Vanessa Sacchet im Gespräch mit Viola Stadler
13.07.2024 HagenbuchViola Stadler, geboren am 10. April 1986 in Sorengo, Tessin, wuchs zusammen mit zwei Schwestern auf. Die gelernte Tourismusfachfrau lebt heute in Hagenbuch, ist verheiratet und hat zwei Kinder. Sie erzählt, weshalb sie vom Tessin in die Deutschschweiz zog und was sie veranlasste, hier dem ...
Viola Stadler, geboren am 10. April 1986 in Sorengo, Tessin, wuchs zusammen mit zwei Schwestern auf. Die gelernte Tourismusfachfrau lebt heute in Hagenbuch, ist verheiratet und hat zwei Kinder. Sie erzählt, weshalb sie vom Tessin in die Deutschschweiz zog und was sie veranlasste, hier dem Frauenverein beizutreten.
«Im Jahr 2012 machte ich mich gemeinsam mit einer Freundin auf den Weg nach Altdorf, um Corinne zu besuchen und ein Wochenende unter Frauen zu verbringen. Zum selben Zeitpunkt plante auch Thierry, ein Freund von Corinne, sie zu besuchen. Sie lehnte jedoch ab, da wir bereits bei ihr waren. Als ich am Freitag erwähnte, dass ich wieder Single war, schlug Corinne vor, Thierry trotzdem einzuladen. So kam es, dass er am Samstag aus Kefikon anreiste und wir uns kennenlernten. Zwei Wochen später trafen wir uns erneut in Altdorf, da keiner von uns eine lange Anreise hatte.
Auf diese Weise fanden wir zueinander und führten bis Anfang 2013 eine Fernbeziehung. Zu dieser Zeit arbeitete ich im Verkehrsbüro in Mendrisio, wo es mir nicht mehr gefiel. Im März fand ich eine neue Stelle im Care-Team der SBB in Zürich und zog einen Monat vorher zu Thierry nach Kefikon. Die Wohnung war zu klein für uns, also entschieden wir, nach Münchwilen in eine grössere umzuziehen. Corinne, die damals in Altdorf lebte, kehrte nach Wallenwil zurück. Ich teilte Thierry mit, dass ich gerne in ihrer Nähe leben möchte, da ich hier keinen eigenen Freundeskreis hatte. Also zogen wir nach Wallenwil und heirateten im Jahr 2016. Nur ein Jahr später kauften wir ein Haus in Hagenbuch und unsere Tochter Olivia wurde geboren. Im Jahr 2023 kam unser Sohn Leo zur Welt.»
Das Tessin zu verlassen, fiel ihr nicht schwer
«Als Kind verbrachten wir oft Zeit mit der Familie in der Deutschschweiz, da die gesamte Verwandtschaft meiner Mutter dort lebte. Wir nahmen an vielen Anlässen teil und besuchten regelmässig unsere Grossmutter in Zug. So war mir die Deutschschweiz nicht fremd. Da mein Vater Tessiner ist und meine Mutter aus der Deutschschweiz stammt, wuchsen wir Kinder zweisprachig auf. Meine Mutter sprach immer Schweizerdeutsch mit uns, bis mein Vater abends von der Arbeit kam. Obwohl er die deutsche Sprache beherrscht, unterhielten wir uns alle in Italienisch. Wir Schwestern behielten es bis heute bei, miteinander Italienisch zu sprechen. Diese Zweisprachigkeit erleichterte mir den Umzug. Damals war mir jedoch nicht vollständig bewusst, was mich hier erwarten würde. Ich wusste nur, dass ich einen neuen Partner und eine neue Arbeit hatte. Viel zu verlieren hatte ich nicht, denn ich konnte jederzeit ins Tessin zurückkehren, wo meine Eltern und Schwestern leben. Inzwischen habe ich mich hier gut integriert.
Früher spielte ich 16 Jahre lang in einer Mandoline-Gitarren-Gruppe im Tessin. Nach Konzerten besuchten wir oft ein Grotto und sangen gemeinsam. Das waren wunderschöne Zeiten. Als ich mich entschied, in die Deutschschweiz zu ziehen, suchte ich vergeblich nach einer ähnlichen Gruppe. Stattdessen begann ich, mir einen neuen Freundeskreis aufzubauen. Ich lernte die Schwägerin von Corinne kennen und besuchte verschiedene Nähkurse in Wil, wo ich eine Näherin aus Münchwilen traf. Durch sie knüpfte ich erneut Kontakte. Besonders viele neue Bekanntschaften entstanden während des Vorbereitungskurses, als ich mit Olivia schwanger war. Natürlich pflege ich auch noch einige Freundschaften im Tessin.»
