Vanessa Sacchet im Gespräch mit Jörg Büchi
21.10.2023 HeurütiJörg Büchi, geboren am 27. Juli 1995 in Elgg, wuchs mit drei Geschwistern auf. Der gelernte Landwirt EFZ und Agrarökonom lebt in einer Partnerschaft. Seit dem Sommer 2020 besitzt er einen Instagram-Account und teilt sein modernes Bauernleben mit circa 7000 Followern. «Als ich ...
Jörg Büchi, geboren am 27. Juli 1995 in Elgg, wuchs mit drei Geschwistern auf. Der gelernte Landwirt EFZ und Agrarökonom lebt in einer Partnerschaft. Seit dem Sommer 2020 besitzt er einen Instagram-Account und teilt sein modernes Bauernleben mit circa 7000 Followern. «Als ich im Jahr 2011 meine Lehre begann, dachte ich, dass es interessant wäre, den Leuten meinen Beruf näherzubringen. Zumal alle meine Kolleginnen und Kollegen nichts mit der Landwirtschaft zu tun hatten. Meine Idee war, einen Kanal auf Youtube zu erstellen. Das bedeutet, man dreht einen Film, bearbeitet das Video und lädt es hoch. Ich besass noch kein Smartphone, später jedoch einen ipod Touch, mit dem man nicht von unterwegs filmen konnte. So geriet die Idee wieder in den Hintergrund und ich absolvierte mein Studium. Als Corona kam und ich daheim zu arbeiten begann, hatte ich genügend Kapazität. Ich entschied, dass jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen ist, um meine Idee zu verwirklichen.
Die Form, in der ich meine Beiträge poste, sind meistens Storys. Das sind kurze Videos von maximal einer Minute. Sie sind 24 Stunden in den sozialen Medien sichtbar und verschwinden wieder. Da ich von unterwegs mein Handy hervornehmen kann, um von meiner Arbeit etwas zu zeigen, ist das die einfachste Form. Auch verfasse ich einen kurzen Text zu einem Thema, um es zu posten. Da das Internet recht schnelllebig ist, begann ich mit Reels. So nennt man ebenfalls kurze Videos von zwei bis drei Minuten. Lange Inhalte wie auf Youtube, die eine Viertelstunde und länger dauern, werden auf Instagram gar nicht angeschaut.»
Der Hofalltag und die Arbeiten als Thema
«Wie fast jeder Bauer in der Schweiz bin ich Mitglied beim Bauernverband. Dort übe ich jedoch keine Funktion aus. Ich spreche auch politische Themen an und darf von mir behaupten, dass ich teilweise bissig bin und nicht immer neutral berichte. Ich greife verbal Leute oder Parteien an, versuche dabei aber immer anständig zu bleiben. Das kann ich mir erlauben, da ich keiner Partei angehöre und somit unabhängig bin.
Meine politischen Inhalte werden hauptsächlich von Berufskollegen sehr geschätzt. Andererseits möchte ich auch die Leute erreichen und aufklären, die nicht aus der Landwirtschaft kommen. Das ist immer eine Gratwanderung. Ich muss mir überlegen, ob ich ins Detail gehen soll, sodass meine Berufskollegen informiert sind, oder es einfach halte, damit es die breite Bevölkerung versteht. Es gibt Follower, die sehr an der Landwirtschaft interessiert sind. Ich freue mich enorm darüber, wenn die Leute auf mich zukommen, weil sie zu einem meiner Beiträge genaueres wissen möchten, auch wenn wir nicht derselben Meinung sind.
Es meldete sich beispielsweise mal ein Veganer bei mir. Ich habe absolut nichts gegen solche. Jeder soll sich so ernähren wie es für ihn stimmt. In den veganen Medien schwirren jedoch viele Halbwahrheiten über die Landwirtschaft herum. Er fragte mich wie ich das ganze sehe. Am Schluss isst er wahrscheinlich immer noch kein Fleisch», meint Büchi lachend und ergänzt: «Das ist in Ordnung. Ich konnte ihn aufklären und es entstand ein gutes Gespräch, bei dem er mir seine städtische Sicht darlegte, von der auch ich etwas lernte.
