Vanessa Sacchet im Gespräch mit Linda Küpfer

  02.07.2022 Heurüti

Linda Küpfer, geboren am 19. Mai 1991 in Winterthur, wuchs gemeinsam mit ihrem Bruder in Wiesendangen auf. Seit sechs Jahren ist sie verheiratet und Mutter einer TochTer. Ihre erste Ausbildung absolvierte sie als Detailhandelsfachfrau in einem Lebensmittelgeschäft und liess sich später zur Pferdephysiotrainerin ausbilden. Heute gibt sie Reitstunden für Kinder.
«Auf unserem Bauernhof gibt es sehr viele Tiere. Ich würde fast behaupten wir besitzen einen halben Zoo. Mastrinder und Ochsen sind unser Haupterwerb. Zudem haben wir eine Damhirsch-Zucht, einen Pensionsstall mit neun Pferden, wovon zwei mir gehören. Wir besitzen eine kleine Schafherde, Hasen, Meerschweine, Hühner, fünf Katzen und zwei Hunde. Pferde fand ich als Kind schon immer sehr faszinierend. Breits mit sieben Jahren durfte ich im Ponyhof Altikon, gemeinsam mit meiner Freundin, ins heilpädagogische Reiten. Das waren meine ersten Erfahrungen mit Pferden. Mit zwölf wechselte ich in eine klassische Reitschule und nahm regelmässig Stunden. Das war immer der Höhepunkt der Woche.
Als ich mir mit 22 Jahren ein eigenes Pferd kaufte wurde ein grosser Traum wahr. Schön für mich zu sehen ist auch, dass meine Tochter die Leidenschaft zu Pferden teilt. Sie besitzt jedoch nicht das Reiterherz, wie ich es bereits als kleines Mädchen besass – was ich total in Ordnung finde. Sie kommt gerne mit, wenn ich ausreite. Dann sitze ich auf einem Pferd und Felice auf der Stute Sedona, die ich gleichzeitig führe. Vor fast zwei Jahren begann ich, der Tochter einer Pensionärin bei uns im Stall, ebenfalls Reitstunden zu unterrichten. Diese spielte mir auch immer wieder Kinder zu, die ebenfalls Interesse daran hatten.
Es war überhaupt nicht geplant, dass ich Kindern Stunden anbiete. Ich rutschte sozusagen ins Reitlehrerleben hinein. Am Anfang waren es ein paar wenige Kinder. Mit der Zeit kamen immer mehr dazu, da es sich herumsprach. Ich machte nie Werbung dafür. Am Anfang konnte ich nicht nein sagen. Jetzt ist es so, dass ich es tun muss, weil ich schlichtweg ausgelastet bin. Es ist eine grosse Herausforderung, alles zu meistern und unter einen Hut zu bringen. Mein Mann unterstützt mich dabei tatkräftig mit den Tieren, dem Pensionsstall und unserer Tochter, sodass auch Zeit übrigbleibt für die Kinderreitstunden.»

