Vanessa Sacchet im Gespräch mit Peter Weber

  22.10.2022 Tiefenstein

Peter Weber, geboren am 26. Juli 1959 in Spreitenbach, wuchs mit sechs Geschwistern auf. Der gelernte Käser und Vater zweier Töchter ist verheiratet und hat mehrere Hobbys. Er ist Jagdhornbläser sowie Jäger und besitzt zwei Hunde: Rauhaardackel und Deutscher Wachtelhund. Er bildet angehende Jagdhunde aus. Eine weitere Passion ist das Fischen, dem er am liebsten in Norwegen nachgeht. Er und seine Frau besitzen seit 20 Jahren ein Haus auf der Insel Hitra.
«Meine Frau ist gebürtige Norwegerin, mein Schwiegervater in einem kleinen Haus auf der Insel Hitra unweit des Meeres geboren und aufgewachsen. Früher waren wir oft dort zu Besuch oder haben es als Ferienhaus genutzt. Vor 20 Jahren erbten wir das Haus. Es liegt etwa zwei Stunden Autofahrt von Trondheim entfernt. Auf die Insel gelangt man durch einen der tiefsten Unterseetunnel der Welt, dem Hitratunnel, der bis zu 265 Meter unter dem Meer liegt. Das Haus ist ein typisches rotes Holzhaus, wie man es aus dem Bilderbuch kennt. Von dort aus können wir die grossen Passagierschiffe beobachten.»
Mich nimmt wunder, ob Weber die norwegische Sprache beherrscht. Auf meine Frage hin meint er lachend: «Als wir 1982 heirateten, beschloss ich, wenn ich schon eine Norwegerin heirate, dass ich auch die Sprache lernen möchte und dazu für eine Weile nach Norwegen ziehen will. Das taten wir auch für zwei Jahre. Dort lernte ich Norwegisch in Wort und Schrift und war hauptsächlich im Gartenbau und als Maschinist tätig. Ich fuhr mit dem Pneu-Lader und dem Bagger. Zuständig war ich unter anderem für den Winterdienst. Die Sprache war anfangs schwierig zu lernen. Mit der Zeit wurde es einfacher. Mit etwas Fleiss und viel Lernen ist es keine grosse Sache. Es gibt verschiedene Dialekte, wie bei uns in der Schweiz. Die Nord- und Südnorweger drücken sich unterschiedlich aus. Ich spreche den südlichen Dialekt, der in der Gegend von Oslo gesprochen wird. Dort arbeitete ich damals. Mittlerweile kann ich von mir behaupten, dass ich fliessend Norwegisch spreche.
Teilweise verstehe ich auch ein wenig Schwedisch. Ich vergleiche die beiden Sprachen jeweils mit dem Schweizerdeutsch und dem Österreicher Dialekt. Sogar ein wenig Dänisch verstehe ich. Mit meiner Frau unterhalte ich mich zu Hause ebenfalls ab und zu in Norwegisch. Unsere beiden Töchter wuchsen damit auf und sprechen die Sprache heute perfekt. Dasselbe tun wir mit unseren Enkelkindern. Meine Frau arbeitet intensiv daran, damit sie der Sprache mächtig werden. Es ist uns wichtig, dass sie Norwegisch beherrschen und sich dort verständigen und unterhalten können. Sogar meine beiden Schwiegersöhne, die mit unseren Töchtern jeweils zwei Kinder haben, besuchten miteinander einen Norwegisch-Kurs.»

Viele Wege führen nach Norwegen

«Wir probierten schon alles aus. Meistens fliegen wir von Zürich nach Kopenhagen, dann nach Trondheim, von wo aus es mit dem Bus oder dem Mietauto weitergeht, um schliesslich mit dem Schnellboot auf die Insel zu gelangen. Von Trondheim nach Hitra sind es circa 150 Kilometer. Wenn wir um 7 Uhr losfliegen, kommen wir so gegen 18 Uhr auf der Insel an. Mit dem Auto dauert das Ganze länger. Es gibt zwei Routen. Die eine führt über Norddänemark und mit der Schnellfähre nach Norwegen. Bis wir auf Hitra angekommen sind, dauert es insgesamt 26 Stunden. nehmen wir von Elgg die Route über Deutschland und fahren mit der kleinen Fähre nach Dänemark rüber, legen wir in Drammen ausserhalb Oslos einen Zwischenstopp ein, um die Schwiegermutter zu besuchen. Von dort aus dauert es weitere acht Stunden bis zu unserem Haus. Eine andere Variante ist der Zug. Wir verbringen meistens zweimal im Jahr Zeit in unserem Ferienhaus. Mal reisen wir mit dem Auto an, das andere Mal nehmen wir den Flieger.
Im Juni und Juli dieses Jahres waren wir für vier Wochen dort. Es gibt immer viel zu tun, da das Holzhaus schon älter ist. Es fallen verschiedene Unterhaltsarbeiten an. Da es an der Westküste am Meer liegt, herrscht feuchtes Wetter. So müssen Bretter von Wänden ersetzt werden, Reparaturen am Dach sowie diverse Arbeiten im Innenbereich ausgeführt werden. Auch Umgebungsarbeiten fallen an. Ich erledige alles selbst. Dazu gehört auch die Beschaffung des Holzes. Wenn wir im Juni/Juli dort sind, müssen wir öfters den Ofen einheizen, da es kühl ist. Im Durchschnitt herrschen in diesen beiden Monaten in der Nacht acht bis zwölf und tagsüber zwölf bis 18 Grad. Es gibt auch Zeiten, in denen es 25 bis 30 Grad warm ist. Doch das ist eher selten.»

