Vanessa Sacchet im Gespräch mit Susanne Meese
26.08.2023 HofstettenSusanne Meese, geboren am 11. September 1986 in Schwedt, Ostdeutschland, nahe der polnischen Grenze, wuchs zusammen mit ihrem Halbbruder auf. Die gelernte Diplom-Biologin kam 2013 in die Schweiz. Sie lebt in einer Partnerschaft und arbeitet bei der Firma Meliofeed AG in Hagenbuch. Biologie ist ...
Susanne Meese, geboren am 11. September 1986 in Schwedt, Ostdeutschland, nahe der polnischen Grenze, wuchs zusammen mit ihrem Halbbruder auf. Die gelernte Diplom-Biologin kam 2013 in die Schweiz. Sie lebt in einer Partnerschaft und arbeitet bei der Firma Meliofeed AG in Hagenbuch. Biologie ist ein breites Feld, das sich mit dem Studium von Lebewesen und ihren Lebensprozessen befasst. Eine Diplom-Biologin mit Spezialisierung auf Nutztiere arbeitet in vielen verschiedenen Bereichen, die sich mit der Gesundheit, dem Wohlbefinden und der Zucht von Nutztieren befassen.
«Meine Eltern arbeiteten als gelernte Pferdewirte auf einem Gestüt als im November 1989 die Wende kam. Es ging Schlag auf Schlag. Der Betrieb wurde verkauft und ihnen gekündigt. Ich war damals drei Jahre alt. Wir zogen südlich von München auf ein anderes Gestüt. Als Kind war es traumhaft, von Pferden umgeben aufzuwachsen. So entstand auch die Passion für die Biologie. Ich hatte so schon recht früh Einblicke in das Weidemanagement, die Fütterung und was sonst noch alles dahintersteckt. Auch an den Feiertagen oder den Wochenenden gab es immer etwas zu tun. Dieses Thema beschäftigt viele Landwirte. Sie müssen sich permanent um ihre Tiere kümmern. Ich erinnere mich an Weihnachten, als ich klein war und mein Vater abends nach 21 Uhr noch ins Tierspital fuhr, weil ein Pferd eine Kolik entwickelt hatte. Das fand ich jeweils sehr schade, war aber nie ein Problem für mich. Die Tiere müssen versorgt werden. Ich bin damit gross geworden und es gehörte einfach dazu. Wir verbrachten viereinhalb Jahre auf dem bayerischen Gestüt und während dieser Zeit ist mein Halbbruder zur Welt gekommen. Mein Vater hatte dann aber Heimweh und es ging wieder Richtung Uckermark, zurück nach Ostdeutschland, wo ich die Schule besuchte und mein Abitur machte. Um das Studium zu absolvieren, bin ich zur Universität nach Greifswald gegangen. Ich habe mit dem Biologiestudium gestartet und wusste damals noch nicht, ob ich mit Wildtieren oder Nutztieren arbeiten möchte. Für mich war spannend zu sehen, wie eine Zelle funktioniert und was organische Chemie bedeutet. Auch über Moleküle und Botanik lernte ich viel. Ich habe verschiedene Praktika gemacht. Unter anderem ein dreiwöchiges Berufspraktikum im Jahr 2011 auf dem Haras National in Avenches. Das Schweizer Nationalgestüt ist eine Forschungseinrichtung mit angehängter Klinik, die sich der Zucht der Freibergerrasse widmet. Ich war in der Pferdeklinik tätig, die als eine der führenden KliniKen in Europa gilt. So habe ich immer wieder zu den Nutztieren und zur Landwirtschaft gefunden. Somit interessierten weniger die Exoten oder als Taxonomin im Amazonas unterwegs zu sein, denn ich wollte etwas «Handfestes» machen. 2013 startete ich mein Doktorat an der ETH. Da habe ich mir das Immunsystem der hochleistenden Milchkühe angeschaut und was es mit der Methanemission auf sich hat. Dabei habe ich meine Begeisterung für die Kühe entdeckt. Heute arbeite ich in der Firma Meliofeed AG am Standort Hagenbuch als Leiterin der Forschungs- und Entwicklungsabteilung sowie Leiterin im Produktmanagement Schwein. Ab 1. September beginne ich am Strickhof, das Kompetenzzentrum für Agrar-, Lebensmittel- und Hauswirtschaft mit Fokus auf Bildung und Forschung, wo ich wieder mehr in der interdisziplinären und vor allem praxisnahen Forschung tätig sein werde, also verschiedene Projekte mit den verschiedenen Nutztierarten. Als Biologin treibt mich vor allem die Neugierde an und ich würde von mir behaupten, dass ich eine passionierte Biologin mit Faible für Nutztiere bin. Das endet auch nicht, wenn ich abends nach Hause komme. Denn auch im Garten gibt es spannende Lebewesen rund um mich herum. Ich liebe alles, was kreucht und fleucht und ich beobachte gern.»
