Vanessa Sacchet im Gespräch mit Martin Fuchs
29.03.2025 Leute aus der RegionMartin Fuchs, geboren am 2. Oktober 1966 in Zürich, wuchs mit seinen beiden Halbbrüdern auf. Der gelernte Elektromonteur ist Energie- und Umweltingenieur, verheiratet und hat vier Söhne. Im Jahr 2016 kaufte er ein Bauernhaus, das von einer Hektare Land umgeben ist und auf ...
Martin Fuchs, geboren am 2. Oktober 1966 in Zürich, wuchs mit seinen beiden Halbbrüdern auf. Der gelernte Elektromonteur ist Energie- und Umweltingenieur, verheiratet und hat vier Söhne. Im Jahr 2016 kaufte er ein Bauernhaus, das von einer Hektare Land umgeben ist und auf dem sich 30 bis 40 Hochstammbäume befinden. Um die Wiese sinnvoll zu bewirtschaften, hat er nach einer passenden Lösung gesucht und sich 12 Schafe zugetan.
«Vor 30 Jahren haben wir zu unserer Hochzeit ein Schaf geschenkt bekommen, das wir in einer Herde in Winterthur untergebracht haben. So habe ich gelernt, was es alles braucht für eine Schafhaltung. Da ich Tiere sehr gerne mag und Schafe relativ einfach zu halten sind, kam ich auf die Idee, eine kleine Schafherde anzuschaffen. Um mehr über die verschiedenen Rassen zu erfahren, die zur Förderung der Biodiversität beitragen, wandte ich mich an ProSpecieRara. Besonders interessierte ich mich für das Spiegelschaf. Ich besuchte die Olma sowie andere Ausstellungen, um mir ein genaueres Bild zu machen. Schliesslich wurde ich von Freunden kontaktiert, mit denen wir gelegentlich in Kontakt stehen. Sie erzählten mir, dass ihre Tochter mit der Lehre beginnt und ihre Schafe verkaufen möchte. Als ich die Tiere besuchte, war ich sofort begeistert. Es handelte sich um Engadinerschafe. Sie besitzen auffällige schwarze Lampi-Ohren. Im Jahr 2009 übernahm ich die Schafe und bin seit da stolzer Besitzer dieser faszinierenden Tiere. Da wir in einem Bauernhaus leben, konnte ich die angrenzende Scheune mit ihrem Stall optimal für die Schafe nutzen.»
Tradition, Pflege und Erfahrungen
«Die Engadinerschafe stammen vom Bergamaskerschaf ab, einer alpinen Rasse, die unter rauen und kargen Bedingungen lebt. Diese Schafe sind robust, anspruchslos und weniger krank. Durch die Weiterzüchtung zeichnen sie sich heute durch ein schönes Fell und eine besonders hohe Fruchtbarkeit aus. Manche Züchter oder Bauern kreuzen ihre Herden mit Böcken anderer Rassen, die einen höheren Fleischanteil liefern. Das Engadinerschaf hingegen überzeugt durch seine robusten Eigenschaften, auch wenn es weniger Fleischansatz hat. Während die meisten Schafrassen nur einmal im Jahr lammen, bringt das Engadinerschaf zweimal jährlich Nachwuchs zur Welt. Ich bin dem Zuchtverein beigetreten, um mich mit anderen auszutauschen. Meine Herde ist eher klein und weidet gerne unter den Obstbäumen. Fallen die Äpfel von den Bäumen, fressen sie diese besonders gerne. Die Schafe muss man ein bis zweimal im Jahr scheren. Möchte man sie im Herbst einstallen, ist es gut, wenn man ihnen das Fell noch einmal schneidet. Ich mache es bei meinen Schafen nur einmal im Jahr. Zudem müssen die Klauen regelmässig geschnitten werden. Erkrankt ein Tier, gilt es schnell zu reagieren. Die kleine Herde ist gut überschaubar und ich kenne alle meine Tiere und merke sofort, wenn es ein Problem gibt. Bei den jungen Lämmern stellt sich als erstes immer die Frage, ob sie lebend zur Welt kommen. Die ersten Lebensmonate sind heikel, da passieren die meisten Abgänge. Wichtig ist, dass die Schafe genügend Mineralstoffe und Vitamine erhalten, wenn sie trächtig sind. Heute gibt es zum Glück Zusatzstoffe, die man futtern kann. Viel hat auch mit Erfahrung zu tun, aus der man lernt. So konnte ich mir einiges selbst erarbeiten.»
