das aufgrund eines Entscheids des Verfassungsgerichts nahe an einer Rezession gestanden habe.
Eine enorme Neuerung sei die grossflächige Einführung künstlicher Intelligenz mit Anwendungen wie beispielsweise «ChatGPT». Die Bankenkrise in den USA hatte mit dem Absturz der Crédit Suisse unmittelbaren Einfluss auf die Schweiz, die in der Folge im letzten März durch die UBS übernommen wurde. Er schloss mit dem Wunsch, dass auf Chefetagen Werte wie Bescheidenheit, Bodenständigkeit, Demut, gesunder Menschenverstand und Verbundenheit zur Schweiz wieder grössere Bedeutung erhielten. «Glaubwürdigkeit und Vertrauen sind die besten Argumente, eine Krise zu überstehen.»
Mehr Beratung und digitale Bankgeschäfte
Im letzten Jahr hätten Zinsanstiege in vielen Ländern für eine Abkühlung der Konjunktur gesorgt. Finanzexperten würden davon ausgehen, dass das Maximum erreicht sei und die Zinsen im laufenden Jahr wieder sinken. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) nahm im März als erste grosse Notenbank eine Senkung vor. «Trotz gesunkener Inflation haben viele Menschen weniger Geld im Portemonnaie. Die gestiegenen Krankenkassenprämien und erhöhten Energiekosten, teurere Lebensmittelpreise und Mietkosten bringen viele in Bedrängnis», so Gössi. Die hohen Zinsen hätten aber auch dazu geführt, dass einzelne Banken rekordhohe Gewinne einstreichen konnten, was wiederum zu vermehrter Kritik aus der Öffentlichkeit geführt habe. «Die Kundschaft der Raiffeisenbank soll einerseits von fairen Zinsen profitieren, andererseits ist es uns trotzdem wichtig, gute Gewinne zu erzielen. Damit soll das Kapitalpolster gestärkt und ein gesundes Wachstum gefördert werden.»
Der Verwaltungsratspräsident schloss seinen Bericht und leitete zur Jahresrechnung 2023 über. Die Raiffeisenbank weist einen Reingewinn von 2,15 Millionen Franken aus, ein Plus von 17 Prozent. Die Steigerung des Geschäftserfolgs um drei Prozent sei jedoch trotzdem eher ein bescheidenes Resultat. Die Gründe dafür lägen in den Absicherungskosten, die gegen sinkende Zinsen eingesetzt würden, und der Strategie 2025 der Raiffeisenbank-Gruppe, die sich nachhaltig für die Zukunft rüste. Die Umsetzung einer neuen Strategie erfordere immer gewisse Vorleistungen. Das Ziel der geplanten Ausrichtung seien vertiefte Beratungsdienstleistungen sowie vereinfachte Prozesse und Services, die vermehrt online genutzt werden können. So wird es bald möglich sein, ein Bankkonto von zu Hause aus zu eröffnen, ebenso einen Termin zu vereinbaren oder den Hypothekarprozess digital abzuwickeln.
Positives Anlagejahr 2023, 2024 könnte folgen
Der Vorsitzende der Bankleitung, Patrick Müller, vertiefte zusammen mit Sean Winkler, Lernender im dritten Lehrjahr, das vorab Präsentierte mit dem Hinweis, dass sämtliche Zahlen detailliert auf der Website zu finden seien. Den grössten Einfluss auf den Geschäftsgang hatte der Leitzins, der sich zu Beginn des Geschäftsjahres bei einem Prozent befand, im Frühling wurde er um ein halbes angehoben und im Sommer folgte ein erneuter Anstieg auf 1,75 Prozent, was sich im Nachhinein als Höchststand erwiesen habe. «Die SNB senkte kürzlich, überraschend und früher als allgemein erwartet, den Zins auf 1,5 Prozent. Sie stellt uns damit vor einige Herausforderungen, die wir aber gerne annehmen», kommentierte Müller die Zinspolitik.
