Vanessa Sacchet im Gespräch mit Peter Werdmüller

  22.01.2022 Leute aus der Region

Peter Werdmüller, geboren am 14. November 1968 in Winterthur, wuchs zusammen mit seinen beiden Schwestern in Aadorf auf. Der gelernte Bankkaufmann ist verheiratet und wohnt heute in einer alten Schlosserei auf einer Fläche von 880 Quadratmetern. Zusammen mit seiner Frau kam er auf die Idee, die alte Werkstatt in ein Loft umzubauen.
Als ich vor dem Gebäude stehe, ist nirgends eine Türklingel zu sehen. Dafür gibt es im wahrsten Sinne des Wortes eine Türglocke, denn am Eingang hängt eine grosse Kuhglocke mit Schnur, an der man ziehen kann. Das Bellen eines Hundes ist zu hören und kurze Zeit später öffnet mir der Hausbesitzer die Tür und bittet mich herein. Wir nehmen Platz an einem grossen Esstisch. Ich frage ihn, wie es dazu gekommen sei, dass er mit seiner Frau hier wohne, da es sich ja nicht um eine klassische Immobilie handle. Werdmüller meint schmunzelnd: «Amerika war schon immer ein Thema für mich. Dort heisst es: grösser ist besser. Vor allem in Texas. Meine Frau und ich wohnten zuvor in einer ganz tollen Stockwerkeigentumswohnung in der Nähe des Flughafens. Mit der Zeit haben sich die Mieter sowie die Flugbewegungen geändert. Der Fluglärm wurde immer lästiger. Aufgrund geänderter Flugpläne konnte man am Abend nicht ein- und am Morgen nicht ausschlafen, da zu dieser Zeit immer Flugbetrieb in unsere richtung herrschte.
Irgendwann entstand bei der Wohnungssuche die Dynamik, ein Haus zu kaufen oder bauen. Wir hatten die Idee von einem Ranchhaus aus Holz, was relativ günstig gewesen wäre, da dieses aus Fertigelementen erstellt worden wäre. Doch die Feuerpolizei machte uns einen Strich durch die Rechnung. So schauten wir uns weiter um. Doch alles was es auf dem Markt gab, gefiel uns nicht wirklich. Es war zu banal. Vereinzelt gab es grössere Liegenschaften, die wir uns anschauten. Sie standen jedoch irgendwo in der Pampa, wären aber aus diesem Grund wenigstens zahlbar gewesen. Es hat jedoch nie klick gemacht. Irgendwann legten wir alles ad acta, da die Suche nicht fruchtete.
Aufgrund der Situation im Wohnhaus war ich jedoch derart unzufrieden, dass ich eines Abends wieder im Internet suchte. Damals besassen wir noch sechs Autos, heute fünf. Deshalb sahen wir uns nach einer Liegenschaft mit viel Platz um. Wir wollten kein Haus, das nur Platz für zwei Autos bot, weshalb die anderen wieder für teures Geld eingemietet werden müssten. Da uns das Industrielle schon immer gut gefiel, stiess ich zufällig auf das Inserat von Hans Maegerle, der die Schlosserei Castelvero AG besass und diese zum Verkauf ausgeschrieben hatte. Ich sagte zu meiner Frau, dass wir uns das anschauen müssten.
In Dickbuch angekommen, war die alte Schlosserei von aussen logischerweise keine Schönheit. Als wir reinkamen standen überall riesige Maschinen, Werkbänke und Schränke. Ich konnte mir gleich auf Anhieb vorstellen, was man hier alles machen könnte. Meine Frau war skeptisch, doch ich sagte: ‹Das ist es!› Wir verstanden uns sehr gut mit dem Besitzer und erhielten vor anderen Interessenten schliesslich den Zuschlag. Vor der Übernahme wurde alles leergeräumt und Hans Maegerle verkaufte die Sulzer-Maschinen, die noch einiges an Geld Wert waren.»

