Vanessa Sacchet im Gespräch mit Guido Müller

  17.09.2021 Leute aus der Region

Guido Müller, geboren am 2. April 1957 in Ettenhausen, wuchs zusammen mit drei Geschwistern auf. Der gelernte Pöstler ist verheiratet und hat zwei Kinder. 40 Jahre lang führte er den Badebetrieb am Bichelsee. In dieser Zeit besuchten rund 850’000 Badegäste das Strandbad. Das sind an Spitzenzeiten über 1500 Besucher pro Tag. Jetzt geht eine Ära zu Ende und Müller in Pension. Wir schauen noch einmal zurück, wie alles begann.
«1981 suchte die Badegenossenschaft Bichelsee einen Bademeister. Ich bewarb mich und erhielt die Stelle. Eine spezielle Ausbildung brauchte ich nicht vorzuweisen. Im Jahr darauf übernahm ich den Kiosk – eine Blechhütte, die direkt am Eingang stand. Ich verkaufte Essen, Glace und Getränke. erst 1990 wurde der Kiosk wie man ihn heute kennt gebaut. Der Eintritt kostete als ich begann 2 Franken und 30 Rappen. Erst 1986 schlug er um 20 Rappen auf und blieb mit zweieinhalb Franken bis heute unverändert.» Müller ist meistens barfuss, in kurzen Jeanshosen und weissem T-Shirt am See anzutreffen. eine Wasserratte ist er nicht. Böse Zungen behaupten gar, er könne nicht schwimmen. Er meint lachend: «Ich kann schon schwimmen. Bis zum Floss hinaus komme ich alleweil.»
Hinter dem Kiosk hat er seinen Wohnwagen, in dem er schläft, platziert. Somit verbringt er Tag und Nacht am kleinen See an der Kantonsgrenze und fügt bei: «Der Vorteil ist, dass man keinen Arbeitsweg auf sich nehmen muss und es der schönste Platz zum Wohnen ist.» Im Winter stellt er den Wohnwagen bei einem Bauer unter. Viele Jahre verbrachte er die Wintermonate in Indien, seit 2005 in Laos, wo er Frau und Kind hat. Die Stelle am See ermöglicht es ihm, der kalten Jahreszeit hier in der Schweiz nach Südostasien zu entfliehen. «Land und Leute dort faszinieren mich. Das Leben ist viel günstiger und lockerer als in der Schweiz. Das warme Klima tat es mir an, so kann man sich meistens draussen aufhalten. Die Temperaturen fallen im Extremfall tagsüber auf 20 und nachts auf 10 Grad, was jedoch selten vorkommt.»
Das letzte Jahr war sehr speziell, da Müller wegen der Corona-Lage erst Mitte August in die Schweiz fliegen durfte. Im Herbst wiederum konnte er nicht nach Laos zurückkehren. Somit hat er seine Frau und die beiden Kinder, fünf und zehn Jahre alt, seit über einem Jahr nicht sehen können. Müller erklärt: «Wir hören uns jedoch per Videotelefonie. Meine Frau nimmt es relativ gelassen, doch die beiden Kinder vermissen mich schon. Da gab es auch schon ein paar Tränen, die vergossen wurden. Jetzt hoffe ich, dass es die Corona-Situation im September zulässt, dass ich zurückfliegen kann. Nächstes Jahr habe ich vor, zurück in die Schweiz zu kommen, jedoch nicht für den ganzen Sommer. Hauptsächlich um meine 91-jährige Mutter zu besuchen, die im Altersheim in Aadorf lebt.»

