Vanessa Sacchet im Gespräch mit Vanessa Aellig
15.02.2025 RegionVanessa Aellig, geboren am 18. Oktober 1993 in Uster, wuchs gemeinsam mit ihren beiden Schwestern auf. Nach ihrer Ausbildung zur Coiffeuse wagte sie 2020 den mutigen Schritt in die Selbstständigkeit, und das auf eine ganz besondere Art. Mit viel Kreativität und handwerklichem Geschick ...
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Abo AngeboteVanessa Aellig, geboren am 18. Oktober 1993 in Uster, wuchs gemeinsam mit ihren beiden Schwestern auf. Nach ihrer Ausbildung zur Coiffeuse wagte sie 2020 den mutigen Schritt in die Selbstständigkeit, und das auf eine ganz besondere Art. Mit viel Kreativität und handwerklichem Geschick verwandelte sie einen LKW in einen mobilen Coiffeursalon, mit dem sie seither unterwegs ist.
«Ende 2020 kündigte ich meinen Job und gab meine Wohnung auf, da ich plante, in die USA auszuwandern. Doch drei Wochen vor meiner Abreise wurde mein Flug wegen der Corona-Pandemie gestrichen. Plötzlich stand ich vor der Frage: Was nun? Da ich bereits überall abgemeldet war, überlegte ich mir, ob dies nicht der perfekte Moment wäre, etwas völlig Neues zu beginnen. Ich hatte schon immer den Traum ein eigenes Geschäft zu führen. Allerdings wollte ich nicht an einen festen Standort gebunden sein, da das bedeuten würde, dauerhaft in der Schweiz bleiben zu müssen. Ein Ort, den ich nicht mehr so einfach verlassen könnte.
So suchte ich nach einer anderen Möglichkeit, selbstständig zu sein. Die logische Konsequenz war klar: Wenn ich flexibel bleiben wollte, musste mein Geschäft mobil sein. Gleichzeitig war mir wichtig, einen umfassenden Service anzubieten. Ich wollte nicht nur «die Coiffeuse für zu Hause» sein, sondern meiner Kundschaft eine professionelle Umgebung bieten.
So kam ich auf die Idee, einen LKW in einen voll ausgestatteten mobilen Coiffeursalon umzubauen. Ich begann, zahlreiche Telefonate zu führen, recherchierte und knüpfte Kontakte. So führte ein Schritt zum anderen und ich erkannte, dass die Idee tatsächlich umsetzbar war. Mein Traum nahm Gestalt an und aus einer spontanen Idee wurde ein echtes Herzensprojekt».
Den Traum vom eigenen, mobilen Coiffeursalon verwirklicht
«Zunächst überlegte ich, ob ich meinen mobilen Salon in einem Anhänger unterbringen könnte, den ich mit einem Auto ziehe. Da ich keine Anhängerprüfung besitze, erschien mir das zu umständlich. Ein älterer Herr, der Anhänger verkaufte, meinte: «Sie brauchen keinen Anhänger, sondern einen Wagen wie ein Fiat Ducato. Bauen sie die gewünschten Installationen ein, und sie haben eine saubere Lösung, mit der Sie problemlos mobil sein können». Ich musste ihm recht geben und begann, mich nach einem passenden Fahrzeug umzusehen. Doch beim Betrachten von Fiat Ducato-Modellen merkte ich schnell, dass sie für meine Pläne zu klein waren. Ich wollte, dass man sich wie in einem richtigen Salon fühlt. Bei dem ich mit meinem Rollhocker gut um den Coiffeur Stuhl herumfahren kann. Also suchte ich nach grösseren Kastenwagen und wurde schliesslich im Kanton Aargau fündig. Ich nahm Mass, überprüfte jedes Detail und stellte mir vor, wie alles angeordnet sein müsste, obwohl ich weder Friseurstuhl noch ein Waschbecken besass.
Mit viel Vorstellungskraft plante ich den Umbau Schritt für Schritt und war optimistisch, dass es funktionieren würde.
