Vanessa Sacchet im Gespräch mit Mila Ünala
06.01.2024 Aadorf, Leute aus der RegionMila Ünala, geboren am 22. Juni 2002 in Winterthur, wuchs zusammen mit ihrem Bruder in Aadorf auf. Sie absolvierte die vierjährige Ausbildung zur Goldschmiedin und beendete diese im vergangenen Juli. Der Beruf erfordert eine Kombination aus handwerklichem Können, kreativer ...
Mila Ünala, geboren am 22. Juni 2002 in Winterthur, wuchs zusammen mit ihrem Bruder in Aadorf auf. Sie absolvierte die vierjährige Ausbildung zur Goldschmiedin und beendete diese im vergangenen Juli. Der Beruf erfordert eine Kombination aus handwerklichem Können, kreativer Inspiration und kundenorientierter Arbeit. Weshalb Sie sich genau dafür entschieden hat, erzählt mir die 21-Jährige.
«Es war von Anfang an klar, dass ich etwas Künstlerisches machen möchte. Ich interessierte mich für den Beruf der Theatermalerin. Lehrstellen gab es nur zwei und der Verdienst wäre nicht allzu gross gewesen. Da ich schon immer gerne zeichnete, erhielt ich den Tipp, dass Goldschmiedin etwas für mich sein könnte. Also schnupperte ich in diesem Metier und machte danach die kostenpflichtige Eignungsabklärung, die man absolvieren sollte, wenn man diese Lehre in Angriff nehmen möchte.
Damals musste ich für drei Tage nach St. Gallen, wo man vom Experten und den Instruktoren Aufgaben erhielt. Es sind vor allem Übungen in den technischen Bereichen, wie eine gerade Fläche feilen oder aus Draht einen Ring biegen und mittig auf ein Blech löten. Aber auch Wellenlinien mussten auf ein solches gelötet und dabei möglichst nichts geschmort werden. Alle Techniken werden bewertet und es gilt noch, einen kleinen gestalterischen Test zu absolvieren. Am Ende des Kurses erhält man ein Dokument auf dem steht, ob man sehr geeignet, geeignet, weniger oder gar nicht geeignet ist für den Beruf. Alle Goldschmiede legen grossen Wert auf diese Beurteilung. Möchte man eine Lehrstelle finden, ist das gar nicht so einfach. Ich hatte das Glück, dass ich schnuppern konnte, sogar eine ganze Woche absolvieren durfte und die Lehrstelle erhielt.»
Mokume-Gane, eine Schmiedetechnik aus Japan
«Von Hand selbst etwas herzustellen, bereitet mir enorm Freude. Auch das genaue und filigrane Arbeiten. Während meiner Ausbildung eignete ich mir den Umgang mit dem Werkzeug an. Mein erster Ring, den ich letzten Sommer fertigte, war aus Rotgold. Das war herausfordernd, weil ich wenig Erfahrung damit hatte und man den Schmelzpunkt beim Löten nicht überschreiten darf. Es gibt eine kurze Zeitspanne, wo man mit dem Löten aufhören muss, damit man nicht schmort. Gerade in meiner Lehrzeit gab es Arbeiten, die mir geschmort oder auseinandergefallen sind. Auch beim Feilen geschahen mir anfangs Missgeschicke, welche jedoch eher kaschiert werden können. Zurzeit arbeite ich vor allem mit Edelmetall und -steinen. Äusserst spannend finde ich es, mit Platin zu hantieren. Bis jetzt arbeitete ich mehrheitlich mit Weissgold oder Silber. Letzteres ist sehr weich, Platin hingegen viel zäher und robuster, lässt sich aber trotzdem sehr gut schmieden und löten. Besonders das Platin-Hartlot läuft sauber in die Fuge und muss nicht mehr gross versäubert werden.
Wenn wir etwas Neues planen, dürfen wir oft unsere Meinungen oder Ideen einbringen. Was mich ebenfalls interessiert ist Mokume-Gane, eine Schmiedetechnik, die ihren Ursprung in Japan hat. Die Grundidee davon besteht darin, verschiedene Schichten diverser Metalle miteinander zu verschmelzen und dann durch Schmieden, Feilen und Fräsen ein einzigartiges Muster zu erzeugen, das an die Maserung von Holz erinnert. Typischerweise werden Kombinationen von Edelmetallen wie Gold, Silber, Kupfer, Palladium und Platin für diese Technik verwendet.»
