Vanessa Sacchet im Gespräch mit Jörg Gnotke
02.11.2024 Region, Leute aus der RegionJörg Gnotke, geboren am 4. November 1957 in Lauterbrunnen, wuchs zusammen mit seinem Bruder auf. Heute lebt er mit seiner Lebenspartnerin zusammen, beide haben jeweils zwei Kinder aus früheren Beziehungen. Gnotke, ursprünglich gelernter Fotograf und Fotolaborant, erweiterte sein ...
Jörg Gnotke, geboren am 4. November 1957 in Lauterbrunnen, wuchs zusammen mit seinem Bruder auf. Heute lebt er mit seiner Lebenspartnerin zusammen, beide haben jeweils zwei Kinder aus früheren Beziehungen. Gnotke, ursprünglich gelernter Fotograf und Fotolaborant, erweiterte sein Fachwissen im Gastronomie- und Dienstleistungsbereich. Heute arbeitet er unter anderem als Trainer und gibt Kurse zu Tischmanieren, stilvollem Auftreten, Umgangsformen und Dresscodes.
«Bereits früh habe ich zusammen mit einem Geschäftspartner einen Knigge-Kurs ins Leben gerufen, der unter dem Namen Tischmanieren.ch lief. Unsere Kurse wurden häufig von Geschäftsführern und CEOs angefragt, die uns darauf hinwiesen, dass es ihren Mitarbeitenden an gesellschaftlicher Sicherheit mangelt und wir ihnen beibringen sollen, wie man sich korrekt am Tisch verhält. Eine Anfrage kam von einem Unternehmen, das das gesamte Management schulen lassen wollte. Wir entwickelten ein Programm, bei dem wir die Teilnehmenden während eines Essens begleiteten. Gemeinsam mit dem Küchenchef stellten wir ein Menü mit einigen Stolpersteinen zusammen, wie grosse Salatblätter und Schalentiere, und zeigten auf, wie sich typische Fettnäpfchen vermeiden lassen. Das Erstaunen bei den Geschäftsleuten war gross, und sie mussten sich zuerst daran gewöhnen, dass sie Manieren lernen sollten. Es handelte sich dabei um Akademiker, Ärztinnen und Pathologen, die von ihrem Chef dazu angehalten wurden, an diesem Kurs teilzunehmen. Vor dem Dessert verabschiedeten wir uns aus dem Essbereich, da die Schulung bis zu diesem Punkt bereits zwei bis drei Stunden gedauert hatte, und teilten den Anwesenden mit, dass wir für Fragen nebenan zur Verfügung stünden. Viele nahmen die Gelegenheit wahr, um weitere Tipps zu erhalten. Die positive Resonanz bestätigte uns darin, das Angebot weiter auszubauen und verschiedene Kurse zu entwickeln. Heute bieten wir Schulungen für Privatpersonen an, und Singles, die sich auf ein Date vorbereiten und wissen möchten, wie sie sich benehmen sollen. Zudem gibt es Kultur-Knigge-Kurse, wie man sich im Ausland korrekt verhalten sollte.»
Farbcode und Körpersprache
«Bestimmte Farben können Aggressionen verstärken, andere wiederum wirken beruhigend. Beispielsweise sollten Frauen bei Geschäftsessen kein rotes Kleid tragen, da diese Farbe viel Energie ausstrahlt. Banker kleiden sich oft sehr dunkel oder in gedeckten Farben. Helle und schrille Farben sollte man vermeiden. Farben haben in verschiedenen Kulturen unterschiedliche Bedeutungen. In Mexiko etwa ist Weiss eine Trauerfarbe und wird bei Beerdigungen getragen, während Schwarz befremdlich wirkt. Auch in Indien ist es üblich, helle und freundliche Farben zu tragen, da Schwarz und dunkle Farben nicht gerne gesehen sind. Im Hinduismus steht Weiss für Hoffnung, und das farbenfrohe Erscheinungsbild spiegelt sich in der Kleidung wider.
Auch die Körpersprache ist besonders im asiatischen Raum von grosser Bedeutung. Europäische Männer legen gerne beim Sitzen ihren Fuss auf das Knie, wodurch die Fusssohle auf jemanden gerichtet ist. Das sollte man unbedingt vermeiden, da dies als Beleidigung angesehen wird. Ein lustiges Beispiel ist die Reaktion der Asiaten, wenn sie einen Europäer mit hellen Haaren sehen. Dann berühren sie es, was zu Missverständnissen führen kann, wenn man nicht darauf vorbereitet ist. Es gibt viele Fettnäpfchen, die man kennen sollte, insbesondere im internationalen Kontext. Wenn Japaner zu Meetings nach Europa kommen, erscheinen sie nie alleine, sondern immer in Gruppen. Es ist üblich, dass einer von ihnen während der Sitzung schläft, da sie oft unter Jetlag leiden. Die wachen Teilnehmer berichten später dem Schlafenden über den Verlauf des Meetings. Für Europäer wirkt ein solches Verhalten seltsam, wenn man den Hintergrund nicht kennt.»
