Vanessa Sacchet im Gespräch mit Hans Kull

  19.11.2022 Huggenberg

Hans Kull, geboren am 23. Juli 1950 in Scherz, wuchs zusammen mit zwei Geschwistern auf. Der gelernte Maschinenschlosser hat drei Kinder. Seit einigen Jahren widmet sich der 72-Jährige einer speziellen Tätigkeit. Auf dem Schauenberg, 892 Meter über dem Meer, dem Hügel oberhalb Elgg, geniesst man eine herausragende Rundsicht. Auf der Kuppe stand einst eine mittelalterliche Burg, deren Ruine heute noch gut sichtbar ist. Hans Kull kümmert sich um den Abfall, der auf dem Aussichtspunkt anfällt und gibt mir Auskunft, wie es dazu gekommen ist.
«Im Jahr 2017, kurz vor der Fusionierung von Hofstetten und Elgg, wurde ich vom damaligen Gemeinderat angefragt, ob ich Interesse hätte, auf dem Schauenberg nach dem Rechten zu schauen und mich um die Leerung der Abfallkübel und Entsorgung der Säcke zu kümmern. Ich sagte zu und ging auf den Berg, um mir alles anzusehen. Dort standen normale Kehrichtkübel, die nicht brauchbar waren. Nahm man die Abfallsäcke heraus, zerrissen sie. Ich nahm mechanische Anpassungen vor, sodass man die deckel entfernen konnte und sich die Säcke gut herausnehmen liessen. Ich hatte enorm Glück, dass mir der Bauer, der hinten beim Schäfer die Alp betreibt, eine Bewilligung erteilte, sodass ich mit meinem Jeep beim Schauenberg bis ganz nach hinten fahren darf, dort wo der Aufstieg zum Aussichtspunkt erfolgt. Ich musste ihm lediglich versprechen, dass ich die Abschrankung bei den Rindern jeweils schliesse, damit diese nicht weglaufen können.»

Manch verdutzte Blicke

«Die Wanderer schauen mich ganz entgeistert an, wenn ich das offizielle Fahrverbot missachte, durch den Wald fahre und oben auf der Alp die Vieh-Abschrankung öffne und passiere, um nach hinten zu fahren. Da schaue ich jeweils in fragende Gesichter», meint Kull lachend und ergänzt: «Spätestens, wenn Sie mich mit den Abfallsäcken vom Berg herunterkommen sehen, ändert sich die Mimik in den Gesichtern und hin und wieder entsteht ein nettes Gespräch. Ich habe auch schon ein Dankeschön für meine Tätigkeit erhalten. Durchschnittlich sieht man mich alle zehn Tage auf dem Berg. Das kommt ganz auf das Wetter an.
Gibt es eine Schönwetterperiode, gehe ich öfters hoch, da sich an den Wochenenden viele Wanderer und Ausflügler auf den Hausberg begeben und somit mehr Abfall anfällt. Zudem möchte ich verhindern, dass die Kübel überfüllt werden und die Leute den Müll im Gebüsch entsorgen oder den Hang hinunterwerfen. So erspare ich mir die zusätzliche Arbeit, den Abfall zusammensuchen zu müssen. Ich entschied mich für diese Tätigkeit und möchte sie zuverlässig und genau ausüben. Von der Gemeinde Elgg erhalte ich dafür einen kleinen Unkostenbeitrag fürs Benzin und meine geleistete Zeit.»

