Vanessa Sacchet im Gespräch mit Roman Brazerol
02.03.2024 Elgg, Leute aus der RegionRoman Brazerol, geboren am 29. Juni 1988 im Albulatal Graubünden, wuchs zusammen mit einem Bruder und einer Schwester auf. Der gelernte Forstwart absolvierte nach seiner zehnjährigen Tätigkeit ein 21-monatiges Vollzeitstudium zum Förster HF. Über den vielseitigen und ...
Roman Brazerol, geboren am 29. Juni 1988 im Albulatal Graubünden, wuchs zusammen mit einem Bruder und einer Schwester auf. Der gelernte Forstwart absolvierte nach seiner zehnjährigen Tätigkeit ein 21-monatiges Vollzeitstudium zum Förster HF. Über den vielseitigen und anspruchsvollen Beruf sowie die Liebe zur Natur gibt mir der 35-jährige Auskunft.
«Ich hielt mich allgemein gerne in der Natur auf. Einen handwerklichen Beruf zu lernen, war für mich deshalb von Anfang an klar. Vor allem der Wald hat es mir angetan, mit seinen Jahreszeiten, die schöne und weniger schöne Seiten zeigen. Ich bereue es keinen Tag, diese Entscheidung getroffen zu haben. Das draussen arbeiten ist nicht jedermanns Sache. Gerade im Winter bei Minustemperaturen. Aber als Forstwart ist man sich die Arbeit draussen gewöhnt und dementsprechend gut gekleidet. Zu warm anziehen darf man sich jedoch nicht, wegen dem Schwitzen und somit nass werden.
Auch ist der Gesundheitsschutz und die Ernährung ein grosser Bestandteil der Ausbildung zum Forstwart. Jeder von uns kennt die Ernährungspyramide und weiss was man essen und nicht essen sollte. Die Mahlzeiten sind eher Währschaft. Manchmal isst man aber einfach das, was man gernhat und nicht unbedingt das, was gut für einen wäre. Eigentlich müssen wir nicht darauf achten, dass wir zu viele Kalorien zu uns nehmen, sondern eher, dass wir nicht zu wenige davon essen. Wir benötigen vor allem Nahrungsmittel, die uns Kraft geben und sie sollten über den ganzen Tag verteilt werden. Je nach Ernährungstyp, müssen wir uns mit Zwischenmalzeiten, wie einem Znüni oder Zvieri verpflegen. Vor allem in den Wintermonaten ist es wichtig, am Mittag etwas Warmes zu sich zu nehmen und nicht bloss einen Salat oder ein Müesli zu essen.»
Forstwart und Förster: Die Unterschiede
«Im Volksmunde verwechselt man diese beiden Berufe immer wieder gerne. Ein Forstwart erledigt grundsätzlich die praktische Arbeit im Wald. Er kümmert sich um die Holzerei, das Brennholz machen, Christbäume schneiden, den Strassenunterhalt und die Waldpflege. Wenn in der Werkstatt etwas geflickt werden muss, kümmert er sich ebenfalls darum. Auch die Lehrlingsausbildung gehört dazu. Man kann jedoch sagen, dass die Kernkompetenz in der Holzernte liegt.
Der Förster wiederum ist vor allem in beratender Funktion tätig, wenn jemand einen Privatwald besitzt. Meistens ist er einem Revier zugeteilt, wo er dazu schaut, dass der Wald nicht über- oder unternutzt wird und der ganze Holzverkauf funktioniert. Er zeichnet an, welche Bäume gefällt werden müssen. In den wenigsten Fällen werden diese von ihm selbst gefällt. In Elgg erledigt diese Arbeit der Forstwart. Kurz zusammengefasst ist der Förster mehrheitlich in der Planung tätig. Für den Schutzwald oder die Waldrandpflege gibt es vom Kanton und Bund Beiträge. Der Förster füllt Formulare aus und erledigt die ganze Bürokratie. Da bietet die Arbeit draussen eine willkommene Abwechslung.
Nebst den Temperaturen, die von den meisten Leuten im Winter als unangenehm wahrgenommen werden, ist es für uns gar nicht so schlimm. Zumal die kalten Temperaturen für die Arbeit viel attraktiver sind. Das Holz ist weniger dreckig, der Boden geht weniger kaputt und wir sind mit unserer Schutzkleidung warm genug angezogen. Diese müssen wir immer tragen. Auch im Sommer bei über 30 Grad. Es ist dann sehr unangenehm, in diesen dicken Hosen herumzulaufen.
