Vanessa Sacchet im Gespräch mit Stéphanie Zeier
20.09.2025 RegionStéphanie Zeier, geboren am 19. Juni 1985 in Zürich, wuchs gemeinsam mit zwei Brüdern auf. Die ausgebildete Floristin ist verheiratet und Mutter von drei Kindern. Später entschied sie sich für eine zusätzliche Ausbildung zur Sozialpädagogin. Heute führt sie ...
Stéphanie Zeier, geboren am 19. Juni 1985 in Zürich, wuchs gemeinsam mit zwei Brüdern auf. Die ausgebildete Floristin ist verheiratet und Mutter von drei Kindern. Später entschied sie sich für eine zusätzliche Ausbildung zur Sozialpädagogin. Heute führt sie gemeinsam mit ihrem Mann den Betrieb StadtLand Winti, ein Herzensprojekt, das Beruf, Familie und gesellschaftliches Engagement verbindet. Was genau dahintersteckt, erzählt die 40-Jährige im Gespräch.
«Mit der Übernahme des Hofbetriebs in Zünikon im Jahr 2019, zusätzlich zu unseren Standorten in Neftenbach und Wülflingen, entstand der Name StadtLand Winti. Wir bewirtschaften mehrere landwirtschaftliche Flächen rund um Winterthur, sind aber gleichzeitig eng mit der Stadt verbunden. Wir beliefern zahlreiche Bioläden und Privatkunden in Winterthur, pflegen den direkten Kontakt zu unserer städtischen Kundschaft und leben doch selbst auf dem Land, wo unsere tägliche Arbeit stattfindet. Der Name steht nicht nur für unsere geografische Verbindung, sondern auch für unsere Philosophie. Wir wollen eine Brücke schlagen zwischen Stadt und Land, zwischen Konsum und Produktion, zwischen Mensch und Natur. Deshalb schreiben wir StadtLand auch zusammen, als Ausdruck unserer Überzeugung, dass diese beiden Welten zusammengehören. Mit Hoffesten und anderen Begegnungsformaten schaffen wir Gelegenheiten, in denen sich die Gesellschaft neu verbinden kann».
Flächen mit bis zu neun verschiedenen Ackerkulturen
«Wir sind innovativ und probieren gerne Neues aus. Je nach Standort arbeiten wir mit unterschiedlichen Anbaumethoden. In Zünikon setzen wir auf das klassische Pflügen, und verwenden auch Mist von Kühen zur Düngung. An anderen Standorten pflügen wir hingegen nicht, sondern versuchen, den Boden mit natürlicher Düngung zu bewirtschaften. Also ohne tierischen Mist, sondern indem wir Gründüngung säen. Man geht heute davon aus, dass sich der Boden besser regenerieren kann, wenn man Pflug los arbeitet. Die Maschinen sind schwer, und beim tiefen Pflügen wird die Bodenstruktur beschädigt. Arbeitet man nur in den oberen Bodenschichten, ist das viel schonender. Natürlich kann das auch bedeuten, dass der Ertrag etwas geringer ausfällt. Die Menge ist nicht riesig, dafür ist die Qualität deutlich höher, weil der Boden gesund bleibt. Es gibt viele Lebewesen wie Regenwürmer, die eine wichtige Rolle spielen, und genau durch sie bleibt der Boden langfristig fruchtbar. Welche Methode sich eignet, hängt auch von der Bodenbeschaffenheit ab.
Besonders spannend ist zu beobachten, wie sich über die Jahre die Qualität des Getreides entwickelt, je nachdem, wie wir anbauen. Inzwischen können wir unser Getreide und andere Ackerfrüchte selbst dreschen. Wir testen immer neue Kulturen. Es ist ein riesiger Aufwand, aber genau dadurch gelingt es uns, spezielle Produkte zu erzeugen, wie etwa Linsen oder Kichererbsen. Letztere haben wir über drei Jahre hinweg ausprobiert und dieses Jahr nicht mehr angebaut, weil es einfach zu aufwendig ist. Der Ertrag war zu gering. Dafür bieten wir dieses Jahr zum ersten Mal Rollgerste an».
Alte Sorten, neue Ideen. Landwirtschaft mit Haltung
«Durch unsere Direktvermarktung sind wir stets in Kontakt mit unserer Kundschaft. Als wir damals Kichererbsen hatten, die qualitativ gut, aber optisch nicht ganz schön waren, haben wir erklärt, woran das liegt. Viele unserer Kundinnen und Kunden, wie auch die Bioläden, waren trotzdem offen dafür. Einmal hatten wir beim Dinkel Schwierigkeiten mit der Qualität. Da haben die Leute das Produkt ausprobiert, gebacken und uns Rückmeldungen gegeben, wie es sich verhält. Dieser Austausch ist unglaublich wertvoll. Was uns besonders ausmacht, ist unsere grosse Vielfalt. Nicht nur im Sortiment, sondern auch für die Natur und Umwelt. Zum Beispiel bei den alten Hochstammbäumen, die wir erhalten. In denen leben Vögel und andere Tiere, das ist ökologisch viel wertvoller, als wenn man auf Massenproduktion setzt. Natürlich gibt es auch Jahre, in denen das Obst nicht besonders schön aussieht, aber das ist für uns völlig in Ordnung. Wir haben viele verschiedene Sorten wie Gravensteiner, Berner Rosen und klassische Mostäpfel. Daraus stellen wir selbst Süssmost her. Unser Most ist sehr fein, da wir auf hohe Qualität achten, und dass keine faulen Äpfel in die Presse gelangen. Vor allem die Vielfalt der Apfelsorten macht den Geschmack besonders».