Ich bin der Typ Mensch, der einfach mal macht und schaut, was dabei herauskommt. Für den Umbau holte ich mir professionelle Unterstützung. Eine Firma kümmerte sich um die Installation von Wasser und Strom, während mein Schwager und mein Cousin, die in derselben Firma arbeiten, die Innenausstattung aus Holz übernahmen. Die grösste Herausforderung war, sicherzustellen, dass alles genauso umgesetzt wurde, wie ich es mir vorgestellt hatte. Meine Notizzettel voller Skizzen und Masse waren dabei Gold wert. Zu meiner eigenen Überraschung lief alles wie geplant – nahezu jedes Detail passte auf Anhieb. Natürlich musste ich später kleinere Anpassungen vornehmen, etwa zusätzlichen Stauraum schaffen, als ich merkte, dass ich während der Arbeit mehr Ablageflächen brauchte. Vom LKW-Kauf im November 2020 dauerte es einige Monate, bis ich meinen mobilen Salon Ende August 2021 eröffnete. Da ich zuvor mit kleinen Autos unterwegs war, war es schon eine Umstellung, plötzlich im LKW zu sitzen und damit herumzufahren. Vor allem auf der Autobahn. Glücklicherweise war ich es aus meiner Kindheit gewohnt, Traktor zu fahren, und so gewöhnte ich mich schnell an das neue Fahrzeug».
Flexibel, vielseitig und immer in Bewegung
«Ich biete ein breites Spektrum an Dienstleistungen an. Meine Kunden bediene ich an meinem festen Standort in Turbenthal, wo ich eine treue Stammkundschaft aufgebaut habe. Neben meinem Fixplatz bin ich in der ganzen Schweiz unterwegs. Ich werde von Einzelkunden gebucht, häufig von älteren Menschen, die nicht mehr aus dem Haus gehen und den Service bei sich vor der Türe schätzen. Für den Anfahrtsweg berechne ich eine Gebühr, die bei mehreren Personen geteilt werden kann. Das macht es für Gruppen oder Familien besonders attraktiv. Auch bei Events wie Hochzeiten bin ich gefragt. Ob Bern, Luzern, Zug oder Thurgau, ich nehme Aufträge in den unterschiedlichsten Regionen an. Die Selbstständigkeit hält mich dabei immer auf Trab, denn ich bin ständig dabei, neue Ideen zu entwickeln. Oft habe ich mehr Pläne im Kopf, als ich gleichzeitig umsetzen kann. Ein Beispiel ist mein Engagement für neue Zielgruppen. Altersheime schienen mir zunächst eine gute Möglichkeit, da viele ältere Menschen auf einen mobilen Service angewiesen sind. Allerdings stellte ich schnell fest, dass viele Altersheime bereits eigene Coiffeursalons haben, und ich wollte niemandem in die Quere kommen. Da kam mir die Idee mit den Campingplätzen. Dort sind die Menschen im Urlaub, und haben vielleicht vergessen zuvor die Haare zu schneiden.
Mein Service könnte genau die Lücke füllen. Ich fragte bei einem Campingplatz am Bodensee, wo ich meine Dienstleistung erfolgreich anbieten konnte. Das motivierte mich, die Idee auszubauen. 2023 entschloss ich mich, bei Campingplätzen im Tessin anzufragen. Statt lange E-Mails zu schreiben, und eine Abfuhr zu kassieren, fuhr ich direkt vor Ort und fragte persönlich nach. Die einen zeigten grosses Interesse und boten mir direkt eine Möglichkeit. Auf dem grossen Campingplatz Tamaro hatte ich Glück. Dort sagte man mir offen: «Wir können nicht garantieren, dass es bei dir läuft, aber du kannst einen Standplatz mieten und es ausprobieren.»
Kaum hatte ich meinen Salon geöffnet, arbeitete ich bis abends um 22 Uhr und ich hätte noch länger arbeiten können. Die Resonanz war riesig und ich wurde aufgefordert, am nächsten Tag weiterzumachen. Danach war der Platz ausgebucht und mir wurde angeboten, nächste Woche wieder zu kommen. Da ich aber einen Auftrag in Zürich hatte, verblieben wir so, dass wir das Ganze 2024 bereits im Vorfeld planen.
