Vanessa Sacchet im Gespräch mit Beat Kappeler
07.05.2022 Leute aus der RegionBeat Kappeler, geboren am 28. Januar 1979 in Winterthur, wuchs zusammen mit seinem Bruder auf. Der gelernte Landwirt ist verheiratet, hat einen Sohn und führt den Bauernhof in der vierten Generation. Für ihn war schon früh klar, dass er den elterlichen Hof einmal übernehmen wird.
«Angefangen als Bauer hat mein Urgrossvater Jakob Kappeler. Er kam in Schneit zur Welt, musste dann aber von zu Hause weg und kam als Verdingbub auf einen Betrieb in Sammelsgrüt. Er hatte es gut dort und arbeitete später als Knecht auf dem Hof. Danach führte mein Urgrossvater seinen eigenen am jetzigen Standort in Oberschneit. Den Erzählungen nach war es ein alter Bauernhof mit Scheune. Das Haus und der Stall waren nicht zusammengebaut. Die alte Scheune wurde irgendwann abgerissen, so wie das Wohnhaus. Danach führten meine Grosseltern den Betrieb, später übernahmen meine Eltern.
An meine Kindheit auf dem Hof habe ich nur die besten Erinnerungen. Direkte Nachbarskinder gab es nicht. Wir waren viel im Nachbarweiler Unterschneit, wo ich zwei Kollegen hatte. Oder in Kappel, bei weiteren Kollegen, wo wir im Sommer oft waren, da es einen Feuerweiher gab, in dem wir baden konnten. Wir waren viel im Wald, machten Feuer, bauten Holzhütten und probierten das Nielenrauchen aus. Wenn ich heute darüber nachdenke, staune ich, was mein Vater uns alles machen liess. Am liebsten schraubte ich gemeinsam mit meinem Bruder und anderen Kollegen an den Töffs herum. Wir bauten alte Motoren in irgendwelche Gefährte, die wir selbst bauten.
Das Herumbasteln an Motoren weckte mein Interesse an der mechanischen Arbeit. Ich erinnere mich an einen Besuch bei meinem Götti, als ich etwa elf Jahre alt war. Dieser meinte, er hätte ein Mofa, welches nicht mehr laufe und das er wegwerfe. Wenn wir wollten, dürften wir es haben. Mein Vater dachte, wenn es sowieso nicht laufe, könnten wir Kinder ein wenig daran herumschrauben. Kaum daheim dauerte es keine zwei Stunden und wir brachten das Töffli zum Laufen und frästen ohne Helm auf dem Hofplatz herum», erinnert sich Kappeler lachend zurück.
Und weiter: «Mein Bruder und ich fingen früh mit dem Traktorfahren an. Ich weiss noch, dass mein Vater damals auf Gas- und das Kupplungspedal Klötze aufschraubte, damit wir Knirpse mit unseren kurzen Beinen die Pedalen runterdrücken konnten. So fuhren wir bereits mit elf Jahren damit herum, bevor wir überhaupt die Prüfung hatten. Ich durfte auch ackern. Mein Vater brachte mich mit Traktor und Pflug aufs Feld und fuhr mit dem Velo wieder nach Hause, während ich den ganzen Tag hin- und herfuhr. Es war das Grösste für mich, wenn ich allein draussen auf dem Feld arbeiten konnte.»
Tiere gab es schon immer auf dem Hof
«Mein Grossvater besass damals Hühner. Mein Vater hatte Kühe, eine eigene Rinderaufzucht und Mastochsen. Ich weiss noch, als ich klein war, stand ein altes Ross bei uns im Stall, das man für die Arbeit nicht mehr gebrauchen konnte. Irgendwann brachten wir es zum Metzger. Als Kind packten wir früh mit an. Meist waren Grossvater und Vater zusammen im Stall. Letzterer melkte, der Grossvater fütterte die Tiere und wir halfen ihm dabei. Immer mit dabei waren wir, wenn wir die Rinder irgendwohin treiben mussten. Vor allem, wenn wir sie in den Hüttstall auf eine Gemeinschaftsalp unterhalb des schauenbergs brachten. Man trieb die Rinder dorthin, um die Flächen abzuweiden. Wir verbrachten jeweils den ganzen Tag dort oben und spielten gemeinsam mit den anderen Bauernkindern. Die Rinder blieben den ganzen Sommer. Für mich war schon als kleiner Junge klar, dass ich einmal Bauer werden möchte. Sicher schaute ich mich auch um und war sogar einmal als Landmaschinenmechaniker schnuppern. Ich fand es aber nicht so spannend, immer nur das Zeug der anderen zu flicken, und entschied mich für die Ausbildung als Landwirt. Man verbrachte damals zwei Lehrjahre in zwei verschiedenen Betrieben. Zuerst war ich in Welsikon bei der Familie Huber. Ich bekam ein Zimmer und wohnte ab dann bei ihnen. Damals hatte man wöchentlich einen Tag frei. Wir machten ab, dass ich alle zwei Wochen am Wochenende freihabe, damit es sich für mich lohnt, nach Hause zu gehen. Das war auch im zweiten Lehrjahr so als ich in Seegräben bei Familie Heusser war.