Die Balance zwischen Nähe und Distanz
«Schafe sind ursprünglich für kalte Regionen ausgelegt. In den Alpen oder in England, wo ebenfalls viele Schafe gehalten werden, ist das Klima für sie besser geeignet. Auch in der Wüste gibt es Schafe, dort sind die Nächte sehr kalt. In tropischen Regionen gibt es keine Schafe, da hohe Luftfeuchtigkeit und Hitze für sie tödlich sind. Für unsere Schafe haben wir einen Stall, in den sie jederzeit hinein- oder hinausgehen können, wann immer sie möchten. Mir ist es wichtig, dass sie sich wohl fühlen und es ihnen gut geht. Ich kenne jedes meiner Schafe genau und kann sie problemlos voneinander unterscheiden. Es ist wie bei den Menschen. Wenn wir zum Beispiel Chinesen betrachten, fällt es uns schwer, sie auseinanderzuhalten, aber sobald wir jemanden besser kennenlernen, erkennen wir die Unterschiede. Genauso geht es mir mit meinen Tieren. Jedes besitzt seine eigene Persönlichkeit, was mir hilft, sie zu unterscheiden. Meine Schafrasse ist eher zutraulich, was ich sehr schätze. Wenn ich bestimmte Geräusche mache und sie auffordere, aus dem Stall zu gehen, reagieren sie mit Angst. Man muss ein gesundes Mittelmass finden. Zu viel Angst ist nicht gut, dann laufen sie davon und es wird schwierig, sie zu kontrollieren. Zu wenig Angst ist auch problematisch, dann bleiben sie nahe bei einem und weichen einem nicht von der Seite. Für mich ist es wichtig, eine natürliche Distanz zu den Schafen zu wahren, die gleichzeitig Nähe zulässt. Diese Balance ist entscheidend, damit die Tiere sich sicher fühlen und ich sie gut führen kann.»
Erlebnisse und Entscheidungen
«Die Schafe, die ich übernommen habe, hatten alle einen Namen. Manchmal merkt man erst nach Jahren, dass dieser nicht ideal ist, und man gibt ihnen einen anderen. Die neuen Schafe benenne ich nicht immer. Ich hatte ein absolutes Lieblingsschaf, das jedoch im letzten Jahr zu lahmen begann. Leider ging es ihm nicht besser, und ich musste die schwere Entscheidung treffen, es zu schlachten. Das ist nie einfach, aber es gehört zur Verantwortung eines Schafbesitzers. Zudem sind es Nutztiere, die ich in erster Linie halte, um den Unterhalt der Liegenschaft zu sichern und zur Biodiversität beizutragen. Auf den Wiesen und in den Bäumen finden viele Vögel Zuflucht, was für die Tiere und die Natur insgesamt von Vorteil ist. Meine Schafe sind pflegeleicht, nicht krankheitsanfällig und genügsam. Es gab Zeiten, in denen ich weniger Schafe hatte, weil ich keine Lust hatte, mit der Zucht fortzufahren und das Ganze eher auf Sparflamme lief. Jetzt habe ich wieder eine grössere Herde, einschliesslich sechs junger Lämmer. Ein sehr berührendes Erlebnis war die Geburt unseres allerersten Lammes Blacky. Es hatte eine Mutter, die bereits beim Vorbesitzer oft Schwierigkeiten machte und sie hat das Lamm nicht angenommen. Meine Kinder waren damals noch klein und wir mussten es mit Lämmermilch schöppeln. Es wuchs sehr zutraulich heran. Leider war es ein Bock, den wir kastrieren mussten. Mit der Zeit wurde er sehr gross und verlor seine gutmütige Art, was es immer schwieriger machte, ihn zu halten. Schliesslich mussten wir ihn nach einigen Jahren schlachten. Das war eine schwierige Entscheidung, besonders für meinen Sohn. Es zeigt, wie komplex die Beziehung zu Nutztieren ist. Je enger die Bindung, desto schwerer fällt es, eine so schwierige Entscheidung zu treffen.»
Eine Reflexion über Fürsorge und Nachhaltigkeit
«Mit der Schafhaltung habe ich viel über mich selbst gelernt. Ich singe in einigen Chören, und eines meiner Lieblingsstücke, das ich im ersten klassischen Chor gesungen habe, ist das Requiem von John Rutter. Besonders das Lied aus dem Psalm 23 der Bibel, ‹Der Herr ist mein Hirte›, berührt mich. Wenn ich dieses Stück höre und gleichzeitig aus dem Fenster schaue, und meine Schafe unter den Bäumen weiden sehe, ist das ein sehr schönes Bild. Ganz gleich, zu welcher Jahreszeit. Es erinnert mich daran, dass wir Menschen eigentlich Hirten füreinander sein sollten. Denn der Hirte kümmert sich um seine Schafe. Ich selbst bin Energie- und Umweltingenieur und setze mich für eine nachhaltige Zukunft ein. Es ist mir wichtig, dass es allen Menschen gut geht, und ich finde, dass die Verantwortlichen aller Staaten sich um das Wohl ihrer Bürger kümmern sollten, nicht um ihr eigenes. Die Erde hat genügend Raum und Ressourcen für uns alle, wenn wir verantwortungsbewusst handeln.»
VANESSA SACCHET