In Norwegen ist es 24 Stunden hell

«Im Juni und Juli sind die Nächte so hell, dass man ohne Blitzlicht fotografieren kann. Schaut man nachts um 2 Uhr aus dem Fenster, ist das vergleichbar mit der Schweiz, wenn es langsam eindämmert. Am Morgen geht die Sonne auf, scheint und geht um Mitternacht unter. Kaum ist sie verschwunden, steht sie um 3 Uhr morgens wieder am Himmel. Mir persönlich bereitet das absolut keine Mühe. Im Gegenteil: Ich geniesse es. Der Körper gewöhnt sich schnell daran, dass es nicht wirklich dunkel wird. Gegen Abend wird in der Natur alles ein bisschen ruhiger. Mir gefällt es, wenn es lange hell ist und ich mich draussen aufhalten kann. Das ist die schönste Zeit, um mit dem Auto eine Tour zu machen oder spazieren zu gehen. Es ist mitten in der Nacht fast taghell.
Die Hirsche sind im Juli meistens mit ihren Kälbern unterwegs. Auf Hitra gibt es 6000 davon – also mehr Hirsche als Einwohner. Auch gehe ich gerne um diese Zeit am meer fischen. es gibt Dorsch, Hering, Seelachs und viele weitere Arten. Mein grösster Fang, den ich je machte, war ein circa 90 Zentimeter langer und sehr schwerer Dorsch, den ich vom Stand her reingezogen habe. Manchmal fische ich mit Kollegen vom Boot aus. Ist das Wetter schön, sind wir teilweise bis morgens um 2 Uhr draussen. Man muss darauf achten, wann Ebbe und Flut ist. Bei Letzterem spült es die Fische rein, was uns Fischern zugutekommt.
Meine Frau warf einmal einen Köder aus und ein kleiner Fisch biss an. Während sie ihn rausziehen wollte, kam ein zweiter und frass den Kleinen. Er blieb an der Angel hängen. ganz zum Schluss kam ein dritter dahergeschwommen und biss ebenfalls an. So zog sie schlussendlich drei Fische auf einen Streich heraus. Das war eine witzige Sache. In Norwegen haben wir oft Besuch von Freunden aus der Schweiz. Dann nehmen wir sie zum Angeln mit. Wir unternehmen gemeinsame Touren und zeigen ihnen die Sehenswürdigkeiten. Es gibt einige Festungen des letzten Weltkriegs, schöne Leuchttürme und viele Windräder. Haben wir Besuch, vergeht der Monat wie im Flug.»

Ein Fischrezept nach alter Tradition

«Von alten Einheimischen erhielten wir ein Rezept nach alter Tradition, um den Fisch lange haltbar zu machen. Das probierten wir aus. Wir mussten dazu Heringe nehmen, sie mit dem Messer aufschneiden und so belassen. Dabei dürfen diese weder mit Erde noch anderem in Kontakt kommen. Eingelegt werden sie in einem Fass mit Salz, das im feuchten Keller gelagert wird. Als wir ein Jahr später das Fass öffneten und vom Fisch probierten, schmeckte dieser etwas salzig, aber sehr köstlich. Wir machten den Deckel wieder drauf und assen vom letzten Fisch circa zwei Jahre später. Die Einheimischen meinten, dass er so bis zu acht Jahre gelagert werden kann.
Es ist immer wieder spannend, solche alten Traditionen mitzubekommen. Eine weitere Spezialität, die wir hier an Weihnachten essen, ist Schweinespeck, den wir im Ofen braten, bis die Schwarte so knusprig ist wie Pommes-Chips. Dazu gibt es Kartoffeln. Auch Elchfleisch ist etwas sehr Feines. Ich habe eine grosse Vorliebe für Kuchen, mag die typische Schwedentorte mit der grünen Marzipanschicht. Eine weitere Spezialität aus der Region ist der ‹Verdens beste Kake›, der als Nationalkuchen und bester Kuchen der Welt bezeichnet wird. Den esse ich für mein Leben gerne.»
Ich frage Peter Weber, was ihn am Leben in Norwegen am meisten fasziniert. Der 63-Jährige muss nicht lange überlegen und meint: «Wenn ich mit dem Auto eine Viertelstunde fahre, befinde ich mich mitten in der Wildnis und weit weg vom Geschehen. Das ist das Schönste überhaupt. Ich geniesse die Ruhe sehr. Oft laufe ich mit der Angelrute im Rucksack durch die Natur und gehe abends fischen. Wenn ich nachts mitten in der Pampas Elche beobachten kann, weil es taghell ist, ist das wunderschön. Die Faszination und das Zusammenspiel von Tier und Natur sind unglaublich beeindruckend. Sowie die Nordlichter, welche man in den Herbstund Wintermonaten um Mitternacht in der Nähe des Trondheimer Fjords beobachten kann.»

VANESSA SACCHET


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