Vanessa Sacchet im Gespräch mit Sandra Reinhardt

  05.11.2022 Iltishausen

Sandra Reinhardt, geboren am 7. Februar 1993 in Frauenfeld, wuchs mit drei Schwestern auf dem Iltishof auf. Die gelernte Kauffrau ist verheiratet und hat eine Tochter. Das Reisen faszinierte sie schon immer. Von Dezember 2016 bis April 2017 war sie für fünf Monate unterwegs. Gerne erinnert sie sich an diese Zeit.
«Als ich das erste Mal reiste, war das ein wunderschönes Gefühl. Ich konnte alles hinter mir lassen, abschalten und geniessen. Schon früh begann ich zu sparen und suchte mir mein nächstes Reiseziel aus. Ich war nie jemand, dem Markenkleider wichtig waren. Zu Hause wurde uns beigebracht, Verantwortung zu übernehmen. So mussten wir Geschwister mit unserem Lehrlingslohn die Krankenkasse selbst bezahlen. Ich besass ein Sparkonto und legte mir von meinem Lohn immer einen Betrag zur Seite. Mit 18 Jahren konnte ich mir so mein erstes Auto finanzieren.
Meine Cousine Brigitte wohnte in Hongkong und unsere Familie besuchte sie. 2014 war ich für einen Monat in Thailand, später in Amerika und als Brigitte von Hongkong nach Bali umzog, besuchten wir sie. Ich war später noch einmal dort, erkrankte aber an Denguefieber. Für mich war klar, dass ich ein drittes Mal hierherkommen möchte. Als mein damaliger Partner Tobi und ich die Reiseziele definierten, die wir besuchen wollten, war Bali unsere erste Destination nebst Australien und Neuseeland.
Da ich ein tierliebender Mensch bin, faszinierte mich Australien schon immer. Nach Neuseeland wollte ich, da meine beiden Schwestern schon dort waren. Ich mag Grossstädte nicht wirklich gerne. Viel lieber besuche ich die abgelegenen Orte. Als ich bei der Gemeinde Thundorf als kaufmännische Angestellte arbeitete, wusste man von meiner Passion, dem Reisen, und es war klar, dass es mich früher oder später in die Ferne zieht. Im Dezember 2016 ergab es sich, dass ich all meine Ferien, die Überzeit und zwei Monate unbezahlten UrlaUb nehmen konnte.»

Bali, Australien und Neuseeland

«Als die Reise losging, starteten wir nicht mit den besten Voraussetzungen und es kam zu einigen kleineren Zwischenfällen», erinnert sich die heute 29-Jährige lachend und ergänzt: «Meine Mutter brachte uns zum Flughafen Kloten und fuhr fast in die Parkhausbarriere. Bei der Flughafenkontrolle bekamen wir Panik, da bei Tobi Sprengstoff angezeigt wurde, was eine intensive Untersuchung nach sich zog. Gefunden wurde selbstverständlich nichts. In Bali angekommen, war mein Gepäck nicht da und als wir den Flughafen verliessen, nahmen sie Tobis Koffer gründlich auseinander. Bei meinem Webreader, mit dem man online Bücher lesen kann, war plötzlich nur noch ein schwarzer Bildschirm zu erkennen und zu guter Letzt gab auch mein Laptop den Geist auf.
Wir wohnten bei meiner Cousine Brigitte. Raphaela, Tobis Schwester, kam mit ihrem Freund ebenfalls nach Bali und wir verbrachten Weihnachten und Silvester zu fünft. Mit ihr erlebte ich etwas Lustiges. Als wir am Abend zusammen kochen wollten, gingen unsere beiden Männer bereits zurück, während wir beim Mexikaner eine Vorspeise holten. Wir gönnten uns dort noch eine Margarita und machten uns auf den Heimweg. In Bali ist es um 18 Uhr bereits dunkel. Die Strassen und Trottoire sind voller Löcher und Gräben. Ich unterhielt mich mit Raphaela und plötzlich war sie einfach verschwunden. Wie vom Erdboden verschluckt. Ich sah mich um und konnte gar nicht glauben, dass sie nicht mehr da war. Da sah ich sie im Strassengraben liegen. Ich musste dermassen lachen, weil die Situation extrem komisch war. In einem Moment war sie noch da, im anderen urplötzlich weg. Ich entschuldigte mich bei ihr, da sie sich doch am Knie verletzte. Sie meinte, ich dürfe schon lachen, da sie im wahrsten Sinn des Wortes vom Erdboden verschluckt wurde. Noch heute schmunzeln wir darüber.
Bali gefiel mir wahnsinnig gut. Es hat wohl damit zu tun, dass Brigitte dort lebte und viele Einheimische kannte. Diese brachten uns nicht an die typischen Touristenstrände, sondern zeigten uns Orte, die wir sonst nie zu Gesicht bekommen hätten. Im Norden sahen wir Delfine und was mich wahnsinnig faszinierte, waren die Gili-Inseln. Auf der kleinsten davon kann man nur mit Pferdekutschen herumfahren, da sie autofrei ist. In circa einer Stunde hat man zu Fuss die ganze Insel umrundet.
Nach unserem Aufenthalt in Bali flogen Tobi und ich für einen Monat nach Australien. Dort faszinierte mich die enorme Tiervielfalt sowie die Leute, die immer sehr fröhlich, freundlich und hilfsbereit sind. Wir waren mit einem Sprinter-Bus unterwegs, der mit Dusche, WC, Kochnische und einem Bett ausgestattet war. Gefahren sind wir von Brisbane nach Adelaide. Auf einem Campingplatz trafen wir einen Schweizer mit der Schweizer Fahne an seinem Fahrrad. Er legte mit diesem dieselbe Route wie wir, einfach in der entgegengesetzten Richtung, zurück. Das war sehr eindrücklich. Wir lernten Berner kennen, mit denen wir uns später in Neuseeland verabredeten, da wir wussten, dass wir dort in derselben Gegend unterwegs sein werden. Nach unseren Ferien besuchten wir uns gegenseitig und der Kontakt besteht noch heute.
Als es dann zu unserem letzten Reiseziel nach Neuseeland ging, mieteten wir einen typischen kleinen Bus von Wicked Camper, der farbig bemalt war. Am ersten Tag kauften wir diverse Dinge ein, holten das Maximum aus dem Wagen heraus und statteten ihn mit einer Matratze aus, um es uns gemütlich zu machen. Als wir auf einem Campingplatz kochten, parkte ein Einheimischer neben unserem Bus. Wir kamen ins Gespräch. Er erzählte uns von der Jagd, gab uns Hirschfleisch zu probieren, was uns sehr schmeckte. Die Leute dort sind wahnsinnig zuvorkommend.
Neuseeland ist vergleichbar mit der Schweiz, einfach viel grösser. Es ist wunderschön und wir erlebten tolle Abenteuer. Die Artenvielfalt der Tiere ist nicht gross, dafür gibt es unglaublich viele Schafe. Meine kleine Schwester Marina und die beste Kollegin Anja besuchten uns. Später flog Tobi mit Marina in die Schweiz zurück, während Anja und ich uns auf den Weg nach Cook Island machten. Dort verbrachten wir zehn Tage im Südpazifik und erholten uns vom Autofahren. Der Strand und die Palmen waren paradiesisch.»