Dann gibt es die anderen Leute, die sich eine Meinung bildeten und sie nicht mehr ändern möchten. Sie sind nicht in den sozialen Medien, um zu diskutieren, lernen oder sich auszutauschen. Vor allem auf Facebook ist der Umgangston sehr mühsam. Dort muss ich tatsächlich immer wieder Leute blockieren. Mit meinen Beiträgen verdiene ich kein Geld. Sie sind mein Hobby. Ich muss mich deshalb nicht beleidigen lassen, nur weil ich eine andere Ansicht habe oder als Agronom wissenschaftliche Fakten vertrete, die von gewissen Leuten bewusst ignoriert werden.»
Die Realität liegt irgendwo in der Mitte
«Es gibt Themen in den sozialen Medien, die ich immer und immer wieder aufs Neue erkläre und mir dabei denke, jetzt muss es doch endlich zur Aufklärung beigetragen haben. Doch weit gefehlt. Da Abermillionen von Leuten im Internet surfen, gestaltet es sich schwierig. Ich könnte 100-mal am Tag denselben Beitrag posten, bis ihn alle gesehen und verstanden haben. Ob sie glauben, was ich veröffentliche, ist ein anderes Thema. Auch wenn ich es mit wissenschaftlichen Fakten unterstreiche und die Quellen angebe. Ich versuche die Realität zu zeigen, mit allen Höhen und Tiefen.
Wie bereits erwähnt, mache ich viele Storys und Reels. Diesen Sommer war es beispielsweise sehr schwierig mit dem Wetter. Da konnten meine Followers mit mir mitfiebern, ob ich das Gras noch vor dem Regen ins Trockene bringe. Beim ersten Schnitt verregnete es mir die Hälfte. Ich musste die ganze Arbeit noch einmal verrichten. Die ganzen Nährstoffe im Gras waren weg und alles musste wieder trocknen. In meinen Videos konnten dann alle sehen, wie niedergeschlagen ich war, weil alles in die Hose ging.
Das ist wichtig. Gerade in der Werbung unserer Detailhändler sehen wir ein so wunderbares Bild von der Landwirtschaft: Der Bauer mit seiner Familie, seinen Kühen, alles ist idyllisch und das Huhn läuft zur Migros und legt frische Eier in eine Packung. Es gibt tatsächlich Leute, die zu mir kommen und meinen, das sei ja industrialisierte Landwirtschaft und sehe nicht aus wie in der Werbung. Dann antworte ich, dass die Realität irgendwo in der Mitte liegt.»
Über 300’000 Menschen mit einem Video erreicht
«Ich besitze 30 Milchkühe, sogenanntes Braunvieh. Im letzten Jahr bastelte ich für sie eine Wasserdusche und postete ein Reel darüber. Das Video erhielt eine grosse Reichweite. Auch schon fand ich auf Instagram eine Tonvorlage eines Films mit Bully Herbig. Sie lautete: ‹Hallo, wir sind die drei von der Tankstelle. Ich bin Super, ich bin Super plus und ich bin Normal». Als Witz drehte ich mit diesem Ton ein Video mit meinen drei Kälbchen im Stall und erreichte 309’771 Leute. Damit rechnete ich absolut nicht. Wenn man sich vorstellt, dass sich so viele Leute meine drei Kälbchen hier in Heurüti im Stall anschauten, ist das unglaublich.»
Auf meine Frage, wie lange er noch als Influencer weiter machen möchte, meint Büchi lachend: «Ehrlich gesagt hoffe ich, dass ich dieses Hobby nicht für ewig machen muss. Wobei das nicht korrekt formuliert ist, denn müssen muss ich nichts. Ich mache es aus Spass. Im Moment läuft es gut und ich habe Zeit für all das. Aber ich bin auch nicht böse, wenn es irgendwann wieder einmal vorbei ist. Ganz am Anfang war Facebook, jetzt ist Instagram angesagt. Aber auch das ist schon wieder veraltet und ich müsste auf Tiktok umsteigen. Ich nehme mir vor, dass ich das bewusst nicht mache. Solange Instagram noch ein Thema ist, mache ich dort weiter. Sollte sich das ändern, kann ich gut damit leben, aufzuhören. Ich kann ja nicht immer und dauernd am Handy sein.»
VANESSA SACCHET