Was uns ebenfalls vor Herausforderungen stellt, sind die verschiedenen Rahmenbedingungen. Ende März zum Beispiel sollten wir wegen der Brut und Setzzeit der Rehe und Vögel kein Holz mehr schlagen. Wenn wir am Bach entlang holzen, müssen wir auf die Fischschonzeit achten. Wir sind eng mit der Natur verbunden und haben inzwischen viele Auflagen, die wir beachten müssen. Im Sommer und Herbst sind wir grösstenteils im Naturschutz unterwegs. Wir pflegen Waldflächen, damit dort möglichst wenig Nährstoffe in den Boden eingetragen werden. Wir mähen, rechen das ganze Material heraus, damit dort seltene Arten wachsen, die möglichst wenig Nährstoffe benötigen – beispielsweise Orchideen.»
Der Beruf im Wandel der Zeit
«Der Forstwart muss mit Motorsäge, Freischneider – den wir beim Mähen benötigen – diversen Motormähern und Spezialmähmaschinen, die in der Holzerei eingesetzt werden, umgehen können. Wobei nicht jeder Forstwart alle Hilfsmittel nutzt. Es ist klar definiert, wer für den Unterhalt der Maschinen zuständig ist, sodass diese richtig gewartet werden und möglichst effizient funktionieren. Werkzeuge, die der Förster benötigt, sind Messgeräte, um das Volumen der Bäume zu messen, wenn sie am Boden liegen. Um sie nachher zu verkaufen, müssen wir die Länge des Stammes und den Durchmesser aufnehmen.
Das wird alles automatisch via Computer, den wir an der Hand haben, berechnet und eine Holzliste erstellt. So können wir sie dem Käufer schicken. Es gibt auch Energieholz, das nachher zu Holzschnitzeln verarbeitet wird. Da schätzen wir nur noch das Volumen des Haufens, laden das Foto und die Koordinaten auf ein Tool, damit der Käufer selbst entscheiden kann, wann und wo das Holz abgeführt wird. Das sind alles sehr moderne Abläufe. Früher schrieb man das ganze einfach in einen Notizblock, und wenn der Chauffeur mit dem Lastwagen kam, musste man ihm den Haufen im Wald zeigen.»
Im Dialog für Verständnis und Zusammenhalt
«Viele Leute wissen unsere Arbeit im Wald zu schätzen. Wenn wir merken, dass sich jemand dafür interessiert, geben wir gerne Auskunft über unsere Tätigkeit. Wir versuchen auch Öffentlichkeitsarbeit zu leisten, um zu informieren und aufzuklären – sei dies durch die Zeitung oder einen Anlass. Es gibt aber auch die weniger schönen Erlebnisse für die Forstwarte. Immer wieder kommt es vor, dass Personen kein Verständnis für die Arbeiten, die verrichtet werden müssen, aufbringen. Sie bezeichnen uns als Baummörder, die einfach alles abholzen. Das Gespräch zu suchen, ist aus meiner Sicht die beste Lösung.
Jeder geht mit einem anderen Ziel in den Wald. Die meisten möchten ihre Ruhe haben und sich erholen. Es gibt Biker, Reiter, Orientierungsläufer, Wanderer, Pilzsammler und Jäger … und es gibt uns, die für die Waldpflege zuständig sind. Wir hoffen auf mehr Verständnis aus der Bevölkerung. Die Leute sollen wissen, dass wir nicht aus Prinzip Schlechtes tun. Letzthin unterhielt ich mich mit einem älteren Förster, der mir sagte, dass man früher noch eine angesehene Person war. Da sei man wie der Lehrer oder Pfarrer im Dorf der Herr Förster gewesen. Heute müssen wir gute Argumente und Fakten liefern, um unsere Arbeit zu rechtfertigen. Mir persönlich ist es wichtig, dass man gegenseitig Rücksicht nimmt und nicht jeder den Wald aus seinem eigenen Blickwinkel betrachtet. Jeder sollte Verständnis für den anderen aufbringen.»
VANESSA SACCHET