Tatkräftige Unterstützung durch Conny Maissen

«Conny und ich arbeiten seit 29 Jahren zusammen am Kiosk, wo wir nach dem Rechten schauen. Sauberkeit und Ordnung waren uns stets wichtig. So kam es seitens der Gäste sowie durch das Lebensmittelinspektorat nie zu Mängeln, die kritisiert werden mussten.» In all den Jahren erlebten die beiden zusammen mit den Badebesuchern viel. Es mussten fünf Leichen durch die Seepolizei geborgen werden. Einmal wurde von unbekannten ein Graffiti auf die Mauer vor dem Toilettenhäuschen gesprayt, wobei ein Sachschaden von 2000 Franken entstanden ist. Ein anderes Mal versuchten halbstarke Jugendliche, von hinten über den Zaun in die Badi zu klettern. Müller bemerkte dies und stellte sie raus. Sie versuchten sich ein zweites Mal, von hinten Zutritt zu verschaffen und schwammen zum Floss, was Müller ebenfalls nicht entgangen ist. Er schnappte sich ein Boot und bugsierte die Jugendlichen erneut vor die Tür, worauf einer versuchte mit Connys Auto zu flüchten und einen Pfosten rammte. Das alles geschah nur, weil man zweieinhalb Franken sparen wollte.
Weiter weiss Guido Müller zu berichten: «Vor zehn Jahren sah Conny etwas glitzern im See – dort wo sie jeweils die Wassertemperatur misst. Sie sprach einen Schwimmer an und bat ihn, ihr den Gegenstand hochzuholen. Es stellte sich heraus, dass es sich um einen Tresor handelte. Dieser war so schwer, dass die Seepolizei kommen musste, um ihn zu bergen. Der Safe war jedoch leer. Wir rätseln noch heute, wie es möglich war, einen so schweren Tresor bis ans Ufer zu schleppen und ins Wasser zu werfen.» Früher musste Müller auch im Naturschutzgebiet nach dem Rechten schauen. Er erzählt: «Ein Lehrer kam mit seiner Schulklasse und sie stellten ihre Fahrräder mitten im Naturschutzgebiet ab. Er wollte dort Naturkunde unterrichten. Ich war blitzartig dort und forderte ihn auf, nach hause zu gehen. Einem anderen Lehrer teilte ich in der Badi mit, dass das kleine Bad nur für Kleinkinder und nicht für die grösseren Schüler ist. Es dauerte nicht lange, da war die ganze Klasse im ‹Kinderbädli› versammelt und ich musste sie zurechtweisen. Auch gab es immer mal wieder Badegäste, die ihren Hund oder ihr Fahrrad mit ins Strandbad brachten. Zudem fanden immer mal wieder Hochzeitsanlässe im Strandbad statt. Ich erinnere mich an einen zurück, bei dem das Brautpaar mit dem Boot zum gegenüberliegenden Ufer ruderte. Dort stiegen sie aus und ein anderes, falsches Brautpaar, genau gleich gekleidet, stieg ins Boot. Dieses ruderte zurück und begann auf Höhe des Flosses zu streiten. Die Hochzeitsgesellschaft beobachtete das Ganze von hier aus. Der Streit artete aus und die falsche Braut flog mitsamt falschem Bräutigam ins Wasser. Das gab einen riesigen Tumult und die Gäste schrien: ‹Um Himmelswillen, das Kleid! Oh nein, die Frisur!› Man konnte sehen wie einige bleich im Gesicht wurden, bis sie bemerkten, dass es sich hierbei gar nicht um das richtige Brautpaar handelte.»

Nun heisst es Abschied nehmen

Zum Saisonstart 2022 wird ein neues Team, bestehend aus zwei Frauen, den Badebetrieb am Bichelsee übernehmen. Laut dem Badegenossenschaftspräsidenten Roland Kammermann war es keine einfache Aufgabe, eine passende Nachfolge zu finden. Letztendlich wird die Tätigkeit von seiner Ehefrau Esther Kammermann und ihrer Kollegin Sonja Koch übernommen. Die Badegenossenschaft wird diesbezüglich ihre Mitglieder auf dem Laufenden halten. Jetzt heisst es aber zuerst: Abschied nehmen vom jetzigen Team. Guido Müller meint: «Ein bisschen werde ich die Stammgäste schon vermissen. Ich bin jedoch nicht der emotionale Typ. Ich weiss ja schon länger, dass dies mein letzter Sommer ist und konnte mich damit auseinandersetzen. Conny und ich werden auf jeden Fall in Kontakt bleiben. Jetzt freue ich mich zuerst einmal darauf, nach Hause zurückzukehren und meine Familie wiederzusehen.» Conny Maissen reagiert da schon etwas emotionaler und verdrückt ein paar Tränen. Vorausplanen mag sie nicht und nimmt es wie es kommt. Das Wetter in diesem Sommer war so schlecht, dass es ihr dabei hilft, nun abzuschliessen und nach vorne zu schauen. Es sei schwierig, sich nach 29 Jahren von den Badegästen und den Stammkunden, zu denen sie ein herzliches Verhältnis aufgebaut hat, zu verabschieden. Am 13. August wurden Guido Müller und Conny Maissen offiziell nach 40, respektive 29 Jahren Tätigkeit am Bichelsee verabschiedet. Anzutreffen sind die beiden jedoch noch bis September, solange das Wetter schön ist und sie alle Aufräumarbeiten erledigt haben.
Auch ich zähle seit mehr als 20 Jahren zur Bichelsee-Stammkundschaft und darf sagen, dass mir die beiden in all den Jahren ans Herz gewachsen sind. Sie werden mir fehlen, wenn ich nächstes Jahr bei Saisonbeginn wiederkomme. An dieser Stelle möchte ich mich herzlich für all die tollen und schönen Jahre am See bedanken, für die vielen, dunklen Cervelats vom Grill und für Guidos Ansagen am Mikrofon, die Kultstatus erlangten. Die Badi-Besucher, die regelmässig im Strandbad sind, wissen wovon ich schreibe.

VANESSA SACCHET


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