Lieber einmal liefern als zehnmal fahren
«Bei uns gibt es verschiedene Möglichkeiten, um einzukaufen. Man kann vorbestellen, wir richten alles her, und die Kundinnen und Kunden holen es dann direkt bei uns auf dem Hof ab. Alle vier bis sechs Wochen bieten wir auch Hauslieferungen an. Die Idee dahinter ist, dass nicht alle einzeln zu uns fahren müssen. Das finden wir ökologisch nicht sinnvoll. Lieber fahren wir einmal eine grosse Runde und beliefern mehrere Haushalte gleichzeitig. Das gilt für unser Getreide, aber auch für alle verarbeiteten Produkte wie Sirup, Süssmost, Trockenfleisch oder die verschiedenen Öle, Raps-, Leinen- und Sonnenblumenöl, die wir selbst herstellen. Vieles, was wir anbauen, verarbeiten wir auch direkt hier auf dem Hof. Für manche Dinge arbeiten wir mit Partnern zusammen. Zum Beispiel mit der Mühle Heitertal, die für uns das Mehl mahlt. Wer möchte, kann auch für die Märkte vorbestellen und die Produkte dann direkt dort abholen. Was wir ebenfalls anbieten, sind unsere Mischpakete vom jungen Rind. Die gibt es alle sechs bis neun Wochen als Frischfleischpakete mit fünf oder zehn Kilo. Zu all den Lebensmittel biete ich als gelernte Floristin zusätzlich ein Blumensortiment direkt ab Hof an. Den grössten Teil mache ich selbst, manchmal unterstützt mich meine Kollegin, die ebenfalls bei uns im Betrieb arbeitet. Mein Ziel ist es, Blumen zu verwenden, die gerade zu der jeweiligen Jahreszeit wachsen. Im Sommer ist es möglich, einzelne frische Blumensträusse anzubieten. Im Winter arbeite ich vor allem mit Trockenblumen, die ich über den Sommer gesammelt und getrocknet habe. Daraus gestalte ich Kränze, Gestecke und Arrangements. Es geht darum, Blumen nachhaltig und bewusst zu verarbeiten. Wenn jemand im Winter für eine Hochzeit oder eine andere Veranstaltung frische Blumen möchte, achte ich sehr darauf, nur solche einzukaufen, die nicht aus Übersee kommen.»
Zwischen Idealismus und Wirtschaftlichkeit
«Die intensivste Zeit bei uns ist definitiv vom Frühling bis in den Herbst. Das Koordinieren von allem, Hof, Verarbeitung, Direktvermarktung, Familie, ist eine grosse Herausforderung. Gerade mit den Kindern ist es nicht immer einfach, alles unter einen Hut zu bringen und die Arbeit gut zu bewältigen. Angefangen haben wir zu dritt: mein Mann, seine Mutter und ich. Doch irgendwann wurde es zu viel, wir brauchten mehr Leute. Wir haben ein grosses Team, das auch finanziert werden muss. Unsere Motivation ist, als Gemeinschaft zu arbeiten. Gleichzeitig ist es leider so, dass es finanziell kaum tragfähig ist. Der Wert der landwirtschaftlichen Arbeit wird nach wie vor massiv unterschätzt. Was man eigentlich bräuchte, um nachhaltige, hochwertige Produkte zu einem fairen Preis zu produzieren, das ist in der Realität nur schwer möglich. Die Löhne in der Landwirtschaft sind generell sehr tief. Wir zahlen verhältnismässig hohe Löhne, auch, weil wir der Meinung sind, dass gute Arbeit gut entlöhnt werden sollte. Aber das bedeutet auch: Alles, was wir in der Direktvermarktung einnehmen, fliesst fast vollständig in die Löhne. Wir müssen unser Management im Griff haben, damit wir nicht in die roten Zahlen rutschen. Es ist schade, dass genau das, was für Natur, Umwelt und unsere Gesundheit eigentlich am wertvollsten ist, nämlich Qualität und Nachhaltigkeit, oft nicht entsprechend geschätzt wird. Wir wünschen uns mehr Offenheit und Bewusstsein von der Kundschaft und ein Verständnis dafür, was es bedeutet, wenn eine Frucht wächst, blüht und geerntet wird. Das ist ein wunderschöner, natürlicher Prozess. Aber die Natur kann das nur weiterhin leisten, wenn sie besser unterstützt wird, durch nachhaltiges Leben, weniger Fleischkonsum und mehr Achtsamkeit bei dem, was man isst. Denn letztlich tut man mit guter Qualität vor allem sich selbst etwas Gutes. Und genau deshalb lohnt es sich, darauf zu achten.»
VANESSA SACCHET