Bezug zur Landwirtschaft
«Ich finde die Tiere unheimlich faszinierend, auch die Physiologie dahinter. Sollte es mich einmal reizen, ins Ausland zu gehen, könnte ich mir vorstellen, ein mehrwöchiges Volontariat mitten im Urwald zu machen oder auf einer Farm zu arbeiten. Dann würde ich noch zwei Wochen Ferien dranhängen, um Land und Leute näher kennenzulernen. Am Strickhof werden wir viele Projekte starten, wo es auch um die Reduktion von Ammoniak-Emission geht. Das betrifft viele Landwirte, da es vom Bund gewisse Vorgaben gibt. Da wollen wir einiges bewirken. Ich habe auch eine Begeisterung für Digitalisierung und Automatisierung. Mich interessiert die Datenentstehung und deren Verarbeitung und vor allem, was man herauslesen kann und was der Nutzen für die Praxis ist. Es macht keinen Sinn, eine Applikation zu entwickeln und Daten zu sammeln, wenn dadurch keine Arbeitserleichterung generiert wird, sondern mehr Aufwand für den Landwirt entsteht. In der Schweiz, Deutschland, aber auch international konnte ich mir ein grosses Netzwerk mit anderen Wissenschaftlern und Unternehmen aufbauen. Ich hatte auch die Möglichkeit, an Konferenzen in Australien und Brasilien teilzunehmen und einen Teil meiner Doktorarbeit vorzustellen. Dies erfolgte entweder in Form eines Posters oder mit einem Vortrag, natürlich alles in Englisch. Es ist spannend, in ein anderes Land zu reisen, um andere Wissenschaftler kennenzulernen sowie fremde Kulturen. In Brasilien habe ich die Chance genutzt, dass ich eine Woche Ferien drangehängt habe, um ein wenig umherzureisen. So sind grossartige Kontakte und Freundschaften entstanden und es ist spannend zu sehen, was die Leute vor Ort bewegt. Ich bin jedoch der Meinung, dass man gar nicht immer so weit weggehen muss. Auch in Europa gibt es viel Grossartiges.»
Bildung liegt mir am Herzen
«Mit meiner neuen Arbeit, die ich am 1. September am Strickhof beginne, werde ich auch in der Bildungssparte zu tun haben. Ein Dozent einer von mir besuchten Weiterbildung hat einmal zu mir gesagt: Du wirst bestimmt Lehrerin. Als Kind hatte ich mal so einen Gedanken, den ich jedoch schnell wieder verworfen habe. Aber in den letzten zweieinhalb Jahren habe ich bereits Kurse, beziehungsweise Vorlesungen an der ETH und der Uni Zürich gehalten. Da ging es vor allem um das Thema Smart Farming oder um das wissenschaftliche Schreiben für die Fachliteratur und wie man die Fachartikel interpretieren kann. Inzwischen konnte ich in der Theorie und Praxis viel Erfahrung sammeln, was sicherlich vorteilhaft ist. Das ist etwas, was ich der nächsten Generation mitgeben kann. Ich betreibe weiterhin praxisnahe Forschung, Beratung und gleichzeitig Bildung – diese Mischung braucht es und mich erfüllt das. Gerade im letzten Bereich erhält man viel Rückmeldung und man hört nie auf zu lernen. Ich würde mich als Brückenbauerin bezeichnen. Es begeistert mich, wenn ich mich mit einem IT-Spezialisten übers Programmieren unterhalten kann und ihm sagen kann, was der Landwirt XY, oder die Forschungsanstalt braucht. Dafür habe ich ein Händchen. Mir wurde schon gesagt, dass ich in dieser Hinsicht sehr diplomatisch bin und dass ich die Bedürfnisse gut abholen kann. Wenn das meine Stärke ist, plus meine Begeisterung für die Landwirtschaft, dann ist das, glaube ich, die beste Voraussetzung. Ich bin stolz darauf, was ich mir alles erarbeitet habe, und habe die Erkenntnis gewonnen, dass man im Leben manchmal einfach den Schritt wagen und keine Angst vor Veränderung haben darf. Das habe ich sehr bewusst getan. Es war nicht immer einfach. Gerade während dem Studium, wo ich nur Studentenjobs gehabt habe, und dabei nicht viel Geld verdiente. Und dann zum Doktorat in ein anderes Land ziehen, dass ich nur wenig kannte mit einer anderen Kultur, welche ich schnell lieben und schätzen gelernt habe. Das ist, glaube ich, der Punkt, der mich geprägt hat – Augen zu und durch. Es wird vielleicht ein bisschen holprig, aber alles kommt gut.»
VANESSA SACCHET