Vanessa Sacchet im Gespräch mit Corina Zehnder
23.09.2023 EttenhausenCorina Zehnder, geboren am 21. April 2002 in Frauenfeld, wuchs zusammen mit ihrem jüngeren Bruder auf. Die gelernte Velomechanikerin lebt in einer Partnerschaft. Schon als kleines Mädchen fuhr sie am liebsten Gokart. Wie es dazu kam, erzählt uns die 21-Jährige.
«Mein ...
Corina Zehnder, geboren am 21. April 2002 in Frauenfeld, wuchs zusammen mit ihrem jüngeren Bruder auf. Die gelernte Velomechanikerin lebt in einer Partnerschaft. Schon als kleines Mädchen fuhr sie am liebsten Gokart. Wie es dazu kam, erzählt uns die 21-Jährige.
«Mein Bruder und ich flitzten schon als kleine Kinder mit einem Bobbycar herum. Mein Vater ist ein begeisterter Gokart-Fahrer und so kam es, dass ich bereits mit acht Jahren zum ersten Mal mit einem richtigen Gokart fuhr. An den Clubrennen, an denen mein Vater teilnahm, fuhr ich in den Jahren 2010 bis 2012 drei sogenannte Minirennen über zehn Runden und gewann sogar einen Pokal. Es war von klein auf mein grösster Wunsch, ebenfalls Kart zu fahren. Meine Eltern waren der Meinung, dass ich im Turnverein gut aufgehoben bin und blockten immer ab. Irgendwann akzeptierte ich ihre Entscheidung und nahm weiterhin als Helferin an den Rennen meines Vaters teil. Ich gab mich jedoch nicht damit zufrieden, nur ab und an mit seinem Kart eine Runde zu drehen. Ich wollte definitiv selbst fahren.
Vor drei Jahren bekam ich von einem Kollegen einen Rahmen geschenkt und baute mir meinen eigenen Kart zusammen. Der Sitz und das Lenkrad mussten eingebaut werden. Auf dem ganzen Rahmen musste der Kabelbaum verlegt und positioniert werden, damit der Motor läuft. Das war sehr arbeitsaufwendig. Als gelernte Velomechanikerin ist mir das ‹Mechen› nicht ganz fremd. Beim gesamten Aufbau unterstützte mich mein Vater tatkräftig. Wie gewisse Dinge funktionieren, wusste ich bereits, da mir das frühere Mithelfen zugutekam und ich schon damals einen Einblick erhielt. Zudem lernte ich beim Zusammenbauen enorm viel, wovon ich heute noch profitiere. Diese Erfahrung hätte ich nicht machen können, wenn ich in einen Kartshop gegangen wäre und mir einen fertigen gekauft hätte. Der Rahmen, den ich besitze, ist aus dem Jahr 2011 und eigentlich schon uralt. Der damalige Wert lag bei 1500 Franken.»
Das erste Kartrennen
«Ich wollte nicht bis zum Saisonstart im nächsten Jahr warten, sondern meine ersten Rennerfahrungen so schnell wie möglich sammeln. Es war das letzte Rennen der Meisterschaft, in der ich sowieso nichts mehr erreichen konnte. Somit hatte ich keine grossen Erwartungen oder Ziele. Mir war wichtig, endlich zu fahren. In Wohlen wurde ich Elfte von 13 Teilnehmenden. Wir hatten damals nicht ein Zeitfahren wie man es kennt – sprich der Schnellste startet zuvorderst, der Langsamste zuhinterst. Die Startposition wurde ausgelost. Dann gab es drei Rennen. Ich zog damals die Nummer 13 und musste im zweiten Rennen zuvorderst starten. Im ersten Moment dachte ich: ‹Oh nein, auch das noch.› Ich war sonst schon nervös. Als Vorderste zu starten war etwas ganz Spezielles. Im Nachhinein war es eine gute Erfahrung, ins kalte Wasser geworfen zu werden und keine Zeit zum Überlegen zu haben. Für den Karting-Club Ostschweiz, in dem ich und mein Vater Mitglieder sind, werden in der Meisterschaft vier Rennen pro Jahr gefahren. Jedes Rennwochenende besteht aus drei einzelnen Rennen. Auch da wird der Startplatz ausgelost. Beim zweiten Rennen ist es umgekehrt: Der Erste startet als Letzter, der Letzte als Erster. Im Finale zählen beide Resultate zusammen und ergeben den Startplatz: je einmal Zweiter und Erster ergibt drei Punkte. Der, welcher am wenigsten Punkte hat, startet zuvorderst, derjenige mit den meisten zuhinterst.»