Knigge-Kurse für Kinder, Jugendliche und Erwachsene
«Wir bieten Gruppenkurse für Kinder an, oder die Kinder nehmen gemeinsam mit ihren Eltern teil. Dann fragen wir nach deren spezifischen Wünschen und Zielen. Die Eltern haben oft konkrete Vorstellungen davon, was ihre Schützlinge lernen sollen. Zum Beispiel, wie man ordentlich mit Messer und Gabel isst. Ein interessantes Beispiel, das wir gerne erläutern, ist die amerikanische Esskultur. In den USA ist es üblich, dass man sein Essen zunächst komplett zerschneidet, das Messer weglegt, um dann nur mit der Gabel zu essen. Ein Arm ruht dabei unter dem Tisch, und der Kopf ist über das Essen gebeugt. Junge Menschen essen oft auf diese Weise, während ihr Handy auf dem Tisch liegt und sie gleichzeitig Nachrichten lesen. Das fällt einem leichter, wenn der Kopf nach vorne geneigt ist. Es ist interessant zu beobachten, wie sich solche Gewohnheiten etabliert haben. In unseren Kursen betonen wir, dass das Besteck zum Mund geführt werden sollte und nicht, dass der Kopf fast im Teller liegt. Auch das richtige Sitzen am Tisch ist ein wichtiger Aspekt. Man sollte aufrecht sitzen und eine gute Haltung bewahren.
Bei Erwachsenen gilt es als höflich, wenn der Mann aufsteht, wenn eine Dame den Tisch verlässt, um zur Toilette zu gehen. Wir beantworten auch Fragen, wie man sich verhält, wenn der Tisch mit unzähligen Besteckteilen gedeckt ist. Frauen haben oft das Problem, wohin mit der Handtasche, wenn es keine Stuhllehnen gibt. In guten Restaurants gibt es Clips, die man an der Tischplatte befestigen kann, um die Handtasche dort aufzuhängen. Alternativ stellt man sie zwischen die Füsse auf den Boden. Gut zu wissen ist auch, wie man die Serviette richtig benutzt. Setzt man sich an den Tisch, legt man die Serviette auf den Schoss. Während des Essens benutzt man sie, um sich den Mund abzuwischen. Verlässt man den Tisch vorübergehend, legt man die Serviette locker gefaltet links neben den Teller, so wie nach dem Essen ebenfalls. Hierzu gibt es eine witzige Geschichte. Ursprünglich war die Serviette nichts anderes als die Tischdecke. Die Gäste wischten sich den Mund daran ab. Mit der Zeit wurde sie immer kleiner, bis sie schliesslich die heutige Serviettengrösse erreichte.»
Knigge-Regeln im Wandel
«Moderne Technologie, insbesondere das Handy, hat unsere Manieren stark beeinflusst. Ich beobachte oft ein verändertes Verhalten und höre häufig, dass Tischmanieren als notwendig erachtet werden, weil viele scheinbar keine Manieren mehr besitzen. Über Knigge lässt sich streiten und auch darüber, ob Adolph Freiherr Knigge im 18. Jahrhundert wirklich der Erfinder guter Manieren war. Im Laufe der Zeit wurden seine Regeln modernisiert.
Ich bin überzeugt, dass ein grundlegendes Wissen über Manieren und Tischkultur einem das Leben erleichtert und den Umgang mit anderen Menschen angenehmer gestaltet. Die Wertschätzung wird grösser, wenn man gewisse Benimmregeln beherrscht. Früher betrat ein Herr als erstes ein Restaurant, um die Sicherheit für seine Begleiterin zu gewährleisten, da Gaststätten damals oft wilde Orte waren. Heute öffnet der Herr der Dame die Tür und lässt sie zuerst eintreten. Knigge mag veraltet sein, aber Manieren sind es nicht. Auch der Umgang mit unterschiedlichen Kulturen ist enorm wichtig, insbesondere im Ausland. Zum Beispiel, wo darf man sich die Hand geben und wo nicht? Wie lange bleibt man bei einem Gast? Eine wichtige Benimmregel ist, jemanden ausreden zu lassen und Augenkontakt zu halten. Es ist sehr schwierig, sich mit einer Person zu unterhalten, die abgelenkt ist, auf das Handy schaut und einem ständig ins Wort fällt. Zuhören zu können und auf das Gesagte einzugehen, ist essenziell. Leider existiert noch keine Knigge-App, aber vielleicht wäre das eine Erfindung wert.»
VANESSA SACCHET