Um Reitstunden anzubieten, bedarf es keiner Ausbildung

«In der Schweiz existiert eine Grauzone, was die Ausbildung betrifft, wenn man Reitstunden unterrichten möchte. Es gibt einerseits die Möglichkeit, eine dreijährige Pferdepfleger-Lehre zu absolvieren, wo der Reitlehrer mitinbegriffen ist. Oder man lässt sich zum Vereinstrainer ausbilden. Es gibt viele Reitlehrer, die keine Ausbildung besitzen und es so handhaben wie ich. Ich möchte dies allerdings nachholen, um einen Abschluss vorweisen zu können. Das ist mir wichtig und gibt mir die Sicherheit, auch versicherungstechnisch besser abgesichert zu sein, da das Reiten zu den Risikosportarten gehört.
Mein Ziel ist es, den Kindern die ersten Schritte gemeinsam mit dem Pferd beizubringen, wie man ein solches putzt und führt. Oder auch, was man für Zeichen vom Boden her geben muss, damit das Pferd einem versteht. Sie lernen Schritt, Trab und Galopp, mit und ohne Longe, sowie die gängigsten Reitbahnfiguren. Wenn die Kinder bereits frei reiten können und es darum geht, dass sie sich in Richtung Turnier-, Dressur- oder Springreiten entwickeln möchten, bin ich die falsche Person. Das überschreitet meine Kapazität. Bei mir lernen sie den Umgang mit Pferden. Die Kinder, welche zu mir in die Stunde kommen, sind zwischen fünf und 13 Jahre alt. Die meisten beginnen im Alter von fünf mit dem Reiten. Meine jüngste Reitschülerin fing mit drei an. Bis auf zwei Kinder, die mit ihrem Privatpferd in die Stunde kommen, reiten alle auf meinen Pferden. Früher besass ich noch ein Pony, ein Isländer-Mix, dessen Grösse ideal für die Kinder war, um mit dem Reiten zu beginnen. Er hiess Pumuckl, war ein Schlitzohr und hatte gerne auch mal schlechte Laune. Wenn ein neues Kind mit seiner Mutter zum ersten Mal zu mir kam, gingen wir in den Stall und das Kind durfte wählen, ob es auf der Stute Sedona, die 1,72 Meter gross ist, reiten möchte, oder auf dem kleinen Pony Pumuckl. Das Lustige war, dass Sedona jeweils mit gespitzten Ohren auf die Kinder zulief, die Mütter jedoch grosse Augen machten, weil das Grössenverhältnis zwischen Tier und Kind nicht stimmte. Wenn wir Pumuckl anschauten, legte dieser die Ohren nach hinten und lief davon», meint Linda Küpfer lachend und ergänzt: «Für die allermeisten Kinder war sofort klar, dass sie auf Sedona reiten wollten, da sie sehr kinderfreundlich ist und Spass hat, mit ihnen zu arbeiten. Obwohl die Kinder beim Putzen der Stute kaum bis zu ihrem Bauch hochkamen, setzten sie sich für die erste Reitstunde lieber auf die grosse Stute als auf den kleinen Pumuckl.»

Anstand und Respekt sind wichtige Punkte

«Die Reitstunden finden draussen auf dem Platz statt. Im Winter gab es viel Schnee und Eis. Das war dann auch das erste Mal, dass mir ein Kind von der grossen Stute fiel. Sie trat in ein Schneeloch und stolperte leicht. Das erst fünfjährige Mädchen verlor das Gleichgewicht und fiel vom Pferd, stand aber gleich danach wieder auf und ich setze sie sofort wieder auf dessen Rücken. Das ist wichtig, nicht dass sie sich später nicht mehr traut. Als Reitlehrerin fällt einem das Herz in die Hose, wenn eines der Kinder runterfällt. Dadurch wurde ich sehr vorsichtig. Stimmen die Wetterverhältnisse nicht, sage ich die Stunden lieber ab.»
Das Arbeiten gemeinsam mit Kind und Pferd sagt Linda Küpfer zu. Sie betitelt es als das beste Hobby, das man haben kann und sagt: «Ich gebe sehr gerne Reitstunden, zeige den Kindern alles rund um das Pferd und gebe ihnen meine Erfahrungen weiter. Auch Sedona macht die Arbeit grossen Spass. Es ist schön zu sehen, wie sie mit ihnen umgeht. Ich bin mit Herzblut dabei und die Freude steht im Vordergrund. Viele Mädchen sind von Pferden begeistert. Es gibt auch welche, die nach ein paar Reitstunden merken, dass es doch nicht das Richtige für sie ist. Auch das gehört dazu. So können sie anderen Interessen nachgehen. Den Kindern, die bereits selbständig reiten und das Pferd so gut wie möglich unter Kontrolle haben, biete ich die Möglichkeit an, mit mir auszureiten. Da lernen sie wie sie sich im Gelände verhalten müssen – oder im Strassenverkehr. Oder was sie tun müssen, wenn ein Pferd erschrickt. Auch wichtig ist mir, dass sie beim Ausreiten die Fussgänger grüssen und nicht im Galopp vorbeireiten, sondern im Schritt. Sie sollen den Anstand als Reiter lernen.
Das Pferd ist ein Fluchttier. Jedem Reiter passiert es, dass seines einmal durchbrennt oder erschrickt und man ungewollt über ein Feld rennt, was für den Bauern nicht erfreulich ist. Als Jugendliche lernte ich, und das möchte ich meinen Schülern ebenfalls weitergeben, dass man herausfinden soll, wem das Feld gehört, um sich beim Bauer mit einem Kuchen oder einer Flasche Wein zu entschuldigen. Den Respekt gegenüber allen anderen lernen, die sich ebenfalls in der Natur aufhalten, ist etwas, was ich den Kindern unbedingt mitgeben möchte. Das ist mir wichtig.»

VANESSA SACCHET


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