Im November 2011 erfolgte die Eigentumsübertragung

«Aufgrund meines Arbeitspensums hatte sich einiges an Überzeit angesammelt, die ich während des Umbaus kompensieren durfte. Wir waren teilweise bereits morgens um 6 Uhr beim Architekten im Büro, schauten die Pläne an und besprachen die neusten Entwicklungen. Das war sensationell. Wir konnten bestimmen, wo und wie wir den Umbau gestalten möchten. Er nahm die Ideen des Kunden auf und wollte sich nicht selbst verwirklichen. Ein toller Typ! Deshalb ist alles so geworden, wie wir es haben wollten. Er äusserte lediglich ein paar coole Ideen, wie zum Beispiel in der Küche, von wo aus man nun durch eine riesige Glasscheibe direkt in die Garage schauen kann. Er meinte, dass wir enormen Spass an unseren Autos hätten und wir sie so immer sehen könnten, wenn wir in der Küche wären», sagt der Autofreak begeistert und fährt gleich weiter: «Der Umbau verlangte uns einiges ab. Die Garage brauchte feuerfeste Wände. Wir waren am Malen bei minus zwei Grad, es gab weder Heizung noch fliessend Wasser und die Klebebänder hielten nicht bei dieser Kälte.
Wir wollten die ganze Weite im Gebäude beibehalten und keine Mauer einziehen. So entschieden wir uns für einen Raumtrenner in Form eines Cheminées. Das ist uns super gelungen. Die Küche wurde eingebaut und dort, wo einst die grossen Maschinen und Boiler standen, richteten wir die Nasszellen ein. Das Bad wurde von uns entworfen, worauf ich noch heute stolz bin. Da durfte eine riesige Badewanne auf keinen Fall fehlen. Des Weiteren entstand ein Gästebad und dort, wo sich früher ein Lager mit Röhren befand, strichen wir die Wände und stellten Schränke hinein. Heute ist es unser Ankleidezimmer mit direktem Zugang zum Schlafzimmer, das ursprünglich ein Büro war. Seit annähernd 40 Jahren spiele ich Billard und es war immer schon ein Traum von mir, einen Billardtisch im Haus stehen zu haben. Wo früher das Empfangsbüro war, befindet sich nun ein solcher.»
Steigt man die Treppe hoch ins Obergeschoss, läuft man vorbei an einem Poster von Steve Mcqueen. Oben angekommen, betritt man das Fernsehzimmer mit Hunderten von DVDS. Werdmüller erklärt: «Wir besitzen seit bald zehn Jahren keinen Fernsehanschluss. Das ist Absicht und Luxus pur. Gleich nebenan gibt es ein Gästezimmer und das Büro meiner Frau. Wir wollten den Charakter des ehemaligen Industrieunternehmens beibehalten und beliessen den grössten Teil so wie es war. Die Decke ist im Originalzustand mit Abluftgebläse und Luken im Dach. Wenn wir Fondue oder Raclette essen, können wir die Lüftung auf verschiedenen Stufen einschalten und es ist im Handumdrehen gelüftet. Die Deckenleuchten müssen wir ersetzen, die geben den Geist auf. Es ist jedoch schwierig, für ein solches Gebäude die passenden Leuchten zu finden.»
Ich frage was der Reiz war, das Geschichtsträchtige mit dem modernen von heute zu verbinden. Peter Werdmüller antwortet: «Ursprünglich war hier ein Busdepot. Erst später entstand daraus die Schlosserei Castelvero AG, die der Schwiegervater von Hans Maegerle führte. Als er starb übernahm sie Maegerle. Der Boden trägt drei Tonnen pro Quadratzentimeter, da es keine Erschütterungen geben durfte, wenn die Maschinen liefen, um die Sulzer-Gelenke herzustellen. Man könnte hier einen Panzer parken. Im Jahr 2011 musste Hans Maegerle alles aufgeben, da die Produktion ins Ausland verlagert wurde. Da kamen wir ins Spiel. Innerhalb von drei Monaten war der gesamte Umbau erledigt und wir zogen Ende März 2012 ein.»

Wohnen, wie sie es sich immer erträumten

«Allein die Aussicht ist der Wahnsinn. Man blickt durch riesige Fenster direkt ins Grüne und es gibt einen Garten rund ums Haus. Auch können wir mit unserem Hund in alle Richtungen loslaufen und sind im Nu im Wald. Bis jetzt habe ich kein vergleichbares Gebäude in der Schweiz entdeckt. Es gibt schon schöne Liegenschaften, aber keine solchen, die diese Gesamtheit bieten, wie wir sie benötigen, und mit dieser grandiosen Aussicht. Wir fühlen uns wohl hier. Sogar alle unsere Autos konnten wir unterbringen – alles Fahrzeuge aus den 80erund 90er-Jahren. Keine Oldtimer. Der Übergang zwischen alt und neu hat den Vorteil, dass sie technisch immer noch gut zu unterhalten sind und sie viel mehr Leistung besitzen als ein Oldtimer. Vor allem sind sie bezahlbar. Ein Amerikaner aus den 50er- oder 60er-Jahren kostet locker 50- bis 100’000 Franken, was heute kaum mehr zu bezahlen ist. Meine Frau fährt einen Mercury Cougar und einen Chevrolet Caprice. Zudem besitzen wir einen Jaguar, GMC Sierra Pick-up und einen Chevrolet Camaro. Letzteren habe ich seit 28 Jahren und gehe mit ihm durch dick und dünn.
Einmal fuhren wir damit bis auf Höhe Neapel. Als wir auf der Überholspur waren, meinte wohl jeder ItalIener, es komme ein roter Ferrari angerauscht und wich sofort auf die rechte Spur aus, um Platz zu machen. So etwas erlebte ich in meinem ganzen Leben nicht mehr», erzählt der Autofan lachend. In der Garage hängen überall Poster und es stehen unzählige Modellautos herum. Peter Werdmüller meint: «Ich besitze über 300 davon und kann sie gar nicht alle ausstellen.» Unter anderem kann man die alten Kräne bestaunen, die aus der Zeit der Schlosserei stammen, von denen er jedoch noch nie Gebrauch machte. Er schaut sich um und sagt: «Ich kann mir nicht mehr vorstellen, woanders zu wohnen. Mit diesem Loft ist ein Traum für uns in Erfüllung gegangen. Bereut haben wir es keine Sekunde, in die Schlosserei gezogen zu sein. Wir würden jederzeit alles wieder genauso machen.»

VANESSA SACCHET


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