Fast täglich Reisetagebuch geführt

«Wenn wir zwischendurch etwas Zeit übrighatten, luden Anja und ich mit einer App unsere Reisebilder online hoch und stellten diverse Fotobücher zusammen. Diese liessen wir uns fixfertig an die Adresse zu Hause schicken. So wussten wir, dass wir sie uns anschauen können, sobald wir wieder zurück sind. Als die letzten Tage in Australien nahten, machten wir eine Dreitagestour. Wir lernten eine Deutsche kennen und hatten es unglaublich lustig zusammen. Mit ihr pflegen wir heute noch Kontakt. Ein Jahr später besuchten wir sie in München. Letztes Jahr kam sie zu uns auf den Hof und half am Kürbisfest mit. Uns verbindet eine unglaublich schöne Zeit.
Nach fünf Monaten umherreisen, hiess es Abschied nehmen. Ich mag mich gut daran erinnern. Anja und ich sassen in Darwin am Flughafen und hatten unsere Go-Pro-Kamera dabei, mit der wir ab und an filmten. Sie nahm sie hervor und begann mit der Aufnahme. Ich hätte etwas sagen sollen. Schlussendlich weinten wir beide einfach nur. Wir hatten eine so tolle und intensive Zeit, fühlten uns unglaublich frei und durften so viel Schönes erleben. Klar waren da ein lachendes und ein weinendes Auge. Auf der einen Seite gab es all die schönen Momente und vielen Abenteuer. Das Land zu verlassen, fiel uns unheimlich schwer. Wir freuten uns zwar auf Familie und Freunde, hätten jedoch ohne Probleme noch länger bleiben können. Während der Reise damals passierte viel. Ich gab meiner Schwester bereits in Neuseeland die Kündigung mit, da ich mir nicht vorstellen konnte, nach dieser Reise zurückzukehren und weiterhin im Büro zu sitzen. Das war die beste Entscheidung, die ich treffen konnte. Ich kam zurück, hatte zwar keine Arbeit, war dafür reich an Erfahrungen.
Auf dem elterlichen Bauernhof gab es immer etwas zu tun. So half ich tatkräftig mit und begann nebenbei eine Ausbildung zur Fitnesstrainerin. Von der Gemeinde Kesswil wurde mir ein Springereinsatz angeboten und von einer Aadorfer Firma erhielt ich ebenfalls eine Anfrage, um auszuhelfen. Es kamen Angebote, die nicht geplant waren und mit denen ich nicht im Geringsten rechnete. 2018 begann ich gemeinsam mit meiner Schwester die Bäuerinnen-Schule. Wir beide werden im nächsten Jahr den elterlichen Hof übernehmen. Mir liegt sehr viel an Ettenhausen, beziehungsweise Iltishausen, dem Ort, an dem ich aufwuchs. Man bringt mich von hier nicht weg. Sesshaft wurde ich jedoch nicht wirklich, das Fernweh blieb.»

VANESSA SACCHET


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