Vom Neuzugang zur Vizepräsidentin
«Eine Nachbarin machte mich auf den Frauenverein aufmerksam und fragte, ob ich Lust hätte, beizutreten. Als extrovertierter Mensch, der gerne unter Leuten ist, sagte ich zu, obwohl sie erwähnte, dass die meisten Mitglieder über 65 Jahre alt sind. Das hielt mich jedoch nicht davon ab. Als ich das erste Mal teilnahm, war ich tatsächlich die Jüngste. Bei der Generalversammlung 2020 stimmten sie über meine Mitgliedschaft ab. Zusätzlich wurde ich gefragt, ob ich dem Vorstand beitreten möchte, und wurde zur Vizepräsidentin gewählt. Meine Aufgaben umfassen die Organisation des Tagesausflugs, die Verwaltung der Anmeldungen für verschiedene Anlässe und die Besprechung der Planung von Aktivitäten. Das Jahresprogramm wird an der Generalversammlung präsentiert. Später erhalten die Anwesenden das Programm mit den Anmeldeformularen.
Wir sind etwa 50 Frauen, die gemeinsam verschiedene Dinge unternehmen. Im Januar hatten wir einen Frauen-Zmorge, Ende August gibt es einen Brunch, im September gehen wir Cervelat bräteln, im Oktober ist ein Lottoabend geplant, im November findet ein Nachmittagsausflug statt, wo wir etwas Besichtigen werden, und Ende November unser Raclette/ Fondue-Abend. Letzterer findet jeweils bei einer von uns zu Hause statt.
Dort wird auch die ‹stille Freundin› ausgelost. Wer mitmachen möchte, schreibt seinen Namen, Adresse und das Geburtstagsdatum auf einen Zettel. Dann werden diese ausgelost und jede zieht einen. So bekommen alle zum Geburtstag ein Geschenk, ohne zu wissen von wem. Das Rätsel der ‹stillen Freundin› wird erst am nächsten Raclette/Fondue-Abend aufgelöst. Es war lustig, als ich den Namen einer Person zog, die an ihrem Geburtstag im Urlaub war. Ich plante, ihr Geschenk für die Rückkehr vorzubereiten. Als ich jedoch an ihrem Geburtstag durch Hagenbuch spazierte, legte ich es heimlich in ihren Briefkasten. Ein Jahr später erfuhr sie, dass es von mir war.»
Beitrag zur Integration junger Menschen
«Vor etwa zwei Jahren trat eine Mutter dem Frauenverein bei, deren Mädchen mit meiner Tochter Olivia den Kindergarten besuchte. Die Mutter ist in meinem Alter. Im letzten Jahr traten erneut zwei Frauen in meinem Alter bei, obwohl ich sie darauf hinwies, dass der Verein hauptsächlich aus älteren Frauen besteht. Doch das hielt sie nicht davon ab, beizutreten. Unser jüngstes Mitglied hat Jahrgang 2001, das älteste wurde 1939 geboren. Mir persönlich ist es wichtig, dass ich bei jedem Anlass dabei bin. Findet er an einem Donnerstagnachmittag statt, nehme ich mir extra frei. An einem Freitagnachmittag hat Thierry immer frei und kann auf unsere Kinder aufpassen. Hier im Dorf fühle ich mich sehr wohl und bin dankbar für die herzliche Aufnahme. Natürlich spüre ich Unterschiede im Vergleich zum Tessin, denn die beiden Regionen pflegen verschiedene Lebensstile. Dennoch bemühe ich mich, meine Eltern und die beiden Schwestern so oft wie möglich in der sonnenverwöhnten Gegend zu besuchen. Gelegentlich reise ich allein mit meiner Tochter dorthin, während Thierry in dieser Zeit etwas mit unserem Sohn unternimmt. Im Februar war ich beispielsweise mit Leo im Tessin, während Thierry die Sportferien nutzte, um mit Olivia Ski zu fahren. Manchmal reisen wir auch alle zusammen.
Trotzdem stellte ich fest, dass ich eigentlich nicht mehr dorthin zurückziehen möchte. Ich fühle mich in Hagenbuch, wo ich meiner Näharbeit nachgehe und im Frauenverein aktiv bin, wohl. Diese Aktivitäten sind mir wichtig und ich möchte sie auch meinen Kindern weitervermitteln. Sie wachsen übrigens ebenfalls zweisprachig auf. Das Familienleben hat für mich einen hohen Stellenwert, besonders das Feiern von Ostern, Weihnachten und Geburtstagen im Kreise der Liebsten.»
VANESSA SACCHET