Nach der Lehre kehrte ich nach Hause zurück. Wir hatten mit dem alten Stall Probleme, da dieser nicht mehr dem Tierschutz entsprach. Es hiess, dass sich ein Umbau kaum lohne. Wir besassen damals 16 Kühe. Ein Berater meinte, man müsste gleich einen neuen Stall bauen. Wir bildeten eine Generationengemeinschaft, weil ich half, das Ganze mitzufinanzieren, damit wir von der Bank Geld bekamen. So begannen wir mit der Planung und dem Bauen eines Freilaufstalls für die Kühe und Kälber. Die Aufzuchtrinder und Mastmunis sind bis heute in den alten Gebäuden untergebracht, die ich damals selbst umbaute, sodass kein Tier mehr angebunden sein muss. Im Jahr 2012 baute ich gemeinsam mit meinem Vater das Stöckli, in das meine Eltern umzogen. Und ich baute die Wohnung, in der ich aufwuchs, für mich und meine Frau um. Drei Jahre später verstarb mein Vater. Meine 70-jährige Mutter wohnt weiterhin im Stöckli, hilft jedoch nicht mehr im Betrieb mit.»
Im Besitz von 80-jährigen Hochstammbäumen
«Früher setzte man Bäume, die Ertrag bringen mussten. Mit den Früchten der Hochstammbäume ging man zum Markt und verkaufte sie. Ich will den Baumbestand behalten und setze jedes Jahr ein paar neue, da immer wieder alte gefällt werden müssen. Im letzten Jahr hatten wir viele Mäuse, was für die Bäume problematisch ist. Hochstammbäume dürfen nicht gespritzt werden. Teilweise hatten wir bei den Boskoop das Problem, dass es kleine Äpfel mit viel Schorf gab. Die Kirschen sind zwar sehr schmackhaft, aber viel zu klein und haben hin und wieder Würmer. Man bringt die Qualität nicht hin, die verlangt wird. Deshalb gehen wir mit dem Obst nicht mehr zum Markt und behalten es für den Eigenbedarf.
Es gibt auch noch alte Nussbäume. Nach dem Krieg pflanzte man solche, was als Friedenszeichen galt. Sie sind also circa 80 Jahre alt. Früher sammelte meine Grossmutter die Nüsse ein. Meine Frau macht hin und wieder eine Bündner Nusstorte damit. Heute hat man vor allem wegen der Biodiversität Bäume.» Ich frage Beat Kappeler, wie schwierig es sei, in der heutigen Zeit einen Bauernbetrieb zu führen. Er meint: «Man muss sich viel besser mit den Vorschriften auskennen. Vor allem was den Tierschutz anbelangt. Dieser spielt eine grosse Rolle. Tritt man dort in ein Fettnäpfchen, hat man immer mal wieder Kontrollen. Wir hatten zum Glück noch nie Probleme, da meine Frau und ich uns sehr oft im Stall aufhalten und dadurch viel mitbekommen. Auch das Direktzahlungssystem ist sehr komplex. Man muss die Massnahmenkataloge und Vorschriften gut kennen.
Für einen vielseitigen Familienbetrieb wie unseren, gibt es viel, das überschaut werden muss. Man sollte genau wissen, wie und was angemeldet werden muss und was die Konsequenzen sind. Das alles ist mit einem enormen Zeitaufwand verbunden und weniger mein Ding. Ich bin viel lieber draussen.» Gerne hält sich auch sein achtjähriger Sohn dort auf. Er hat seine eigenen Projekte, schnitzt und sägt gerne, spielt im Sandhaufen, oder flitzt mit dem Go-Kart über den Hofplatz. Kappeler bedeutet es viel, dass sein Sohn wie er einst auf dem Bauernhof aufwächst. Er sagt: «Wir sind möglichst viel draussen und klüttern gemeinsam an irgendetwas herum.»
Ob mit seinem Sohn bereits die nächste Generation in den Startlöchern steht, ist noch in weiter Ferne. Der 43-jährige Landwirt meint: «Er muss selbst entscheiden, was er einmal machen möchte. Klar wäre es schön, wenn er den Hof weiterführen würde.» Was auf jeden Fall fortgeführt wird, ist die Tradition, dass Beat Kappeler seine Rinder in der vierten Generation auch diesen Sommer wieder in den Hüttstall bringt. In der Weideund Alpgenossenschaft übernahm er vor einem Jahr als Vorstandsmitglied das Präsidium. Der Bauer entdeckte dabei etwas Erstaunliches: «Da ich Akteneinsicht habe, stiess ich auf einen alten Bericht der Anfangszeiten. In diesem wird mein Urgrossvater Jakob Kappeler erwähnt, der bei der Gründung 1909 dabei war und als erster Aktuar vermerkt ist.»
VANESSA SACCHET