Ein Blick in den Arbeitsalltag
«Komme ich um 8 Uhr ins Geschäft, beginne ich gleich mit der Arbeit, ausser wir haben Arbeitsbesprechung. Dann gehen wir alle Aufträge durch und schauen, was wir an Reparaturen haben. Dort gilt es Arbeiten zu verrichten, wie Kettchen löten und Ring-Vergrösserungen zu machen sowie Offerten weiterzuleiten. Auch das Schreiben von SMS und E-Mails an Kunden gehört dazu.
Während meiner Lehrzeit hatte ich keinen direkten Kundenkontakt. Das ist jetzt anders und relativ fordernd, aber eine sehr willkommene und schöne Abwechslung. Am meisten Spass bereitet mir, bei Kundenaufträgen an neuen Projekten zu arbeiten. Es ist eine andere Aufgabe, wenn man die Kundin kennt. So kann man ihre Herzenswünsche besser nachvollziehen. Gerade wenn es sich bei einer Reparatur vom Wert her nicht mehr lohnen würde, beim Kunden jedoch der emotionale Wert im Vordergrund steht.»
Ich frage die junge Goldschmiedin, ob sie berühmte Vorbilder hat, die sie inspirieren, und erhalte folgende Antwort: «Ich finde, es ist immer schwierig, zu Berühmtheiten hinaufzuschauen, die beruflich an einem ganz anderen Punkt stehen als ich mit meinen 21 Jahren. Da lasse ich mich lieber durch Leute aus dem direkten Umfeld anregen, wie mein ehemaliger Ausbilder Mario. Er ist ein toller Goldschmied mit enormer Erfahrung und setzt sich stets für uns Junge ein. Ich finde es grossartig, wie er sein Wissen weitergibt, und ich genoss bei ihm eine super Ausbildung. Auch im Design ist er wahnsinnig stark. Als ich sah, wie er Zeichnungen und Ideen sozusagen aus dem Ärmel schüttelt, inspirierte mich das sehr. Auch eine Mitarbeiterin, die etwas älter ist als ich, beherrscht das Goldschmiedehandwerk wie kaum jemand.»
Perfektionist zu sein, ist eine gute Voraussetzung
«Um den Beruf des Goldschmieds zu lernen, gilt es wie anfangs erwähnt, die Eignungsabklärung zu absolvieren. Auch sollte man gewisse handwerkliche Fähigkeiten mitbringen. Es ist aber nicht so, dass man sich diese während der vierjährigen Lehrzeit nicht aneignen könnte. Man sollte auch Interesse an genauer Arbeit haben, etwas perfektionistisch veranlagt sein und Geduld mit sich selbst haben. Es kommt vor, dass man eine Arbeit nicht auf die gewünschte Qualität bringt. Dann gilt es, sich hinzusetzen und dazu zu überwinden, es weiter zu versuchen – oder die Arbeit noch einmal von vorne zu beginnen.
Als ich mit der Ausbildung begann, war ich viel ungeduldiger als heute. Geduld war etwas, das ich lernen musste. Die Projekte sind oft nicht in wenigen Stunden erledigt. Je nachdem sitzt man schon mal 15 bis 32 Stunden am selben Auftrag. Da kommt es vor, dass einem dieser ein wenig verleidet. Dann heisst es durchbeissen, oder die Arbeit für einen Moment aus der Hand zu legen und sich zwischenzeitlich einer anderen Tätigkeit zu widmen». Ich frage Mila Ünala, was sie für berufliche Pläne oder Ziele als Goldschmiedin habe, die sie erreichen möchte. Sie meint: «Momentan möchte ich einfach Fuss fassen, meine Berufserfahrungen festigen, einige Jahre arbeiten und weitere Erfahrungen sammeln. Dann schaue ich, was die Zukunft bringt.»
VANESSA SACCHET