«Die letztjährige Erhöhung hatte für die Bankkundschaft höhere Zinsen auf Sparkonti und Vorsorgegelder zur Folge. Demgegenüber bekamen Eigentümer höhere Zinsen auf Saron-Hypotheken zu spüren. Trotz der Senkung durch die SNB profitieren Inhaber eines Mitgliedersparkontos bei der Raiffeisenbank weiterhin von einem Prozent Zins. Natürlich hängt alles davon ab, wie es weitergeht.» Das Thema abschliessend wies Müller auf die laufende «50/50-Aktion» hin, bei der von zwei Prozent Zins auf Termingelder mit einer Laufzeit von zwei Jahren profitiert werden könne, bei gleichzeitig abgeschlossener Anlagelösung in gleicher Höhe. «Die Aktion läuft noch bis Ende April. Eine Teilnahme lohnt sich, vor allem im jetzigen Zinsumfeld.» Grundsätzlich stufte der Vorsitzende der Bankleitung das vergangene als gutes Anlagejahr ein, ganz im Gegenteil zum miserablen Vorjahr. Trotzdem müsse das Vertrauen der Anlegerinnen und Anleger in die Märkte erst wieder hergestellt werden. Aber mit einem Anstieg des Swiss Market Index seit Anfang Jahr von fünf Prozent würden die Zeichen gut stehen. Patrick Müller zeigte sich ebenfalls zufrieden mit dem Ergebnis 2023. Das Wachstum bei den Kundenausleihungen um 3,2 Prozent sei erfreulich. Demgegenüber habe bei den Kundeneinlagen ein Rückgang von 4,4 Prozent in Kauf genommen werden müssen. Die Begründung liege in Portfolio-Umschichtungen bei institutionellen Kunden, die durch private Kundengelder nur teilweise habe kompensiert werden können. Bei den Depotvolumen konnte ein Zuwachs von elf Prozent verzeichnet werden.
Eine komplexe Statutenrevision steht an
Durch die wichtigsten Punkte der geplanten Statutenrevision führte anschliessend Frank Gössi. Zum ersten soll die Mitgliedschaft vereinfacht und nicht mehr durch örtliche Rahmenbedingungen beschränkt werden. Zweitens soll es der Raiffeisenbank möglich sein, ihren Geschäftsbereich über reine Bankleistungen hinaus zu erweitern, um die Ertragsdiversifizierung auszubauen, beispielsweise im Immobilienbereich. Gössi wies ausdrücklich darauf hin, dass «spekulative Geschäfte dabei nicht erlaubt sind, die Geschäfte unterliegen strengen Regeln».
Die dritte zentrale Anpassung betrifft die Mitglieder des Verwaltungsrats (VR). Maximal umfasst er künftig sieben Personen, die nicht älter als 70 Jahre alt sein und das Amt nicht länger als 16 Jahre ausüben dürfen. Das Gremium muss alle erforderlichen Fachkompetenzen und Qualifikationen abdecken, um die Geschäftsführung effizient und kompetent zu erfüllen. Zudem sollen die Entschädigungen für VR-Mitglieder in den Statuten festgelegt werden. Als vierte grosse Änderung wird ein Wechsel von der physischen zur schriftlichen Generalversammlung angestrebt. Diese neue Form hätte den Vorteil, dass alle Stimmberechtigten ihre Stimme abgeben können und damit die Beschlüsse in der Genossenschaftsbasis demokratisch breiter abgestützt wären, was bei einer physischen Versammlung aufgrund der beschränkten Teilnehmerzahl schwieriger sei. Eine Lokalität für 10’000 Personen im Umfeld der Genossenschaft zu finden, sei logistisch unmöglich. Juristisch sei die Bank verpflichtet, allen Mitgliedern die Stimmabgabe zu ermöglichen, niemand dürfe von diesem Recht ausgeschlossen werden.
Der fünfte zentrale Punkt der Revision betrifft diverse formelle Anpassungen. Gössi betonte, dass es sich bei der Revision um komplexe Änderungen handle. Aus diesem Grund lade die Raiffeisenbank Aadorf am 18. April alle Genossenschafterinnen und Genossenschafter zu einer Orientierungsveranstaltung ins Gemeindezentrum Aadorf ein, wo vertieft auf alle Punkte eingegangen werde und die Gelegenheit für Fragen bestehe.
Bevor der Zirkus Knie die Manege übernahm, versicherte Gössi noch einmal allen, dass trotz geplantem Systemwechsel zur schriftlichen Generalversammlung weiterhin Mitgliederanlässe stattfinden würden, denn der persönliche Austausch mit den Menschen stehe an erster Stelle. Ein Blick ins bis auf den letzten Platz gefüllte Zirkuszelt zeigte, dass diese Aussage auf Gegenseitigkeit beruht.
MARIANNE BURGENER