So kam es, dass ich bei allen Campingplätzen, die Interesse gezeigt hatten, einen Termin vereinbarte und insgesamt drei Wochen im Tessin arbeitete. Es war ein voller Erfolg. Sowohl für mich als auch für meine Kunden. Neben den klassischen Dienstleistungen wie Waschen, Schneiden und Färben biete ich auch spezielle Services an. Etwa das Flechten von Zöpfen, das besonders im Sommer grossen Anklang findet. Solche Frisuren kennt man eher aus dem Süden, und sie passen perfekt zu Ferien auf dem Campingplatz».
Persönliche Geschichten und einzigartige Momente
«Ein besonders cooles Erlebnis war, als mich eine Frau angerufen hat, die ihren Mann zum Geburtstag überraschen wollte. Dieser arbeitet auf einer Baustelle und hat nie Zeit, sich die Haare schneiden zu lassen. Sie teilte ihm mit, dass er an seinem Geburtstag um 11 Uhr auf der Baustelle sein muss, da ihn dort etwas erwartet. Als ich mit meinem LKW ankam, dachte er zunächst, es handle sich um einen gewöhnlichen Lieferwagen. Doch als er merkte, dass es ein mobiler Coiffeursalon ist, war die Freude riesig.
Ein anderes Highlight war ein Termin bei einer 97-jährigen Dame, die sich freute, dass ich zu ihr nach Hause kam. Auch ein älteres Ehepaar war sehr dankbar, dass ich beide direkt bei ihnen daheim frisieren konnte. Neben solchen Einsätzen hatte ich die Gelegenheit, ein Fotoshooting für das Albumcover einer Schweizer Sängerin im Zug zu begleiten. Und in Bern besuchte ich mit meinem mobilen Salon eine Freundin, um ihr Zöpfe zu flechten.
Geplant war eigentlich nur ein Tag. Doch als die Schulkinder nachmittags neugierig beim LKW vorbeischauten, buchten sie ebenfalls Termine, für Zöpfchen-Frisuren.
Meine Kunden schätzen besonders, dass sie im Salon mit mir ganz allein sind. Das schafft eine sehr persönliche und entspannte Atmosphäre. Bei Hochzeiten ist ein grosser Vorteil, dass ich vor Ort fünf bis sieben Frauen frisieren kann. Das spart Zeit und ist für alle bequem.
Bin ich an meinem Fixplatz in Turbenthal, geniesse ich die Abwechslung und das nicht ständig unterwegs sein genauso. Die Vielfalt, mal mobil, mal stationär, macht den Beruf für mich besonders spannend. Sie gibt mir die Freiheit, kreativ zu sein und meine Leidenschaft in ganz verschiedenen Bereichen auszuleben».
Freiheit auf Rädern
«Der Aufbau meines mobilen Salons war eine grosse finanzielle Herausforderung. Letztendlich habe ich mehr Geld investiert, als ich es für ein stationäres Geschäft hätte tun müssen. Es war mir wichtig, mich nicht einschränken zu lassen. Es sollte nicht nur ein Arbeitsplatz sein, sondern etwas, das mir Freude bereitet. Ist man mit Begeisterung bei der Sache, ist man auch bereit, mehr zu investieren. Ich sagte mir damals: Jetzt oder nie, wagte den Schritt und setzte alles auf eine Karte. Ich liebe meine Arbeit und bin mit Leidenschaft dabei. Meine Kunden spüren und schätzen das. Klar soll das Ganze auch finanziell tragbar sein, schliesslich muss ich davon leben. Doch für mich steht an erster Stelle, dass ich das, was ich mache, gerne tue. Die Grundidee, einen LKW als Salon zu nutzen, entstand aus meinem Wunsch nach Freiheit. Mit diesem Fahrzeug kann ich überall hinfahren, auch über die Grenzen der Schweiz hinaus. Theoretisch könnte ich ihn sogar verschiffen lassen. Das Thema Amerika ist noch nicht vom Tisch.
Es reizt mich, in der Ferne neue Wege zu gehen. Die Schweiz wird auf Dauer nicht mein einziger Heimatort bleiben. Wohin es mich zieht, ist noch offen. Ich lasse mich gerne von neuen Möglichkeiten inspirieren»
VANESSA SACCHET