Training auf der Kartbahn in Wohlen
«Möchte ich trainieren, kann ich beispielsweise nicht einfach in die Allmend Frauenfeld fahren und dort mit dem Kart herumkurven. Das Training ist nur auf einer offiziellen Rennstrecke erlaubt. Entweder ist das in Wohlen, Aargau, oder in Lyss bei Bern. Ich trainiere ehrlich gesagt zu wenig, weil der Aufwand dafür ziemlich gross ist. Man muss mit dem eigenen Material anreisen und die nächstgelegene Rennstrecke liegt in Wohlen. Das ist jedes Mal eine Stunde Hin- und Rückfahrt. Bei uns im Club trainiert jeder für sich allein. Es gibt keine fixen Tage, an denen wir alle gemeinsam trainieren. Dieses Jahr fuhr ich noch nicht viel. Meistens gehe ich mit meinem Vater oder meinem Freund. Allein ist es fast nicht möglich, da ich selbst nicht alles Einund Ausladen kann. Zum Training auf der Strecke muss man sich nicht anmelden. Man fährt hin, löst ein Ticket und trainiert. Natürlich gibt es auch andere Fahrer auf der Rennstrecke – mal mehr, mal weniger.
Wenn ich mich auf ein Rennen vorbereite, habe ich kein spezielles Ritual oder immer dieselben Abläufe. für mich ist es wichtig, dass ich kurz vor dem Start in mich gehen kann, mich auf das bevorstehende Rennen fokussiere und nicht an etwas anderes denke. Ich kontrolliere alles und muss sicher sein, dass die Schrauben angezogen sind, damit ich mich mit einem guten Gewissen in den Kart setzen kann. Dann bin ich bereit und kann mich vollkommen auf das Rennen konzentrieren. Je nach Startposition überlege ich mir, was möglich ist. Wie kann ich in die erste Kurve reinfahren? Bin ich schon in der Kurveninnenseite oder eher noch an der Aussenseite? Wann soll ich Vollgas geben oder etwas zurückhaltend fahren? Das sind alles Gedanken, die einem kurz vor dem Rennen durch den Kopf gehen. Jedes davon ist individuell.»
Nur wenig Frauen fahren Kart
«Grundsätzlich gibt es wenig Frauen, die Kart fahren. Bei uns im Club sind wir zwei von 15 aktiven Fahrern. Ich bin der Meinung, dass wir genauso talentiert sind wie Männer. Ich denke nicht, dass wir Frauen da einen Nachteil haben. Man muss es wollen und auch viel dafür tun. Ich bin ein Adrenalinjunkie und Mut braucht es auch. Kart fährt man nicht einfach halbherzig nebenbei. Am Rennen selbst muss man sehr konzentriert sein, wenn man mit hoher Geschwindigkeit in einer Kurve später bremst, um einen Fahrer zu überhohlen, damit man drei Zehntel schneller ist als er. Was man nicht haben darf, ist Angst. Klar ist das Kartfahren eher gefährlich, weil man mit hohen Geschwindigkeiten nahe beieinander fährt. Je nach Strecke sind wir mit 100 Stundenkilometern unterwegs.
Ich liebe Geschwindigkeit und fahre mit grosser Leidenschaft. Das schönste ist, dass wir immer als Familie an den Rennen teilnehmen. Das war schon immer so. Da mein Vater im selben Club fährt, bestreiten wir die Rennen gemeinsam. Mein Bruder sowie mein Freund fungieren als Mechaniker und unterstützen uns tatkräftig. Meine Mutter ist zuständig fürs Fotografieren und die Verpflegung. Die mentale Unterstützung bekomme ich von allen, jedoch vor allem durch meinen Freund. Es würde nicht funktionieren, wenn nicht alle mithelfen.» Auf meine Frage, ob sie einen bestimmten Rennfahrer als Vorbild hat, zögert die junge Kartfahrerin keine Sekunde und antwortet: «Nein, das habe ich nicht. Aber ich sehe meinen Vater als Vorbild. Er fährt erfolgreich, ist auch Formel Ford gefahren und hat ganz viel Erfahrung. Er behält immer die Ruhe, ist konzentriert und fährt konstant eine Runde um die andere. Somit ist er für mich ein riesengrosses Vorbild und ich möchte ihm ähnlich sein.»
VANESSA SACCHET