Es fallen Unmengen Abfall an

«Mit dem Leeren der Kübel beginne ich meistens im Februar oder März, wenn der Schnee geschmolzen ist, und ziehe es durch bis anfangs Dezember, wenn wieder Schnee liegt. In den Anfangszeiten kamen im Jahr durchschnittlich 25 bis 30 110-Liter-Abfallsäcke zusammen. Ich werfe sie bei uns in Huggenberg in den Kehrichtcontainer. Die Gebührenmarken erhalte ich von der Gemeinde zur Verfügung gestellt. Letztes Jahr trug ich 23 Säcke herunter. Wie die Bilanz dieses Jahr aussehen wird, weiss ich noch nicht. Was mich stört und mir zu denken gibt, sind unangetastete Lebensmittel, die achtlos in den Abfall geworfen werden. Vor allem Würste die noch eingeschweisst und ungeöffnet sind. Sowie halbvolle PET-Flaschen, deren Inhalt nicht ausgeleert wurde und so im Müll landen, nur weil man diese nicht mehr mit nach Hause tragen möchte. Auch stelle ich fest, dass Personen ihren privaten Abfall auf dem Schauenberg entsorgen. Es wurde schon mal ein Sack voller Babywindeln hochgetragen und im Mülleimer deponiert – und das mehrere Male. Da frage ich mich schon, was sich diese Leute dabei denken, weshalb sie ihren Müll nicht zu Hause entsorgen, diesen aber stundenlang mit sich herumtragen. Auch erlebte ich, dass eine Person den privaten Kehricht in einer Migros-Tasche mit einer Schnur zusammenband, um sie auf dem Berg zu entsorgen. Ich finde das in der heutigen Zeit unangebracht.»
Aus den Abfallsäcken nimmt Hans Kull nichts heraus. Sieht er jedoch PET- oder Glasflaschen danebenliegen, hat er immer eine Stofftasche dabei, um diese separat einzusammeln. Wenn jüngere Leute Partys feiern, gibt es mehr Abfall. Es kommt auch darauf an, wie viele Schulklassen den Hausberg besuchen. Das Lehrpersonal achtet zwar darauf, dass die Schüler ihr Verpackungsmaterial wieder mitnehmen.

Den Hausberg in Schuss halten

«Die Rinder auf der Alp kommen jeweils sehr nahe an die Abfälle heran. Fressen sie Plastik, kann das tödlich enden. Es gibt Leute, die an der Feuerstelle Glasflaschen zerschmettern oder den Hang hinunterwerfen. So können die Rinder hineintrampeln und sich Schnittwunden zuziehen. Sind die Abfalleimer voll, deponieren die Leute wenigstens ihren Müll direkt daneben und nicht irgendwo im Gebüsch. Aludosen finde ich praktisch keine. Was aber mühsam ist, sind die Einweggrills. Die werden im Kübel mit dem Fuss plattgedrückt und der Sack in der Betonröhre zerreisst an der Seite. Wenn ich ihn herausziehen möchte, ist das fast nicht möglich und ich muss den Müll in einen anderen Sack umfüllen. Mich ekelt es nicht und ich trage Handschuhe wegen der Verletzungsgefahr.
Ich appelliere an die Leser, dass sie bei einem Besuch auf dem Schauenberg so wenig Verpackungsmaterial wie möglich hinauftragen, vor allem ihre angefangenen Getränke und unangetasteten Lebensmittel wieder mit nach Hause nehmen und sich daran erinnern, dass es viele Leute gibt, die Hunger leiden. Der Schauenberg ist unser Hausberg und es liegt mir am Herzen, dort für Ordnung zu sorgen. Die Ausflügler sollen sich wohlfühlen und sich gerne dort aufhalten. Ich möchte nicht, dass ein Chaos herrscht. Die Arbeit verrichte ich gerne und erhalte so ein wenig Taschengeld. Reich werde ich damit nicht, tue aber etwas Sinnvolles und Gutes.»

Mehr als nur entsorgen

Sobald Kull die Abfallkübel geleert hat und alle Säcke im Auto verstaut sind, gibt es Momente, in denen er sich Zeit nimmt, um etwas auf dem Berg zu bleiben. Der 72-Jährige meint: «Dann zünde ich mir einen kleinen Stumpen an, stehe dort und schaue in die Ferne. Sei daS nun in Richtung Appenzellerland oder Zürich zum Greifensee. Herrscht eine schöne Stimmung, fotografiere ich gerne den Sonnenuntergang. Ich renne nicht einfach auf den Berg hoch, verrichte meine Arbeit und steige wieder hinunter. Manchmal treffe ich auf Leute, mit denen ich ins Gespräch komme und ein Austausch stattfindet. Darüber freue ich mich immer. Nicht alle sind im Besitz eines Hausbergs direkt vor der eigenen Tür. Deshalb geniesse ich es umso mehr, mir ein paar Minuten Zeit zu nehmen, herunterzuschauen und zu sehen, wie schön wir es hier haben in unserem kleinen Paradies. Meine Frau und ich leben seit 40 Jahren in Huggenberg und fühlen uns hier zu Hause.»

VANESSA SACCHET


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